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Rückführung
Afghanischen Flüchtlingen droht die Abschiebung

Vertreter aus Berlin und Kabul haben sich auf der jüngsten Afghanistan-Konferenz in Brüssel auf vertragliche Maßnahmen zur Rückführung von Flüchtlingen geeinigt. Die neuen Regelungen könnten rund 13.000 in Deutschland lebende Afghanen betreffen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von purer Abschreckung in Wahlkampfzeiten.

Von Martin Gerner | 19.11.2016
    Demonstranten protestieren am 22.10.2016 in Hamburg in der Innenstadt gegen die Abschiebung von Flüchtlingen aus Afghanistan. Das Land am Hindukusch stellt nach Meinung der Protestler kein sicheres Herkunftsland dar.
    Protest in Hamburg gegen die Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan. (dpa/ picture alliance / Axel Heimken)
    Junge Flüchtlinge aus Afghanistan sind zunehmend in Sorge. Unzufrieden auch: Anders als Syrer, Iraker, Somalis oder Iraner haben sie keinen rechtlichen Anspruch auf die gleichen Integrationskurse. Afghanen empfinden sich deshalb zunehmend als Flüchtlinge zweiter Klasse, mit schlechteren Chancen für Integration. Zuletzt bekam nur etwa jeder zweite Afghane ein verbürgtes Aufenthaltsrecht.
    Viele Flüchtlinge leiden unter Stress
    Die Ankündigung der Bundesregierung, Afghanen jetzt verstärkt zurück in ihre Heimat zu schicken, lässt diese Sorgen wachsen unter den neu Angekommenen. Viele haben mit psychischem Stress zu kämpfen. Auch weil es vielfach an rechtlicher Beratung und an Übersetzern fehlt. Die Menschen kommen sich alleingelassen vor.
    Zwar werden die rund 13.000 Afghanen, die nach amtlicher Auffassung ausreisepflichtig sind, nicht sofort abgeschoben. Davor steht die rechtliche Einzelfallprüfung in den Bundesländern.
    Fakt ist aber auch, dass Berlin und Kabul sich auf der jüngsten Afghanistan-Konferenz in Brüssel auf vertragliche Maßnahmen zur Rückführung geeinigt haben. Alle Einzelpunkte darüber sind bis heute nicht veröffentlicht. In Meldungen kursierte sogar eine Zahl von bis zu 80.000 Afgahnen, die zurück sollen. Pure Abschreckung in Wahlkampfzeiten, protestieren Meschenrechtsorganisationen.
    700 Euro Zuschuss für Heimkehrer
    In der Regierung in Kabul gibt es Stimmen, die gegen eine Rücknahmepflicht sind. Neben der hohen Arbeitslosigkeit, einer andauernden Wirtschaftskrise und fehlender Sicherheit drohen die Rückkehrer in ein Loch zu fallen: Einige stehen vor dem Nichts, weil all ihr Erspartes weg ist. Andere haben den Druck, ihre Schulden an Freunde und Verwandte zurückzuzahlen. Sogenannte freiwillige Rückkehrer aus Deutschland bekommen einmalige 700 Euro für die Reise in die Heimat.
    Welches aber sollen die sicheren Gebiete für Rückkehrer in Afghanistan sein? Bisher gibt es keine Landkarte oder Liste, die die entsprechenden Orte im Detail aufführt. Dies würde nur den Aufständischen in die Hände spielen, lautet ein Argument. In über der Hälfte der afghanischen Provinzen wird derzeit gekämpft. In Kundus etwa, dem lange Zeit bekanntesten Ort aus deutscher Sicht in Afghanistan, droht nach wie vor die Rückeroberung durch Taliban.