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Rüstungsindustrielle als Meinungsmacher?

Besonders beim Figaro rumort es. Der Figaro – zweitgrößte überregionale Tageszeitung Frankreichs – ist Serge Dassaults "Lieblingszeitung". Und zwar - daraus macht er kein Geheimnis - eine Lieblingszeitung, in der er "seine Ideen" publiziert sehen will. Je näher also der Termin der Übernahme durch den Dassault-Konzern rückt, desto unruhiger werden die Journalisten der "Lieblingszeitung". Die Redakteure des konservativen Traditionsblatts fragen sich, was sie wohl künftig als Angestellte eines Rüstungskonzerns noch schreiben dürfen.

Von Kathrin Hondl |
    Man muss sich doch nur vorstellen, dass zum Beispiel der Rüstungsetat gesenkt wird, sagt Wirtschaftsredakteur Patrick Bèle: wie wird der Figaro das dann kommentieren? Wird es die Meinung des Rüstungsunternehmers Dassault sein, dessen Hauptkunde der Staat ist? Oder die Meinung der Redaktion? Solche Fragen beunruhigen uns immer mehr. Hinzu kommt, dass Dassaults politische Ansichten sehr rechts sind. Ansichten, die er zum Beispiel letzten Samstag in einem Kommentar zur Homosexuellen-Ehe geäußert hat – ein Text, der die Redakteure sehr schockiert hat.

    Unter der Überschrift "Achtung! Familie in Gefahr!" lieferte der künftige Hauptaktionär des Figaro ein Schreckensbild vom Untergang der französischen Gesellschaft, ja der Zivilisation. Doch nicht nur dieser deftige rechts-außen-Kommentar ihres Brötchengebers in spe erschreckte die Figaro-Redaktion. Letzten Montag wurden sie erneut von einem Auftritt Serge Dassaults im Blatt überrascht. Diesmal – kurios für eine überregionale Zeitung - in einem Bericht über ein Kinderchorkonzert in der Dorfkirche zu Corbeil, einer Gemeinde westlich von Paris, in der Serge Dassault Bürgermeister ist. Das dazugehörige Foto zeigt den stolzen Lokalpolitiker applaudierend auf der Kirchenbank.

    Beispiele wie diese jüngsten, recht plumpen Auftritte des neuen Pressezaren Dassault im Figaro beeindrucken die Wirtschaftswissenschaftlerin Janine Brémond kaum – seit Jahren schon gehört sie zu den kritischen Beobachtern der Konzentration im Bereich der französischen Medien.
    Ich denke, man braucht nicht nach diesem oder jenem Beispiel für eine sichtbare Einflussnahme suchen, sagt sie. Der Einfluss ist objektiv da. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass jemand Macht hat und sie überhaupt nicht benutzt. Es wäre also sehr viel heilsamer, ganz einfach zuzusichern, dass ein Mischkonzern, der in Frankreich Medien besitzt, keine Staatsaufträge haben darf.

    Von den "heilsamen" Vorstellungen der Wirtschaftswissenschaftlerin ist die Realität der französischen Presselandschaft allerdings weit entfernt. Schon lange bevor Dassault bei Socpresse einstieg, hat ein anderer Gigant der französischen Rüstungsindustrie Medien in sein Waffenarsenal integriert. Die Gruppe Lagardère – früher Matra – kontrolliert zahlreiche Magazine, darunter Elle und Paris Match. Wenn die Brüsseler Wettbewerbskommission dem Kampfflugzeugbauer Dassault keine Steine in den Weg legt, dann sind bald rund Zwei Drittel der französischen Journalisten bei Rüstungskonzernen angestellt – eine ernste Gefahr für die Meinungsfreiheit und –Vielfalt in Frankreich, so Janine Brémond.

    Man kann nicht sagen, dass es überhaupt keinen Pluralismus gibt, aber er ist ernsthaft ausgedünnt durch immer mehr Zusammenschlüsse. Das zeigt sich besonders bei den brenzligen Themen. Ein Thema wie der Aufkauf von Socpresse durch Dassault hatte zum Beispiel sehr wenig Medienresonanz. Die Nachricht wurde natürlich verbreitet, aber darüber hinaus gab es kaum Artikel. Medienthemen sind sensible Themen geworden, da wird sehr aufgepasst.

    Vielleicht ist es deshalb auch gar nicht so erstaunlich, dass Dassaults Luftangriff auf die französische Presse die französische Öffentlichkeit seltsam kalt zu lassen scheint. Die Tatsache, dass in Kürze 70 Prozent der französischen Printmedien in den Händen der Rüstungsindustrie sein werden, hat jedenfalls keine nennenswerte öffentliche Diskussion entfacht. Die Politiker schweigen, und auch aus der Riege der gewöhnlich ja sehr mitteilungs- und meinungsfreudigen französischen Medien-Intellektuellen hat sich bisher niemand zu Wort gemeldet.