Bettina Klein: Regierungserklärung im Landtag, Halbzeitbilanz nun auch in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland, dessen Machtwechsel im Mai 2005 mit zum Ende von rot/grün im Bund seinerzeit beigetragen hatte. Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident, will heute vor dem Landtag in Düsseldorf eine positive Halbzeitbilanz seiner schwarz-gelben Regierung vorlegen, just an jenem Tag, an dem die Regierung in Berlin durch den Abtritt des Vizekanzlers zumindest vorübergehend ziemlich durchgeschüttelt wird. Zur Halbzeit befindet sich die Regierung Merkel nämlich zumindest vorübergehend in Turbolenzen. - Schönen guten Morgen Jürgen Rüttgers!
Jürgen Rüttgers: Guten Morgen Frau Klein!
Klein: Ein Arbeiterführer weniger in Deutschland nach dem Rücktritt von Franz Müntefering. Ein großer Verlust für die Koalition aus Ihrer Sicht?
Rüttgers: Auf jeden Fall habe ich großen Respekt vor der Entscheidung von Franz Müntefering und ich finde - ich sage das mal im Hinblick auf die eine oder andere Erklärung, die ich heute Morgen gehört habe -, dass man die Begründung, die er gegeben hat - und das ist eine persönliche Begründung -, akzeptieren muss. Es hat sich etwas verändert, seitdem Franz Müntefering erklärt hat, dass er aus dem Kabinett zurücktritt.
Klein: Was hat sich verändert?
Rüttgers: Franz Müntefering war jemand, der egal ob man das was er politisch vertreten hat richtig fand oder nicht Klartext geredet hat, der versucht hat, seinen Beitrag zum Erfolg der Koalition und der Bundesregierung zu leisten. Insofern hat er so etwas wie eine stabilisierende Funktion in der Großen Koalition gehabt.
Klein: Rechnen Sie denn mit ernsthaften Erschütterungen und Verwerfungen in den kommenden Monaten in der Großen Koalition in Berlin?
Rüttgers: Nein, es wird keine Verwerfungen geben. Wir haben aber schon in den letzten Wochen immer wieder erlebt, dass es der SPD sehr schwer fällt, sich als Regierungspartei in der Großen Koalition zu verstehen. Das konnte man auf dem Bundesparteitag der SPD merken; das kann man merken an der Entscheidung des Parteivorsitzenden Beck, nicht in das Bundeskabinett einzutreten. Es ist so eine unklare Lage, ob die SPD jetzt nun die zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl nur noch durchstehen will, oder ob sie kompromissbereit ist, um auch noch Erfolge einfahren zu können.
Klein: Die SPD dementiert ja weitgehend auch seit ihrem Parteitag, dass sie so eine Art Linksruck, Linksrutsch durchmacht. Auch das Ausrufen des demokratischen Sozialismus als Ziel gilt aus Sicht der Genossen nicht als Linksruck. Nun muss man sagen, dass mit Müntefering ja auch eine Art Gegenspieler in manchen Punkten von Kurt Beck weg ist. Denken Sie das spricht schon dafür, dass die Partei sich weiter nach links bewegt, wenn man diesen Begriff noch verwenden kann?
Rüttgers: Ich glaube, dass es unbestreitbar ist, dass Beck eine Kurskorrektur vornehmen wollte. Das hat er ja auch so erklärt. Mal ganz abgesehen davon, dass ich natürlich richtig fand aufgrund meiner Position, dass die Veränderung beim ALG I jetzt beschlossen werden konnte. Er hat Angst davor, dass er in die Klemme kommt zwischen der Linkspartei auf der einen Seite und dem großen Koalitionspartner auf der anderen Seite. Seine Antwort ist, ein Stück weit nach links zu gehen, um damit auch den Traditionskompanien der SPD entgegenzukommen. Das macht natürlich die Sache für die SPD im Hinblick auf Zukunftsentwürfe, im Hinblick auf Regierungsfähigkeit schwieriger und öffnet für die CDU ein erhebliches Potenzial. Ich glaube, dass die CDU sich jetzt auch daran machen muss, das was man früher einmal Helmut-Schmidt-Wähler genannt hat für eine Politik der Reformen, die sozial abgefedert ist, zu gewinnen.
Klein: Aber das dürfte doch gerade Ihnen, Herr Rüttgers, sehr entgegenkommen, wenn die SPD diese Bewegung macht, denn auch Sie setzen sich immer wieder auch gerade jüngst mit einem Buch dafür ein, dass die Marktwirtschaft ihr soziales Gesicht behalten und ausbauen müsse, dass die Welt nicht nur aus dem Blickwinkel des Kapitalismus betrachtet werden könnte. So gesehen müsste Ihnen diese Bewegung ja entgegenkommen?
Rüttgers: Der Unterschied zwischen dem, was Herr Beck da macht, und dem, was ich will und was die CDU will, ist, dass Beck darauf setzt, dass es höhere Staatsanteile gibt, dass es mehr Staatstransfers gibt, dass es ein Hin zu mehr Staatswirtschaft gibt, während ich glaube, dass die soziale Ausgewogenheit einer Politik Voraussetzung für Reformen ist. Wir brauchen noch weitere Reformen. Der Aufschwung wird nicht ewig dauern. Das heißt wir müssen jetzt Deutschland fit machen auch für die nächste schwierige Wirtschaftssituation. Das geht nicht, indem wir jetzt die Staatsquote steigern.
Klein: Aber genau in der Frage, wo es zu einem Machtkampf zwischen Beck und Müntefering gekommen ist, nämlich in der Frage soll die Zahlung des Arbeitslosengeldes I verlängert werden oder nicht, da waren Sie ja im Prinzip eher auf Seiten von Kurt Beck, der im Prinzip unter anderen Bedingungen, aber dann doch wesentlich dafür war. Müntefering war von Anfang an ganz klar dagegen, hat das auch die ganze Zeit gesagt. Die Koalition hat sich jetzt auf etwas verständigt, was Sie inzwischen auch begrüßt haben, das auch Ihre Gedanken aufgenommen hat. Insofern müssten Sie diesen Punkt betrachtet eigentlich froh sein, dass Müntefering weg ist?
Rüttgers: Da hatte Franz Müntefering sich verrannt, und zwar schon über Jahre. Er war jemand, der so was dann hochstilisieren konnte in der politischen Arbeit zu einem Symbolthema. In Wahrheit ist die Frage von ALG I eine Frage, ob die Reformbereitschaft, die Müntefering wollte, in der Bevölkerung da ist. Und wenn die Leute sagen, diese Regelung ist ungerecht, wenn sie das zu 80 Prozent sagen, und wenn die Leute sagen Leistung lohnt sich nicht mehr, dann muss eigentlich jeder Politiker sagen, da muss nachgesteuert werden. Darum ging es in der Sache. Dass das auch so gekommen ist, können Sie an dem Ergebnis von Montagabend aus der Koalitionsrunde sehen. Müntefering hat behauptet das ist nicht finanzierbar, hat behauptet das ist noch nicht einmal gegenzufinanzieren, das heißt ohne höhere Steuereinnahmen. In der Koalitionsrunde ist auf Drängen der Union ein Weg beschlossen worden, der kostenneutral ist.
Klein: Aber inhaltlich, Herr Rüttgers, ist die Frage ja immer noch nicht beantwortet, warum das Argument, was vor ein oder zwei Jahren noch galt, nämlich wir wollen die Anreize auch für ältere Arbeitnehmer schaffen, indem wir Arbeitslosengeld kürzer zahlen, heute nicht mehr gelten soll.
Rüttgers: Ganz einfach weil es nicht funktioniert.
Klein: Es hat doch funktioniert, sagen Statistiker!
Rüttgers: Nein, es hat nicht funktioniert. Arbeitsminister Laumann hat ja nachgewiesen, dass es eben anders als auch von Müntefering behauptet worden ist nicht so ist, dass die älteren Arbeitnehmer einen leichteren Zugang zu den neuen Arbeitsplätzen bekommen haben. Da hat Hartz IV nicht funktioniert.
Klein: Aber die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die ja Studien aufgelegt hat, sagen doch etwas anderes?
Rüttgers: Nein. Die sagen, wenn man genau hinguckt, ganz klar, dass die Leute nicht in normale sozialversicherungspflichtige Jobs vermittelt worden sind, sondern sie sind in eine Regelung vermittelt worden, die sie dem Arbeitsmarkt entzieht, damit aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt, ohne dass sie einen Job bekommen haben.
Klein: Herr Rüttgers, wenn die Koalition in Berlin stabil ist, dann bedarf es ja auch keiner Gedankenspiele dort, sich an Ihrem Bündnis etwa ein Beispiel zu nehmen und etwa vorzeitig ein Bündnis mit der FDP ins Auge zu fassen, demnächst oder auch erst für die Zeit nach 2009.
Rüttgers: Wir hier in Nordrhein-Westfalen arbeiten ja daran, dass eine Koalition von CDU/CSU und FDP im Bundestag nach der nächsten Bundestagswahl möglich ist. Wir verstehen uns hier in Düsseldorf schon so wie eine Blaupause.
Klein: Aber was man sich nicht so richtig vorstellen kann, wie Sie Ihre sozialpolitischen Vorstellungen zum Beispiel Stichwort Arbeitslosengeld I umsetzen wollen mit einer FDP, die heute und dann vermutlich auch noch von Guido Westerwelle geführt wird, der all dies entschieden und kategorisch und auch hier im Deutschlandfunk gestern abgelehnt hat.
Rüttgers: Wir haben hier in Düsseldorf mit der FDP über die Sache geredet. Hier gibt es keinerlei Unterschiede. Auch die FDP in Düsseldorf war für die Verlängerung des ALG I und das ist übrigens auch eine Auffassung, die hier von der Arbeitgeberschaft auch vertreten wird, vom Handwerk vertreten wird, aber wie gesagt immer unter der Bedingung: Das ganze muss kostenneutral sein.
Klein: Und Sie rechnen damit, dass die FDP das auch im Bund mitmachen wird?
Rüttgers: Sie wird gar keine andere Alternative haben. Wir stehen ja nach wie vor noch vor einer Vielzahl von Veränderungen und wenn die Leute sich nicht innerlich von der Politik verabschieden wollen, wenn es auch in Zukunft möglich sein soll, dass eine Volkspartei wie die Union zusammen mit einem kleineren Partner wie der FDP eine Mehrheit im Bundestag hat, dann muss man sich breit aufstellen. Dann muss man die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ins Boot kriegen.
Klein: Letzte Frage, Herr Rüttgers. Der bisherige Vizekanzler und Arbeitsminister hat gestern auf der Pressekonferenz angekündigt, er hätte schon Lust mitzumischen wieder auch in der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen, zunächst mal nicht als Herausforderer von Ihnen, denn ein Arbeiterführer hat er gesagt würde reichen. Freuen Sie sich dennoch auf einen starken Gegner?
Rüttgers: Das war zuerst mal ein großes Kompliment, was Müntefering da gestern gesagt hat.
Klein: Das kann man wohl sagen.
Rüttgers: Wenn er sagt, dass er auch anerkennt, dass wir hier und dass ich persönlich dafür sorgen, dass die Interessen der Arbeitnehmer in der Koalition in Düsseldorf gewahrt sind, dann empfinde ich das als Kompliment. Es ist so, dass ich in den letzten Jahren immer wieder mit Franz Müntefering hier in Düsseldorf, in Nordrhein-Westfalen um die Mehrheit gekämpft habe. Insofern freue ich mich auf eine Auseinandersetzung, weil noch mal: Bei allem was man dann zu ihm sagen kann, es war immer eine Debatte, die auch ein Stück von Respekt und ein Stück in der Sache begründet war und nicht persönlich belastet war.
Klein: Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Rüttgers.
Jürgen Rüttgers: Guten Morgen Frau Klein!
Klein: Ein Arbeiterführer weniger in Deutschland nach dem Rücktritt von Franz Müntefering. Ein großer Verlust für die Koalition aus Ihrer Sicht?
Rüttgers: Auf jeden Fall habe ich großen Respekt vor der Entscheidung von Franz Müntefering und ich finde - ich sage das mal im Hinblick auf die eine oder andere Erklärung, die ich heute Morgen gehört habe -, dass man die Begründung, die er gegeben hat - und das ist eine persönliche Begründung -, akzeptieren muss. Es hat sich etwas verändert, seitdem Franz Müntefering erklärt hat, dass er aus dem Kabinett zurücktritt.
Klein: Was hat sich verändert?
Rüttgers: Franz Müntefering war jemand, der egal ob man das was er politisch vertreten hat richtig fand oder nicht Klartext geredet hat, der versucht hat, seinen Beitrag zum Erfolg der Koalition und der Bundesregierung zu leisten. Insofern hat er so etwas wie eine stabilisierende Funktion in der Großen Koalition gehabt.
Klein: Rechnen Sie denn mit ernsthaften Erschütterungen und Verwerfungen in den kommenden Monaten in der Großen Koalition in Berlin?
Rüttgers: Nein, es wird keine Verwerfungen geben. Wir haben aber schon in den letzten Wochen immer wieder erlebt, dass es der SPD sehr schwer fällt, sich als Regierungspartei in der Großen Koalition zu verstehen. Das konnte man auf dem Bundesparteitag der SPD merken; das kann man merken an der Entscheidung des Parteivorsitzenden Beck, nicht in das Bundeskabinett einzutreten. Es ist so eine unklare Lage, ob die SPD jetzt nun die zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl nur noch durchstehen will, oder ob sie kompromissbereit ist, um auch noch Erfolge einfahren zu können.
Klein: Die SPD dementiert ja weitgehend auch seit ihrem Parteitag, dass sie so eine Art Linksruck, Linksrutsch durchmacht. Auch das Ausrufen des demokratischen Sozialismus als Ziel gilt aus Sicht der Genossen nicht als Linksruck. Nun muss man sagen, dass mit Müntefering ja auch eine Art Gegenspieler in manchen Punkten von Kurt Beck weg ist. Denken Sie das spricht schon dafür, dass die Partei sich weiter nach links bewegt, wenn man diesen Begriff noch verwenden kann?
Rüttgers: Ich glaube, dass es unbestreitbar ist, dass Beck eine Kurskorrektur vornehmen wollte. Das hat er ja auch so erklärt. Mal ganz abgesehen davon, dass ich natürlich richtig fand aufgrund meiner Position, dass die Veränderung beim ALG I jetzt beschlossen werden konnte. Er hat Angst davor, dass er in die Klemme kommt zwischen der Linkspartei auf der einen Seite und dem großen Koalitionspartner auf der anderen Seite. Seine Antwort ist, ein Stück weit nach links zu gehen, um damit auch den Traditionskompanien der SPD entgegenzukommen. Das macht natürlich die Sache für die SPD im Hinblick auf Zukunftsentwürfe, im Hinblick auf Regierungsfähigkeit schwieriger und öffnet für die CDU ein erhebliches Potenzial. Ich glaube, dass die CDU sich jetzt auch daran machen muss, das was man früher einmal Helmut-Schmidt-Wähler genannt hat für eine Politik der Reformen, die sozial abgefedert ist, zu gewinnen.
Klein: Aber das dürfte doch gerade Ihnen, Herr Rüttgers, sehr entgegenkommen, wenn die SPD diese Bewegung macht, denn auch Sie setzen sich immer wieder auch gerade jüngst mit einem Buch dafür ein, dass die Marktwirtschaft ihr soziales Gesicht behalten und ausbauen müsse, dass die Welt nicht nur aus dem Blickwinkel des Kapitalismus betrachtet werden könnte. So gesehen müsste Ihnen diese Bewegung ja entgegenkommen?
Rüttgers: Der Unterschied zwischen dem, was Herr Beck da macht, und dem, was ich will und was die CDU will, ist, dass Beck darauf setzt, dass es höhere Staatsanteile gibt, dass es mehr Staatstransfers gibt, dass es ein Hin zu mehr Staatswirtschaft gibt, während ich glaube, dass die soziale Ausgewogenheit einer Politik Voraussetzung für Reformen ist. Wir brauchen noch weitere Reformen. Der Aufschwung wird nicht ewig dauern. Das heißt wir müssen jetzt Deutschland fit machen auch für die nächste schwierige Wirtschaftssituation. Das geht nicht, indem wir jetzt die Staatsquote steigern.
Klein: Aber genau in der Frage, wo es zu einem Machtkampf zwischen Beck und Müntefering gekommen ist, nämlich in der Frage soll die Zahlung des Arbeitslosengeldes I verlängert werden oder nicht, da waren Sie ja im Prinzip eher auf Seiten von Kurt Beck, der im Prinzip unter anderen Bedingungen, aber dann doch wesentlich dafür war. Müntefering war von Anfang an ganz klar dagegen, hat das auch die ganze Zeit gesagt. Die Koalition hat sich jetzt auf etwas verständigt, was Sie inzwischen auch begrüßt haben, das auch Ihre Gedanken aufgenommen hat. Insofern müssten Sie diesen Punkt betrachtet eigentlich froh sein, dass Müntefering weg ist?
Rüttgers: Da hatte Franz Müntefering sich verrannt, und zwar schon über Jahre. Er war jemand, der so was dann hochstilisieren konnte in der politischen Arbeit zu einem Symbolthema. In Wahrheit ist die Frage von ALG I eine Frage, ob die Reformbereitschaft, die Müntefering wollte, in der Bevölkerung da ist. Und wenn die Leute sagen, diese Regelung ist ungerecht, wenn sie das zu 80 Prozent sagen, und wenn die Leute sagen Leistung lohnt sich nicht mehr, dann muss eigentlich jeder Politiker sagen, da muss nachgesteuert werden. Darum ging es in der Sache. Dass das auch so gekommen ist, können Sie an dem Ergebnis von Montagabend aus der Koalitionsrunde sehen. Müntefering hat behauptet das ist nicht finanzierbar, hat behauptet das ist noch nicht einmal gegenzufinanzieren, das heißt ohne höhere Steuereinnahmen. In der Koalitionsrunde ist auf Drängen der Union ein Weg beschlossen worden, der kostenneutral ist.
Klein: Aber inhaltlich, Herr Rüttgers, ist die Frage ja immer noch nicht beantwortet, warum das Argument, was vor ein oder zwei Jahren noch galt, nämlich wir wollen die Anreize auch für ältere Arbeitnehmer schaffen, indem wir Arbeitslosengeld kürzer zahlen, heute nicht mehr gelten soll.
Rüttgers: Ganz einfach weil es nicht funktioniert.
Klein: Es hat doch funktioniert, sagen Statistiker!
Rüttgers: Nein, es hat nicht funktioniert. Arbeitsminister Laumann hat ja nachgewiesen, dass es eben anders als auch von Müntefering behauptet worden ist nicht so ist, dass die älteren Arbeitnehmer einen leichteren Zugang zu den neuen Arbeitsplätzen bekommen haben. Da hat Hartz IV nicht funktioniert.
Klein: Aber die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die ja Studien aufgelegt hat, sagen doch etwas anderes?
Rüttgers: Nein. Die sagen, wenn man genau hinguckt, ganz klar, dass die Leute nicht in normale sozialversicherungspflichtige Jobs vermittelt worden sind, sondern sie sind in eine Regelung vermittelt worden, die sie dem Arbeitsmarkt entzieht, damit aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt, ohne dass sie einen Job bekommen haben.
Klein: Herr Rüttgers, wenn die Koalition in Berlin stabil ist, dann bedarf es ja auch keiner Gedankenspiele dort, sich an Ihrem Bündnis etwa ein Beispiel zu nehmen und etwa vorzeitig ein Bündnis mit der FDP ins Auge zu fassen, demnächst oder auch erst für die Zeit nach 2009.
Rüttgers: Wir hier in Nordrhein-Westfalen arbeiten ja daran, dass eine Koalition von CDU/CSU und FDP im Bundestag nach der nächsten Bundestagswahl möglich ist. Wir verstehen uns hier in Düsseldorf schon so wie eine Blaupause.
Klein: Aber was man sich nicht so richtig vorstellen kann, wie Sie Ihre sozialpolitischen Vorstellungen zum Beispiel Stichwort Arbeitslosengeld I umsetzen wollen mit einer FDP, die heute und dann vermutlich auch noch von Guido Westerwelle geführt wird, der all dies entschieden und kategorisch und auch hier im Deutschlandfunk gestern abgelehnt hat.
Rüttgers: Wir haben hier in Düsseldorf mit der FDP über die Sache geredet. Hier gibt es keinerlei Unterschiede. Auch die FDP in Düsseldorf war für die Verlängerung des ALG I und das ist übrigens auch eine Auffassung, die hier von der Arbeitgeberschaft auch vertreten wird, vom Handwerk vertreten wird, aber wie gesagt immer unter der Bedingung: Das ganze muss kostenneutral sein.
Klein: Und Sie rechnen damit, dass die FDP das auch im Bund mitmachen wird?
Rüttgers: Sie wird gar keine andere Alternative haben. Wir stehen ja nach wie vor noch vor einer Vielzahl von Veränderungen und wenn die Leute sich nicht innerlich von der Politik verabschieden wollen, wenn es auch in Zukunft möglich sein soll, dass eine Volkspartei wie die Union zusammen mit einem kleineren Partner wie der FDP eine Mehrheit im Bundestag hat, dann muss man sich breit aufstellen. Dann muss man die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ins Boot kriegen.
Klein: Letzte Frage, Herr Rüttgers. Der bisherige Vizekanzler und Arbeitsminister hat gestern auf der Pressekonferenz angekündigt, er hätte schon Lust mitzumischen wieder auch in der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen, zunächst mal nicht als Herausforderer von Ihnen, denn ein Arbeiterführer hat er gesagt würde reichen. Freuen Sie sich dennoch auf einen starken Gegner?
Rüttgers: Das war zuerst mal ein großes Kompliment, was Müntefering da gestern gesagt hat.
Klein: Das kann man wohl sagen.
Rüttgers: Wenn er sagt, dass er auch anerkennt, dass wir hier und dass ich persönlich dafür sorgen, dass die Interessen der Arbeitnehmer in der Koalition in Düsseldorf gewahrt sind, dann empfinde ich das als Kompliment. Es ist so, dass ich in den letzten Jahren immer wieder mit Franz Müntefering hier in Düsseldorf, in Nordrhein-Westfalen um die Mehrheit gekämpft habe. Insofern freue ich mich auf eine Auseinandersetzung, weil noch mal: Bei allem was man dann zu ihm sagen kann, es war immer eine Debatte, die auch ein Stück von Respekt und ein Stück in der Sache begründet war und nicht persönlich belastet war.
Klein: Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Rüttgers.