Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv

Rüstung
China wird zur militärischen Supermacht

Das Internationale Institut für Strategische Studien in London vergleicht in seinem jüngsten Jahresbericht auf 400 Seiten die Streitkräfte der Welt. Er zeigt vor allem eines: Die asiatischen Staaten rüsten stark auf. Die USA bleiben aber die größte Militärmacht.

Von Jochen Spengler | 05.02.2014
    Die militärischen Gewichte verschieben sich immer stärker vom Westen nach Asien, wo China, Japan und Südkorea erheblich aufrüsten. Fielen im Jahre 2010 noch zwei Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben auf westliche Staaten war es 2013 nur noch die Hälfte laut dem neuesten Jahresbericht des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London.
    "In Asien beschleunigt sich das Wachstum der Verteidigungsbudgets und die Beschaffungen steigen. Die Verlagerung der globalen Militärmacht in Richtung Asien, die unser Institut seit Jahren beschreibt, setzt sich fort", sagt IISS-Direktor John Chipman. Asien setze dabei immer stärker auf Hochtechnologie-Produkte wie unbemannte Drohnen aus eigenen Rüstungsschmieden:
    "Asiatische Staaten entwickeln und beschaffen sich modernste militärische Ausrüstung, die früher vom Westen und Russland monopolisiert war. Pekings kürzliche Bestätigung eines Hyperschall-Testflugzeugs bringt China auf eine Stufe mit den USA und Russland als einzige Staaten, die derzeit solche Militärtechnologie testen."
    Die Volksrepublik sei auf dem Weg zur militärischen Supermacht und könne schon jetzt Interventionen des Westens erheblich erschweren. China hat laut Institutsberechnung 2013 rund 83 Milliarden Euro für Waffensysteme ausgegeben und steht damit weltweit an zweiter Stelle. Seit Militäretat ist höher als jener der Nachbarn Japan, Südkorea, Taiwan und Vietnam zusammen. Bis Ende dieses Jahrzehnts könnte die Volksrepublik drei Flugzeugträger in Dienst stellen; schon jetzt verfügt das Land über 60 U-Boote.
    Aber auch Japan rüste auf und der Konflikt mit China um die Hoheit im ostchinesischen Meer sei besorgniserregend. "Die Spannungen zwischen China und Japan sind beträchtlich gewachsen und man braucht einen Mechanismus, um mithilfe direkter militärischer Kontakte das Risiko taktischer Gefechte auf See oder in der Luft zu verringern, die zu einer strategischen Krise zwischen beiden führen können."
    Nach China steht Russland auf Platz drei der Militäraufwendungen, gefolgt von Saudi-Arabien, das Großbritannien auf den fünften Platz verdrängt hat. Mit 440 Milliarden Euro Ausgaben und damit großem Abstand vor China und bleiben die USA globaler Spitzenreiter bei den Rüstungsausgaben und - so prognostiziert der IISS-Experte Christian Le Mière - noch lange Jahre die größte Militärmacht der Welt.
    "Sie bleiben der einzige Staat, der in erheblichem Ausmaß weltweit an mehreren Stellen zeitgleich intervenieren kann. China hat ein Entwicklungsprogramm, das bis 2050 den Gleichstand mit den USA anstrebt, doch das hängt natürlich von vielen Bedingungen ab. Die westlichen Streitkräfte werden voraussichtlich noch mindestens einige Jahrzehnte vorherrschende Militärmacht sein."
    Obwohl die Verteidigungsausgaben in Europa stetig schrumpfen, im letzten Jahr erneut um 2,5 Prozent und die Lust auf militärische Interventionen gering sei - siehe Syrien. Dort werde weder das Assad-Regime noch die Opposition in den kommenden sechs Monaten siegen können, meinen die Experten. Mit dem Afghanistan-Abzug ende für die NATO die Phase intensiver militärischer Operationen. Das mache es für die Alliierten schwer, das Niveau der Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten, sagt IISS-Direktor John Chipman.
    "Klar ist, wenn Staaten bei Abwägung ihrer Budgets, Kapazitäten und Risiken die Möglichkeit zu Militärinterventionen behalten wollen, dass sie nun überzeugendere Rechtfertigungen und Erklärungen für Parlament und Völker benötigen, um den Gebrauch ihrer Streitkräfte in internationalen Krisen zu rechtfertigen."