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Rüttgers: Steinkohle hat keine Zukunft

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hält einen Ausstieg aus der Steinkohleförderung in Deutschland für alternativlos. Allein Nordrhein-Westfalen habe jährlich mehr als 500 Millionen Euro Subventionen bezahlt. "Das Geld ist nicht mehr da", sagte der CDU-Politiker.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Die Steinkohle, ein Exportschlager. Die Förderung boomt mit über 300 Millionen Tonnen. 30 neue Projekte sind bereits geplant. Das ist keine Erinnerung an glorreiche Zeiten des Ruhrgebiets; das ist ein aktueller Blick auf Australien. Down under setzt man voll auf das so genannte schwarze Gold.

    Hierzulande geht eine Epoche zu Ende. In Berlin tagte gestern Abend ein weiterer Kohle-Gipfel, und schon im Vorfeld sickerte eine Vereinbarung auf die Beendigung des Steinkohlebergbaus im Jahr 2018 durch. Noch sind etwa 34.000 Beschäftigte im Bergbau tätig, doch die deutsche Kohle wird seit Jahren mit milliardenschweren Subventionen mehr erkauft als verkauft.

    Mit dabei gestern Abend Jürgen Rüttgers (CDU), der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Hier liegen sieben der acht noch aktiven Bergwerke. Jürgen Rüttgers ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Jürgen Rüttgers: Guten Morgen, Herr Remme!

    Remme: Herr Rüttgers, ist der Ausstieg so wie Sie ihn wollten unter Dach und Fach?

    Rüttgers: Nein, er ist noch nicht unter Dach und Fach. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir haben gestern feststellen können - und das ist eine gute Nachricht -, dass es die Möglichkeit zu einem Einvernehmen, zu einer einvernehmlichen Lösung gibt, einer einvernehmlichen Lösung, der sowohl die Revierländer wie der Bund wie die IG BCE, also die Gewerkschaft, und die RAG, also das Unternehmen, zustimmen können.

    Remme: Wenn es diese Möglichkeit gibt, woran hapert es noch?

    Rüttgers: Es gibt erst mal sehr, sehr viele komplizierte Fragen, die noch gelöst werden müssen. Da geht es um die Haftung, die Ausfallhaftung, also die Übernahme der Kosten im Ewigkeitsbereich. Was ja viele Leute nicht wissen ist, dass nach dem Ende des Bergbaus in Deutschland trotzdem für die Ewigkeit, der Begriff ist wirklich so gemeint, wie er da auch benutzt wird, für die Ewigkeit weiter gepumpt werden muss und verhindert werden muss, dass die Schächte absaufen, dass Schäden, Umweltschäden entstehen.

    Remme: Herr Rüttgers, die SPD hat offenbar ihre Idee eines Sockelbergbaus aufgegeben, will aber eine Revisionsklausel für das Jahr 2012. Inwiefern ist es vernünftig, einen solchen Ausstiegsbeschluss zu fassen, der ein vorläufiger wäre?

    Rüttgers: Zuerst einmal ist einfach wichtig zu wissen, dass ein Sockelbergbau nach dem EU-Recht nicht zulässig ist. Das heißt, man kann nicht beschließen, einfach deshalb, weil die Europäische Union da nicht mitmachen würde, dass man sowohl den Verkauf von Kohle subventioniert wie die Förderung, sprich die eigentlichen Zechen. Insofern ist der Punkt, glaube ich, gestern klar festgestellt worden. Es gibt den Wunsch und die Vorstellung, dass man etwa im Jahre 2012 noch einmal unter energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten überprüft, ob es bei den bis dahin getroffenen Beschlüssen bleibt.

    Die andere Seite, und vielleicht muss man den Punkt an der Stelle noch mal betonen; das war auch meine Position, die Position des Landes Nordrhein-Westfalen wie die Position des Saarlandes: Es kann nur eine Möglichkeit geben, wenn ein fester Termin für den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle vereinbart wird.

    Remme: Das heißt, Sie halten eine solche Revisionsklausel nicht für nötig oder sinnvoll?

    Rüttgers: Nein, das schließt sich ja zuerst mal überhaupt nicht aus, sondern jetzt wird ein bestimmter Termin festgelegt. Damit ergeben sich daraus ja für das Unternehmen bestimmte Planungshorizonte, bestimmte Konsequenzen. Das heißt, dann muss ja eine Planung erfolgen, die dazu führt, dass man an diesem Termin dann auch mit der Steinkohleförderung aufhört. Das hat dann die positive zweite Seite, dass dann ein Börsengang der RAG stattfindet und damit rund 70.000 Arbeitsplätze eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive bekommen, die, wie wir ja gerade in den letzten Tagen noch mal gehört und gelernt haben, so nicht gegeben ist.

    Remme: Herr Rüttgers, nicht nur der Bund subventioniert die Kohle; auch Ihr Land tut das. Was bedeutet dieser Beschluss für Subventionen aus Nordrhein-Westfalen ab 2009?

    Rüttgers: Wir haben, das haben wir schon vor der Landtagswahl gesagt, bisher mehr als 500 Millionen Subventionen jedes Jahr als Land Nordrhein-Westfalen gezahlt. Das Geld ist nicht mehr da. Wir haben das Geld nicht. Es kommt hinzu, dass wir dieses Geld auch dringend brauchen, um neue Strukturen aufzubauen, also zu investieren in Forschung, in Technologie, in neue Arbeitsplätze. Das ist auch die Konzeption, die die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen versuchen wird umzusetzen. Die Steinkohle, die Steinkohleförderung in Deutschland ist im Vergleich zu den internationalen Kosten derart hoch, dass es nicht verantwortbar ist, weiter mehr als die Hälfte des Wirtschaftshaushaltes des Landes Nordrhein-Westfalen in die Steinkohlesubvention zu stecken.

    Remme: Wie lange wird also NRW den Steinkohlebergbau noch subventionieren?

    Rüttgers: Wir werden uns natürlich beteiligen, weil: Es gibt drei Ziele, die wir von Seiten Nordrhein-Westfalens haben. Das eine ist: Wir wollen den Börsengang und damit für 70.000 Menschen eine Zukunft im Hinblick auf ihre Arbeitsplätze und eine wirtschaftlich vernünftige Perspektive für die RAG schaffen. Wir wollen zum zweiten den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle, und das dritte ist wir wollen, dass das ganze sozialverträglich abläuft, das heißt, kein Kumpel ins Bergfreie fällt. Insofern werden wir uns natürlich nicht jetzt daraus zurücktreten. Ein Datum kann ich Ihnen deshalb nicht nennen, weil es ja auch noch kein vereinbartes Datum gibt. Gestern hat es kein Einvernehmen gegeben über den Punkt, an dem die Subvention für die Steinkohleproduktion in Deutschland auslaufen soll.

    Remme: Sie haben es eben schon mal angesprochen. Auch wenn hier ein Kapitel Industriegeschichte zu Ende geht, entstehen gewaltige Folgekosten. Diese Kosten sollen aus dem Erlös des RAG-Börsengangs bezahlt werden. Geht die Rechnung auf?

    Rüttgers: Das ist auch noch ein Diskussionspunkt, den wir gestern andiskutiert haben. Sie wissen, dass nicht nur heute hier in Berlin eine Koalitionsrunde stattfindet. Es wird dann auch eine Koalitionsrunde der CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf geben und am Mittwoch dann einen weiteren Kohle-Gipfel. Da wird einer der Kernpunkte sein, dass natürlich wir darauf achten müssen, dass dann auch durch den Börsengang genügend Kapital in einer Stiftung angesammelt wird und auch wachsen kann, so dass dann nach dem Auslaufen der subventionierten Steinkohle genügend Geld für die Alt- und Ewigkeitslasten zur Verfügung steht.

    Remme: Glauben Sie denn, Sie brauchen zusätzliches Geld?

    Rüttgers: Wir wollen natürlich gerne auch dafür sorgen, dass es in der Zwischenzeit Investitionen im Ruhrgebiet gibt. Sie haben schon Recht, Herr Remme. Damit geht ein Kapitel deutscher und nordrhein-westfälischer Industriegeschichte zu Ende, aber es wird auch ein neues Kapitel aufgeschlagen, und dafür wollen wir natürlich etwas tun. Wir haben in den letzten Jahren schon erhebliche Fortschritte im Ruhrgebiet gehabt. Das lässt sich abgreifen an den Wachstumszahlen, an den Wirtschaftswachstumszahlen, die im Ruhrgebiet von 2000 bis 2004 über denen der anderen Landesteile in Nordrhein-Westfalen lagen, also eine gute, gute Plattform, auf der man dann aufbauen kann.

    Remme: Herr Rüttgers, ich habe es in der Anmoderation gesagt. Es gibt natürlich Teile der Welt, in denen die Steinkohle als Energieträger boomt. In der Bergbautechnologie, die dazu notwendig ist, ist Deutschland Weltmarktführer. Gehört zu diesem Ausstieg auch die Ehrlichkeit zu sagen, dass sich diese Spitzenposition ohne Förderung im eigenen Land nicht halten lässt?

    Rüttgers: Nein, das sehe ich so nicht. Wir haben schon in den letzten Jahren erlebt, und das ist auch eine der guten Entwicklungen gewesen , dass die deutschen Bergbautechnologieunternehmen sich auf den Weltmärkten behaupten können, heute, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, schon bereits 80 Prozent ihrer Umsätze in anderen Ländern machen. Das heißt, diese Verbindung sehe ich nicht.

    Remme: Jürgen Rüttgers war das, der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Herr Rüttgers, vielen Dank fürs Gespräch!