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Rückkehr der Waffeninspektoren in den Irak

    Spengler: Zwei Tage lang verhandelten Vertreter der Vereinten Nationen und des Irak in Wien über technisch-organisatorische Fragen einer Rückkehr der Rüstungskontrolleure, die vor vier Jahren den Irak verlassen hatten und seither nicht wieder einreisten durften. Gestern Abend dann die Erfolgsmeldung des UNO-Chefinspektors Hans Blix, man habe sich geeinigt auf einen unverzüglichen, bedingungslosen und uneingeschränkten Zugang zu allen Anlagen. Eine Ausnahme gibt es allerdings, die Paläste des irakischen Diktators Saddam Hussein. Hierüber gibt es noch keine Übereinkunft. Am Telefon begrüße ich nun den Nahost-Experten Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, haben die Vereinigten Staaten also doch Recht mit ihrem Misstrauen und ihrem Drängen auf eine eindeutige UN-Resolution?

    Perthes: Also ich denke, die Vereinigten Staaten haben Recht gehabt, auch die internationale Gemeinschaft insgesamt, wenn sie sehr stark darauf bestanden hat, dass der Irak zurückkommt zu Zusagen, die er ja seit Anfang der 90er-Jahre gemacht hat. Insofern hat die amerikanische Drohkulisse durchaus gewirkt, das sehr bestimmte Vorgehen von US-Präsident Bush, aber jetzt ist es Zeit zu sagen, wir testen mal aus, ob das klappt, was der Irak zugesagt hat. Es gibt Vereinbarungen, es gibt einen Konsens, es gibt genug Regelungen, auf denen die Inspekteure von 1991 bis 1998 ja sehr erfolgreich gearbeitet haben, also lasst uns jetzt daran gehen und diese umsetzen.

    Spengler: Dies, was der Irak bislang nach oberflächlicher Prüfung zugesagt hat, müsste reichen, meinen Sie?

    Perthes: Ich denke, man kann sich immer mehr wünschen. Also man kann sich wünschen, dass die Inspekteure bewaffnet sind; das ist ja in den USA zum Beispiel hervorgebracht worden. Aber die jetzige Situation ist doch die, dass der Irak sich endlich nach vier Jahren an den internationalen Konsens wieder hält oder jedenfalls zugestimmt hat, sich daran zu halten. Und dann ist es, glaube ich, nicht sinnvoll zu sagen, wir versuchen jetzt von der anderen Seite den internationalen Konsens, der in UN-Resolutionen festgelegt ist, wieder aufzurollen, sondern man muss sagen, es ist eine handhabbare Grundlage, die von 1991 bis 1998 auch sehr handhabbar war. Damals hat der Irak da nicht mitgespielt, und auch die USA haben sich zum Teil nicht an die Regeln gehalten, indem eben aus der Unscom heraus spioniert worden ist. Jetzt haben wir eine Grundlage. Damit ist der Irak von 1991 bis 1998 um 80 Prozent abgerüstet worden. Dann lasst uns an die letzten 10, 20 Prozent der Waffen gehen, die er auch nicht haben darf, und auf der Grundlage der UN-Resolutionen und der Vereinbarungen zwischen Kofi Annan und dem irakischen Regime, denke ich, lässt sich das schon machen.

    Spengler: Würden Sie denn ausschließen, dass es wieder zu solchem Ärger, zu solchen Behinderungen kommt, wie es 1998 der Fall gewesen ist?

    Perthes: Nein, das lässt sich tatsächlich nicht ausschließen. Ich will mal sagen, es gehört sozusagen zum Charakter internationaler Sanktionen und internationaler Vereinbarungen, die ein Land zu etwas zwingen sollen, dass so ein Land auch immer mal wieder versucht zu betrügen, diesen Auflagen zu entkommen, dass es versucht, Dinge einzuschmuggeln, die es nicht haben darf, dass es versucht, Dinge zu verstecken, die es nicht offenbaren will. Genau deshalb brauchen wir auch die Inspektionen. Wenn das nicht der Fall wäre, hätte der Irak 1991 oder danach, welche Waffen er hat. Dann hätte man hier abgerüstet, und die ganze Geschichte wäre seit 1992, 1993 vorbei. Die Inspektionen sind eben der Weg, mit dem Versuch eines solchen Regimes, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen, umzugehen. Das wird immer ein schwieriger Prozess sein.

    Spengler: Nun scheint Ihr Appell bei George Bush nicht auf offene Ohren zu stoßen. Es ist zu hören, dass die USA wirklich auf eine neue Irak-Resolution drängen, wo nicht nur Gewalt angedroht wird, sondern worin auch eine Vorleistung der Form verlangt wird, dass der Irak selber einen Bericht erstellen soll, was denn noch an Massenvernichtungswaffen vorhanden ist und was nicht, und dass erst dann die Inspektoren ins Land sollen.

    Perthes: Ja, das entspricht nicht ganz den internationalen Vereinbarungen. Es ist so, dass die Inspektoren nach der letzten Resolution, die hier gültig ist, der Resolution 1284 von 1999, dem die USA ja auch zugestimmt haben, dass die Inspektoren in den Irak reisen sollen, dass sie dort innerhalb von 60 Tagen - das kann auch schneller sein - dem Irak mitzuteilen haben, was sie von ihm genau erwarten. Das kann zum Beispiel genau so ein Bericht sein. Es kann aber auch weiter gehen, dass die Inspektoren sagen, wir wissen, dass es diese und jene Materialien noch gibt, oder vermuten sie in irgendwelchen Lagern oder Fabrikationsstätten, und wir verlangen von euch, sie auszuliefern oder unter unserer Kontrolle zu zerstören. Das ist das Verfahren, das festgelegt ist, worüber es einen Konsens gibt. Es wäre natürlich möglich, eine neue UN-Resolution zu verabschieden, die jetzt nochmals diese ganzen unterschiedlichen Resolutionen und Vereinbarungen zusammenfasst und auch die Bereitschaft der irakischen Delegation, also das Übereinkommen mit Herrn Blix von gestern Abend festlegt, eben bedingungslosen Zugang der Inspekteure zu allen verdächtigen Produktionsstätten. Es könnte durchaus Sinn machen, dies alles in einer UNO-Resolution nochmals festzulegen und dann dem französischen Vorgang zu folgen und zu sagen, das wäre eine erste Resolution, die sagt, was die Kooperation bedingt, und wenn die Kooperation dann nicht klappt, einen oder zwei Monate später, und man hat gesehen, dass es nicht klappt, ist immer noch Zeit für eine zweite Resolution.

    Spengler: Sind denn aus Ihrer Sicht diese sogenannten ominösen Paläste - acht Stück sollen es ja wohl sein - wirklich ein solches Problem, dass man da unbedingt eine Regelung braucht?

    Perthes: Also es gibt ja eine Regelung, die aber nicht hundertprozentig zufriedenstellend ist, weil die Untersuchung oder der Besuch dieser Paläste eben nur in Anwesenheit irakischer Regierungsvertreter und nach vorheriger Anmeldung bislang möglich ist. Ich fände durchaus richtig, wenn es hier eine einfachere Regelung gäbe, nach der die UN-Inspekteure da sofort und wann immer sie wollten hereinkämen. Aber wir haben hier ein Problem, was ganz stark symbolisch ist, was auch in der politischen Diskussion überhört worden ist, und ich denke, niemand geht davon aus, dass in diesen acht Palästen nun Chemiewaffen-Fabriken oder Biowaffen-Fabriken untergebracht sind, oder dass dort Scud-Raketen gelagert sind. Hier geht es wirklich mehr um das Prinzip, und zwar von beiden Seiten. Die UNO, insbesondere die USA, sagen, wir wollen, dass die Inspekteure überall Zugang bekommen, und das irakische Regime sagt, wir wollen zumindest einige Plätze haben, wo wir zeigen, dass wir ein souveräner Staat sind.

    Spengler: US-Verteidigungsminister Rumsfeld argumentiert, dass es der Irak mit den Inspektoren nicht ehrlich meine, und das könne man schon daran sehen, dass die Iraker immer wieder amerikanische und britische Flugzeuge über der Flugverbotszone beschössen. Kann man beides wirklich miteinander in Zusammenhang bringen?

    Perthes: Es sind tatsächlich zwei unterschiedliche Dinge. Also auch als die Flugverbotszonen von den Amerikanern und ihren Verbündeten eingerichtet worden sind - nicht von den Vereinten Nationen, übrigens -, sind diese Flugverbotszonen eingerichtet worden, um die irakische Zivilbevölkerung vor Angriffen der irakischen Armee zu schützen, nicht aus Gründen, die etwas mit den Waffeninspektionen zu tun hätten.

    Spengler: Davon kann heute aber keine Rede mehr sein, oder?

    Perthes: Doch, es kann heute immer noch eine Rede davon sein, dass man sagt, die Flugverbotszonen sind da, um zum Beispiel die kurdische Autonomiezone im Norden zu schützen, also die faktische Autonomie der Kurden im Nordirak, und sie werden auch dazu da, um die schiitische Bevölkerung im Süden zum Beispiel vor Bombenangriffen der irakischen Luftwaffe zu schützen. Diesen Grund kann es weiter geben. Das kann man sinnvollerweise aufrecht erhalten. Aber mit Waffeninspektionen, wie gesagt, haben die Flugverbotszonen nichts zu tun.

    Spengler: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio