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Rumänien
Chef der Sozialdemokraten hinter Gittern

Liviu Dragnea ist der Schattenmann in Rumäniens Politik - ein umstrittener und mächtiger Strippenzieher. Jetzt muss er für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Chef der regierenden Sozialdemokraten hinterlässt eine Partei in Scherben.

Von Stephan Ozsváth | 29.05.2019
Liviu Dragnea, der Chef der sozialdemokratischen Partei Rumäniens, auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung in Bukarest, Rumänien, am 15. April 2019.
Liviu Dragnea, der Chef der sozialdemokratischen Partei Rumäniens, auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung in Bukarest im April 2019. (imago images / Alex Nicodim)
Ab in den Knast, rufen Hunderte Bukarester dem SUV nach. Darin sitzt Liviu Dragnea, der mächtige Strippenzieher der rumänischen Sozialdemokraten PSD. Er ist auf dem Weg in die Haftanstalt Rahova. Premierministerin Vijorica Dancila beklagt:
"Abgesehen von den Gefühlen für Liviu Dragnea, werden sie nachvollziehen", sagte die Vertraute Dragneas, "dass die Verurteilung ihres amtierenden Parteivorsitzenden für die Sozialdemokratische Partei einen schwierigen Moment darstellt, so wie für jede Partei."
Angeklagt wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch
Dreieinhalb Jahre Haft warten nun auf den umstrittenen Politiker, wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Er hatte dafür gesorgt, dass zwei Frauen fiktiv bei einer Kinderschutzbehörde angestellt wurden, in Wahrheit arbeiteten sie für die Partei. Das Oberste Gericht hatte das Urteil der ersten Instanz bestätigt. Mit allen Mitteln hatte Dragnea versucht, das Urteil abzuwenden, so der Publizist Catalin Tudor Popescu.
"Eines der Hauptziele Liviu Dragneas war die Zerstörung der Justiz in Rumänien, ihre Unterwerfung. Seine Verurteilung zu verhindern, war mehr als zweieinhalb Jahre lang sein einziges Ziel. Alles war diesem Vorhaben untergeordnet."
Denn die Justiz hatte ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen. Weil der mächtige PSD-Parteichef wegen Wahlfälschung vorbestraft war, konnte er nicht Premier werden. Die sozial-liberale Regierung sorgte für Justizreformen, die korrupte Politiker begünstigen: Durch Amnestie oder Eilverordnungen am Parlament vorbei. Sie versucht auch, die Bestellung von Rumäniens Star-Korruptionsbekämpferin Kövesi zur EU-Generalstaatsanwältin zu hintertreiben. Sie war zuvor in Rumänien geschasst worden. Treibende Kraft: Dragnea. Am Ende trat Präsident Johannis auf die Bremse und rief zu einem Referendum über die Justizreformen auf. Mit Erfolg.
"Das Referendum ist glänzend ausgegangen", sagte das Staatsoberhaupt. "Liebe Rumänen, so Johannis, ihr habt klar und entschieden für eine korrekte Politik gestimmt, für eine gerechte und unabhängige Justiz, für eine gute Regierung, für die Rumänen und für Rumänien."
Hohe Wahlbeteiligung beim Referendum
Das Referendum fand zeitgleich zur Europawahl statt. Auch bei dieser Abstimmung erlitten die Sozialdemokraten eine krachende Niederlage – minus 20 Prozent. Viele Rumänen - auch im Ausland - wollten wählen, es bildeten sich lange Schlangen vor den Auslandsvertretungen. Trotz Wahlhürden – die Wahlbeteiligung war doppelt so hoch wie vor fünf Jahren. Nun sei es Zeit für die Regierung, abzutreten, so das Staatsoberhaupt.
"Die PSD hat ein Ergebnis erzielt, das ihrer Leistung in den letzten zweieinhalb Jahren Regierung entspricht: Nichts hat sie geleistet und deshalb auch nichts bekommen bei dieser Wahl. Es ist ein Absturz im Vergleich zu den Wahlen vom Dezember 2016. Und das beweist, was die Rumänen von dieser gescheiterten Regierung halten."
Einen Rücktritt schloss die Premierministerin aus. Aber seit Dragnea im Gefängnis sitzt, hat das Messerwetzen begonnen. Junior-Koalitionspartner ALDE erwägt, aus der Koalition auszusteigen – sie hatten bei der Europawahl den Sprung ins Europaparlament nicht geschafft. Und bei den Sozialdemokraten bringen sich potentielle Nachfolger Dragneas für den Parteivorsitz in Stellung, etwa der einflussreiche PSD-Lokalbaron Marian Oprisan.
"Meiner Ansicht nach müssen wir jetzt folgendes verstehen: Für Luxus und Dummheit kommt irgendwann die Quittung. Dragnea ist Geschichte in Rumänien. Er hätte schon längst gehen müssen."
Dragneas Sozialdemokraten – ein Trümmerfeld
Eine Anspielung auf den unerklärlichen Reichtum Dragneas. Ehemalige Weggefährten hatte er geschasst, etwa den früheren Premier Viktor Ponta. Der lehnte nun Posten-Angebote seiner früheren Genossen ab, er führt mittlerweile eine eigene Partei. Dragneas Sozialdemokraten indes – ein Trümmerfeld, so Publizist Catalin Tudor Popescu.
Dragneas Platz in der PSD müsse von einem Besserem eingenommen werden. Zur Zeit sagt der Publizist, ist die PSD wegen Dragnea eine verdorbene Partei, von Fäulnis bis ins Mark befallen. "So wie sie jetzt ist, ist sie unfähig, eine Führungspersönlichkeit hervorzubringen, die weniger toxisch wäre als Dragnea."
Der hatte Kritiker in der Partei weggebissen und durch Ja-Sager ersetzt.