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Rühe erwartet von Bush Engagement in Nahost

Meurer: In Washington ist gestern US-Präsident Bush in sein neues und gleichzeitig altes Amt feierlich eingeführt worden. Traditionell hat der Präsident auf den Stufen des Capitols seinen Amtseid abgelegt. Dann hat er eine kurze Rede gehalten, dabei den Stellenwert der Freiheit betont und unter anderem gesagt, er wolle der Tyrannei auf dieser Welt ein Ende bereiten. Wir haben ja darüber gerade vor den Nachrichten erst ausführlich berichtet. Am Telefon in Berlin begrüße ich nun Volker Rühe. Er ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, CDU. Guten Morgen, Herr Rühe.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Rühe: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Wie optimistisch sind Sie, dass George Bush in seiner Amtszeit nun mehr auf die Verbündeten zugehen wird?

    Rühe: Ich bin schon optimistisch. Nicht ganz sicher, aber wenn Präsident Bush ein großer Präsident in der Geschichte sein will, dann muss er sein Land zusammenführen. Er hat ja klar gewonnen, aber das Land ist doch auch noch tief gespalten. Er muss das Bündnis auch im 21. Jahrhundert zusammenführen für die neuen Aufgaben. Früher waren wir fast automatisch wichtig für einander im Kalten Krieg. Weil hier die Teilungsgrenze der Welt durch Deutschland lief, waren wir automatisch wichtig. Jetzt müssen wir uns gemeinsame Projekte vornehmen und da kommt es darauf an: gemeinsam analysieren, gemeinsam entscheiden und gemeinsam handeln. Ich denke dabei vor allem auch an die Unterstützung des Friedens im Nahen Osten. Ein wichtiges Ergebnis in der zweiten Amtszeit sollte dann wirklich sein, einen lebensfähigen und in Frieden mit Israel verbundenen palästinensischen Staat zu schaffen. Da können die Europäer auch eine wichtige Rolle spielen.

    Meurer: Die Rede von George Bush gestern, - zunächst. Hätten Sie sich da eine deutlichere Geste zugunsten der Verbündeten gewünscht?

    Rühe: Das ist ja keine Regierungserklärung. Die Amerikaner feiern sich an einem solchen Tag selbst, ihre Demokratie und ihr Sendungsbewusstsein. Wenn Sie das vor vier Jahren sich anschauen, dann konnte man daraus auch nichts Konkretes entnehmen für die nächsten Jahre. Er hat gesprochen von der Hilfe, die man braucht von den Verbündeten und dass man ihren Rat haben will und dass man die Freundschaft ehrt. Ich glaube, dass waren gute Worte und das müssen jetzt beide Seiten, darauf kommt es an, in die Tat umsetzen. Ich hoffe, dass mit den Gesprächen hier in Europa dann gleich im Februar das dann auch konkretisiert wird.

    Meurer: Was sagen Sie zu der Formulierung, "er wolle der Tyrannei ein Ende bereiten"? Manche interpretieren das mit Sicherheit als Säbelrasseln.

    Rühe: Wer ist nicht gegen Tyrannei? Sehen Sie, die Tyrannei in der Ukraine, die ist durch das ukrainische Volk beseitigt worden, die einfach gesagt haben, wir wollen genauso wählen wie die Leute in Berlin und in Paris, - nicht durch die Amerikaner oder durch europäische Regierungen. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, dass man Grundsätze unterstützt: Stärkung der Zivilbevölkerung unterstützt. Im Übrigen, die Tyrannei von Saddam Hussein ist beseitigt worden, aber die Menschen leben natürlich nicht in Freiheit. Denn wenn sie an jeder Straßenecke in die Luft fliegen können, dann ist das natürlich das Gegenteil von Freiheit. Deswegen: Die Verwirklichung von Freiheit, die Abschaffung der Tyrannei, da sind wir alle einig, das sind unsere Werte, aber wie man das konkret macht im Einzelnen, darüber muss die Politik dann auch ringen.

    Meurer: Sie haben ja gerade eben, Herr Rühe, sozusagen den Amerikanern angeboten, dass die Europäer im Nahen Osten und insbesondere auch beim Konflikt zwischen Israel und Palästinensern helfen könnten. Ist denn von Seiten Washingtons überhaupt ein Einfluss der EU gewünscht?

    Rühe: Ich denke schon. Wir haben ja die Situation im Nahen Osten, dass das Bild der Amerikaner in der arabischen Welt doch sehr starken Schaden gelitten hat. Die Europäer, ob sie es nun verdient haben oder nicht, werden sehr viel positiver gesehen. Bei Israel ist das etwas anders. Insofern bietet sich wirklich die Zusammenarbeit von Europäern und Amerikanern an, um hier zu einer Regelung zu kommen. Der israelische Ministerpräsident hat ja einen Kurswechsel vollzogen, eine sehr mutige Politik, die Räumung von Gaza gegen erhebliche Widerstände im eigenen Lande. Wir haben mit Abbas einen neuen Chef der Palästinenser, einen neuen Präsidenten. Wir haben unter den Palästinensern die ausgeprägteste Demokratie in der ganzen arabischen Welt. Das ist noch viel zu wenig beachtet worden. Wir haben jetzt die zweite Demokratie eigentlich erst dort im Nahen und Mittleren Osten nach Israel. All das muss man nutzen und ich denke, da haben wir Europäer auch einiges einzubringen und das wissen auch die Amerikaner.

    Meurer: Die Europäer hat erschrocken, dass Bush einen Angriff gegen den Iran nicht ausschließt. Blöfft Bush da oder ist er wirklich bereit, dieses Risiko zu wagen?

    Rühe: Das muss man sehen, das ist eins der wichtigsten Themen für Gespräche zwischen den Europäern und den Amerikanern. Cheney hat ja gestern auch hinzugefügt, sie setzen weiter auf Verhandlungen. Die ersten Verhandlungsergebnisse, das sind noch keine abschließenden, die die Europäer erreicht haben, - übrigens dort ist Großbritannien voll auf unserer Seite, das ist eine ganz andere Konstellation als in der Iraksituation -, die ersten Ergebnisse haben zunächst Zeit gewonnen und man wird jetzt sehen wie die Verhandlungen weitergehen. Wenn wir wollen, dass der Iran ja auf sein Recht verzichtet, den Brennstoffkreislauf zu schließen, das ist nicht verboten nach dem Nichtverbreitungsvertrag, dann müssen wir auch etwas anbieten in der Zusammenarbeit, was die zivile Nutzung der Nuklearenergie angeht. Da reicht vielleicht das Verhandlungsgewicht der Europäer nicht aus, sondern wir brauchen eine direkte oder indirekte Beteiligung der Amerikaner an diesen Verhandlungen, um dann auch ein langfristiges Ergebnis mit dem Iran zu erzielen Aber ich denke, es muss alle Kraft auf die Verhandlungen gesetzt werden.

    Meurer: Ist die Drohung gegen Teheran letztendlich kontraproduktiv?

    Rühe: Es ist ja keine konkrete Drohung. Die Frage ist, warum man in dieser Situation sagt, wir nehmen keine Option vom Tisch. Wichtig ist, dass man, wie gesagt, in den Verhandlungen mit dem Iran nur erreichen kann, dass sie auf ein Recht verzichten, was sie haben, wenn sie auch das Gefühl haben, dass diese Verhandlungen erfolgsorientiert geführt werden. Deswegen halte ich es nicht für richtig, sozusagen diese Verhandlungen ständig durch militärische Drohungen zu begleiten. Das ist ja auch sehr problematisch, ob man dadurch auch nur irgendein Ziel erreichen kann. Wichtig wäre, das amerikanische Gewicht in diese Verhandlungen einzubringen. Im Übrigen muss man auch die weitere Entwicklung im Iran abwarten, da gibt es auch unterschiedliche Kräfte. Wir sind uns alle einig, es muss verhindert werden, dass der Iran wirklich Nuklearwaffen entwickelt, denn das würde zu einer völligen Destabilisierung nicht nur der Region führen sondern auch weit darüber hinaus.

    Meurer: Es hat bis zu der Äußerung von George Bush zum Iran vor wenigen Tagen die Vermutung oder Spekulation gegeben, der Bush der zweiten Amtszeit könne weicher sein als der Bush der ersten Amtszeit. Sind wir da blauäugig oder ist derjenige blauäugig, der so etwas hofft?

    Rühe: Also, weich ist der falsche Begriff. Ein amerikanischer Präsident sollte nicht weich sein, dazu spielen sie eine zu wichtige Rolle in einer immer noch schwierigen Welt. Aber ich denke, Irak hat auch gezeigt, dass das, was man mit militärischen Mitteln erreichen kann, begrenzt ist. Ich sehe das auch nicht als eine Drohung. Die Frage ist, warum hat man in dieser Situation dies angesprochen. Wir brauchen eine amerikanische Iranpolitik. Daran hat es auch in den vergangenen Monaten gemangelt und deswegen ist dies eines der wichtigsten Themen zwischen den Europäern und den Amerikanern. Wenn beide ihr Gewicht in diese Verhandlungen werfen, dann glaube ich, dass diese Verhandlungen auch eine Chance haben, zu dem gewünschten Ergebnis zu führen.

    Meurer: Das war Volker Rühe, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages.