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Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien
"Sonst liefern zehn andere"

In der Debatte um Rüstungslieferungen plädiert CSU-Politiker Peter Ramsauer dafür, auch die Interessen der Industrie zu berücksichtigen. Jedem müsse klar sein, dass in Fällen, in denen die deutsche Industrie nicht liefern dürfe, andere Exporteure bereitstünden, sagte er im DLF.

Peter Ramsauer im Gespräch mit Bettina Klein |
    Sigmar Gabriel und Peter Ramsauer, in ihrer Mitte Saudi-Arabiens König und Premierminister Salman bin Abdelasis al-Saud in orientalischem Gewand.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, r.) trifft Saudi-Arabiens König und Premierminister Salman bin Abdelasis al-Saud. Mit dabei ist der CSU-Politiker Peter Ramsauer. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Beim Saudi-Arabien Besuch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe das Thema Rüstungsexporte nicht auf der Tagesordnung gestanden, sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag im DLF. Allerdings hätten die Medien stark auf das Thema gesetzt. Dadurch sei in der Öffentlichkeit zum Teil der Eindruck entstanden, dass der Wirtschaftsminister eine andere Linie als der Rest der Koalition verfolge. "Gabriel hat es hier nicht leicht - auch mit Teilen seiner Partei", konstatierte Ramsauer.
    Grundsätzlich müsste bei deutschen Rüstungsexporten in das Königreich die Frage der Stabilität in der Region im Vordergrund stehen. Deshalb sei jeder Antrag als eine "Wechselfallentscheidung" zu verstehen. In diesem Zusammenhang betonte Ramsauer, aktuell läge kein Antrag Saudi-Arabiens auf Panzerlieferungen vor. Grundsätzlich sei es so, "wenn Deutschland nicht liefert, dann stünden "fünf oder zehn andere Lieferanten aus der ganzen Welt parat". Wenn man die Chance auf ein Mitspielen in der Region nicht verlieren wolle, dann müsse man mit am Tisch sitzen.
    Mit Blick auf die geforderte Freilassung des Bloggers Raef Badawi sagte Ramsauer, hinter den Kulissen sei eine gewisse Offenheit in Sachen Menschenrechtsfragen zu spüren. Gleichzeitig dürfe man nicht glauben, dass man dem Königreich ein anderes Wertekorsett überstülpen könne. Es handele sich um einen völlig anderen Kulturkreis - nur ständige Gespräche könnten zu Veränderungen führen.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Am Fall Saudi-Arabien entzündet sich einmal mehr die Debatte um Rüstungsexporte. Während Vertreter aus der Union und der Rüstungsindustrie vor einem zu restriktiven Kurs warnen, verlangte etwa die Grünen-Politikerin Claudia Roth am Wochenende ein grundsätzliches Ende von Rüstungsexporten in das Land, die im Augenblick ja zumindest auf Eis liegen. All dies natürlich vor dem Hintergrund des Besuches einer großen Wirtschaftsdelegation in Saudi-Arabien unter Leitung von Wirtschaftsminister Gabriel, ein Besuch im Spannungsfeld zwischen der prekären Menschenrechtslage einerseits und Wirtschafts- sowie Stabilitätsinteressen andererseits.
    Mit dem gerade erwähnten Peter Ramsauer habe ich heute Morgen bereits gesprochen.
    Der CSU-Politiker und Vorsitzende vom Wirtschaftsausschuss im Deutschen Bundestag begleitet wie gehört Gabriel. Und ich habe ihn gefragt, ob er bewusst in Kauf genommen hat, dass da ein uneinheitliches Bild der Koalition in Sachen Rüstungsexporte entsteht.
    Peter Ramsauer: Dazu muss man zunächst klarstellen, dass das Thema Lieferung von Rüstungsgütern überhaupt nicht auf der Tagesordnung war bei keinem einzigen Gespräch. Dieses Thema wurde von den mitreisenden Medienvertretern sozusagen hineininterpretiert und hineingezogen, sodass der Eindruck entstanden ist, das sei irgendwo Gesprächsgegenstand gewesen. War es definitiv nicht!
    "Entscheidungen müssen zur Stabilisierung in der Region beitragen"
    Klein: Aber Sie haben auf entsprechende Fragen noch mal Ihre Haltung geäußert. Das heißt, Sie befürworten Rüstungsexporte, die ja im Augenblick auf Eis gelegt wurden. Dennoch ist natürlich der Eindruck entstanden, Sie vertreten dort ganz bewusst und auch öffentlich eine andere Linie als der Wirtschaftsminister.
    Ramsauer: Nein! Ich muss hier deutlich widersprechen. Es sind Journalistenfragen aufgetreten, wie man dazu steht.
    Ich selbst habe hier eine ausgesprochen ausgewogene Haltung vertreten. Ich habe einerseits - und das möchte ich hier noch mal unterstreichen - darauf hingewiesen, dass Deutschland eine ausgesprochen weltweit gefragte wehrtechnische Industrie hat, dass wir damit auf der anderen Seite politisch sehr sensibel umgehen müssen, vor allen Dingen in Gebieten wie auf der Arabischen Halbinsel und dass wir hier sehr genau abwägen müssen, ob solche Lieferungen dazu beitragen, Spannungen in der Region abzubauen und unbedingt zu verhindern, dass neue Spannungen entstehen.
    Das heißt, die wehrtechnische Industrie und politische Entscheidungen damit müssen auch zur Stabilisierung in einer solchen Region beitragen und ihr nicht entgegenstehen.
    "Auf dieser Reise spielt dieses Thema überhaupt keine Rolle"
    Klein: Das heißt, Sie möchten jetzt noch mal ganz klar festhalten, dass Sie voll und ganz hinter der Linie von Sigmar Gabriel stehen, was Rüstungsexporte angeht?
    Ramsauer: Also noch mal: Auf dieser Reise spielt dieses Thema überhaupt keine Rolle. Auch wenn Minister Gabriel nicht gereist wäre, wenn es diese Reise nicht gäbe, hätte diese Debatte jetzt sozusagen aus freien Stücken vom Zaun gebrochen werden können in Deutschland.
    Wir stehen im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags zu diesen Themen im ständigen Gespräch. Wir sprechen darüber, dass Gabriel es hier nicht leicht hat, auch mit Teilen seiner Partei. Das ist ganz klar. Aber deswegen setzt man sich ja darüber auseinander und die entsprechenden Entscheidungen werden dann im Bundessicherheitsrat getroffen.
    Klein: Sie haben noch mal darauf hingewiesen, Herr Ramsauer, dass das jetzt während der Gespräche keine offizielle Rolle gespielt hat. Dennoch ist ja die Haltung einiger Unions-Politiker, also auch einiger Fraktionskollegen ja bekannt und auch nicht neu. Zum Beispiel der Abgeordnete Pfeiffer hat sich auch noch mal Medien gegenüber entsprechend geäußert, dass er das eigentlich für einen Fehler hält, dass man nicht mehr Rüstungsgüter im Augenblick liefert an einen Partner, der als ein Stabilitätsfaktor im Nahen Osten begriffen wird.
    Widersprechen Sie da Ihrem Fraktionskollegen Pfeiffer zum Beispiel, der sich ja vehement dafür ausgesprochen hat?
    Ramsauer: Ich kenne die Äußerungen des Kollegen Pfeiffer nicht. Ich kenne nur meine Meinung und die ist vollkommen klar. Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen, was Sie jetzt gerade rezitiert haben, der Aspekt der Stabilität, und hier möchte ich noch mal unterstreichen: Alle Entscheidungen, die wir im Bereich Export von wehrtechnischen Gütern treffen, müssen sich an Stabilitätsinteressen und am deutschen Beitrag an der Stabilität der jeweiligen Region messen lassen.
    Rüstungsexport-Entscheidungen sind "sensibel und schwierig"
    Klein: Die Diskussion findet weiter statt. Was heißt denn das konkret jetzt mit Blick auf Saudi-Arabien zum Beispiel?
    Ramsauer: Hier ist vielleicht die Feststellung ganz hilfreich, dass der Eindruck völlig falsch ist, dass das Königreich Saudi-Arabien einen Antrag laufen hätte an Deutschland, dass Panzer exportiert werden.
    Es gibt überhaupt keinen solchen Antrag. Das ist eine Fata Morgana. Es sind Gespräche über verschiedene Dinge im Gange. Auch der Bundessicherheitsrat hat in seiner letzten Sitzung kleinere Zusagen gemacht. Aber zu sagen, wie viel genau von welchem Exportgut ist erlaubt und ab wann ist es nicht mehr erlaubt, solche Feststellungen sind vollkommen unmöglich.
    Jede Entscheidung, wenn sie ansteht, muss als Einzelfallentscheidung gesehen werden im jeweiligen Umfeld, was gegeben ist, und deswegen sind diese Entscheidungen auch so sensibel und schwierig.
    "Wer im Spiel bleiben will, muss auch im Spiel bleiben"
    Klein: Die Exportrichtlinien, die Deutschland ja hat, sollten auch Ihrer Meinung nach nicht gelockert werden?
    Ramsauer: Diese Richtlinien sind ja erst im vergangenen Jahr auf Druck auch von Sigmar Gabriel verschärft worden. Das ist natürlich ein Erschwernis für die wehrtechnische Industrie. Und noch mal: Die Interessenlagen, die es hier gibt, auch seitens derer, die die wehrtechnische Industrie in Deutschland anfragen, diese Interessen müssen insgesamt in Einklang gebracht werden.
    Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, dass es völlig vermessen wäre, als Deutsche zu glauben, wenn die wehrtechnische Industrie in Deutschland nicht liefert, dass dann niemand aus der Welt liefern würde. Es stehen für ein Nein für eine Lieferung aus Deutschland fünf oder zehn andere Lieferanten aus der ganzen Welt parat. Wenn diese liefern, haben wir auch als deutsche Politik keinerlei Einfluss auf die Stabilitätsentwicklung in einer Region.
    Dann ist es politisch auch verantwortlicher, mit am Tisch zu sitzen und diese Entwicklungen in einer Region durch Bedingungen mit beeinflussen zu können. Wer im Spiel bleiben will, muss auch im Spiel bleiben.
    Klein: Ist das für Sie ein Argument für Waffenlieferungen aus Deutschland? Verstehe ich das richtig?
    Ramsauer: Ich habe vorhin gesagt, jede einzelne Entscheidung muss im größeren Rahmen gesehen werden. Und wenn man durch eine solche Entscheidung das Geschehen in einer Region positiv im Hinblick auf Stabilität beeinflussen kann, dann würde man sogar einen Fehler machen, wenn man diese Chance nicht ergreifen würde.
    "Saudi-arabische Halbinsel ist ein anderer Kulturkreis"
    Klein: Herr Ramsauer, Sie haben gesagt, das Thema hat nicht offiziell auf der Tagesordnung gestanden. Wir haben gestern in den Fernsehnachrichten sehen können, Sie waren mit dabei beim Gespräch von Sigmar Gabriel mit dem saudischen König.
    Nach Ihrem Eindruck, was sich da hinter den Kulissen abgezeichnet haben, haben Sie da zumindest hinter verschlossenen Türen eine gewisse Offenheit gespürt, was jetzt die Menschenrechtsfragen angeht, oder hieß es da auch, bitte keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Saudi-Arabiens?a
    Ramsauer: Zunächst einmal ist über das Gespräch, das Sigmar Gabriel mit dem König geführt hat, strikte Vertraulichkeit verabredet, und auch als mitreisendes Delegationsmitglied hat man sich an eine solche Verabredung strikt zu halten.
    Im Übrigen weiß ich aus meinen vielen Reisen in diese Region seit vielen Jahren, dass nur ständiges Gespräch auch mit Gastgebern wie im Königreich Saudi-Arabien dazu führt, dass es hier zu Veränderungen kommt. Aber wir müssen auch akzeptieren, dass wir uns hier auf der saudi-arabischen Halbinsel in einem anderen Kulturkreis befinden und wir auch in diesem ganz anderen Kulturkreis entsprechend zu handeln haben und nicht glauben, wir könnten von jetzt auf gleich ein völlig anderes Wertekorsett überstülpen. Das sind Fragen, auch Menschenrechtsfragen, die mit viel Geduld und viel Gespräch bewegt werden müssen.
    "Hier mit dem Dampfhammer draufzuhauen, bringt nicht weiter"
    Klein: Das heißt, da sind konkret auch der deutschen Regierung und dem Einfluss, der von hier ausgeht, auch deutlich Grenzen gesetzt nach Ihrer Wahrnehmung?
    Ramsauer: Es sind natürlich kulturhistorische Grenzen gesetzt. Das geht hin bis in die Sharia hinein, die im Strafrecht völlig andere Maßstäbe setzt als das deutsche Strafrecht, auch im Zusammenhang mit Menschenrechtserwägungen. Aber hier mit dem Dampfhammer draufzuhauen, bringt nicht weiter, sondern das stete Gespräch, Überzeugungsarbeit in einer globalisierten Welt.
    Klein: Der CSU-Politiker Peter Ramsauer zur Lage in Saudi-Arabien und zur strittigen Frage der Rüstungsexporte in das Land. Wir haben ihn heute Morgen in Abu Dhabi erreicht. Dorthin ist die Delegation um Wirtschaftsminister Gabriel inzwischen weitergereist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.