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Rumänien: Umweltschutz als Feigenblatt

Rechts der Fahrbahn alte, zum Teil verrottete Fabrikanlagen, links verrostete Rohrleitungen, hinter denen hohe Erdhügel den Blick auf das, was sich dahinter verbirgt, verdecken: Wer die Stadt Baia Mare im Nordosten Rumäniens mit dem Auto auf der Schnellstraße Richtung Westen verlässt, entdeckt darüber hinaus so mancherlei Unansehnliches: Da türmen sich mal Berge von Haushaltsmüll am Straßenrand, da rostet ein paar Hundert Meter weiter das Wrack eines ausgeschlachteten Omnibusses still und leise vor sich hin. Wer dann, wenige Kilometer nach dem Ortsschild, nach links abbiegt, wähnt sich in einer Art Mondlandschaft: Hügel und kleinere Teiche wechseln sich ab - Teiche, in denen das Wasser eigenartig metallisch gefärbt ist.

Thomas Wagner | 03.04.2001
    Hier, an dieser Stelle, befinden sich die Auffangbecken des Gold- und Silberminenbetriebes Aurul. Und genau hier nahm am 30. Januar vergangenen Jahres eine Umweltkatastrophe ungeheuren Ausmaßes ihren Ausgang. Viorika Parja, Redakteurin der örtlichen Tageszeitung "Graiul Maramureschului" führt fast wöchentlich Besucher auf einen der Hügel, um sie an die Öko-Katastrophe von Baia Mare zu erinnern:

    "Es war die Zeit der starken Niederschläge, es hat geregnet ohne Ende. Zuvor waren in relativ kurzer Zeit riesige Schneemassen geschmolzen. Und all das hat dazu geführt, dass einer der Deiche hier auf einer Länge von 25 bis 30 Metern durchbrochen wurde. Wir sehen ja hier immer noch: Die Deiche und Schutzwände sind sehr schwach gebaut; von der Ferne sieht das aus wie aus Sand. Naja, dann ist damals das verseuchte Wasser erst über ein Feld gelaufen, dann in einen Kanal gelangt. Von diesem Kanal ging's in die Somesch, von der Somesch in die Theiss, von der Theiss schließlich in die Donau. Und dann war fast halb Europa davon betroffen."

    Die ausgelaufene, hochgiftige Zyanid-Brühe bahnte sich über Somessch, Theiss und Donau ihren Weg bis ins Schwarze Meer. In der Folge wurden 120 Tonnen toter Fische geborgen - nach Ansicht von Fachleuten nur etwa ein Zehntel der tatsächlich verendeten Tiere. Die betroffenen Flüsse waren biologisch tot. Nur weil die Giftstoffe nicht in die Seitenarme vordrangen, gibt es heute wieder Ansätze von Leben in den Gewässern.

    Beim Unfall von Baia Mare handele es sich um die schwerste Umweltkatastrophe Europas seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl, urteilten die verärgerten ungarischen Nachbarn bereits vor einem Jahr. Ob diese drastische Einschätzung zutrifft, bleibt zu hinterfragen. Das Unglück von Baia Mare machte jedoch schlaglichtartig deutlich: Mit der Sicherheit der Industrieanlagen ist es in Rumänien nicht zum Besten bestellt.

    Und als ob es noch einer weiteren Bestätigung bedurfte, ereignete sich nur wenige Wochen nach der Katastrophe von Baia Mare nicht weit entfernt schon das nächste Umwelt-Unglück: Aus einer stillgelegten Erzmine bei der Stadt Baia Borsa traten 20 000 Tonnen schwermetallhaltiger Schlämme aus. Und auch sie gelangten in die Theis und in die Donau.

    Das alles geschah im vergangenen Jahr: die serbischen und ungarischen Nachbarn Rumäniens, ja auch die Europäische Kommission forderten die rumänischen Behörden auf, ihre Industrieanlagen intensiver zu überwachen, die Sicherheitsstandards erheblich zu verbessern. Die rumänischen Politiker und Behörden gelobten Besserung, nicht zuletzt im Hinblick auf den angestrebten Beitritt ihres Landes in die Europäische Union. - Doch haben sich die Zustände wirklich verbessert?

    Die Situation heute, fast genau ein Jahr nach dem Unglück von Baia Mare: Aus einer stillgelegten Waschmittelfabrik in der Stadt Falticeni entweichen mehrere Tonnen Chemikalien in den Fluss Siret. Und nur zwei Wochen später krachen die Leitungen in dem Chemiewerk Doljtim in Craiova: Riesige Mengen an Ammonium treten aus und fließen in den Shiju, einem direkten Zufluss der Donau. Pikant daran: Das Unglück geschieht unmittelbar nach einer umfangreichen Umwelt-Inspektion des Chemiewerkes. Ilie Leu, Direktor der staatlichen Umweltagentur in Craiova:

    "Kurz vor dem Vorfall wurde die ganze Fabrik einer Überprüfung unterzogen, das ist wohl wahr. Aber der Unfall hat sich ja in der Anlage für Ammoniak-Verarbeitung ereignet. Und genau die war nicht Gegenstand der Überprüfung. Das eigentliche Problem bestand ohnehin nicht in der Industrieanlage, sondern in einem Defekt im Kanalsystem: Die Abwässer flossen nicht in die Kläranlage, sondern direkt in unseren Fluß hier, in den Shiju."

    Kein Wort darüber, warum im Zuge der Überprüfung nicht auch die offensichtlich gefährliche Ammoniak-Bearbeitung kontrolliert worden ist, ebenso kein Wort zur Ursache des Defektes im Kanalsystem: Sicherlich kann der Unfall von Craiova, vom Ausmaß her, nicht mit der Katastrophe von Baia Mare verglichen werden. Dennoch gab es auch in Craiova schlimme Folgen: Örtlichen Medienberichten zufolge wurde mehrere Personen mit schweren Vergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hatten zuvor tote Fische aus dem Shiju gefischt - Fische, die an den Folgen des Ammonium-Eintrages verendet waren. 'Alles nicht so schlimm' lautet die Devise; ein unglücklicher Zwischenfall das Ganze, aber keineswegs ein Anzeichen dafür, dass mit der Sicherheit der großen Chemieanlagen in Rumänien ganz generell etwas nicht stimmt. So behauptet es jedenfalls Ilie Leu, der Leiter der staatlichen Umweltagentur in Craiova. Selbstverständlich nehme der Umweltschutz einen sehr hohen Stellenwert in der rumänischen Poitik ein - gerade auch nach dem Unfall vor über einem Jahr in Baia Mare:

    "Die rumänische Umweltgesetzgebung ist ja bereits angepasst an die europäischen Standards. Und wir versuchen ja auch wirklich viel zu tun in diesem Bereich. Ganz klar: Die Ausgaben dürfen niemals zu hoch sein, wenn es darum geht, Umweltprobleme zu lösen. Wenn ich einen Manager einzusetzen hätte, würde ich ganz klar sagen: Deine erste Aufgabe muss darin bestehen, die anstehenden Umweltprobleme zu lösen. Dann lassen wir in der Liste der zu erledigenden Aufgaben erst einmal neun Punkte frei. Und dann erst kommen die wirtschaftlichen Dinge. Umweltschutz muss immer auf dem ersten Platz sein."

    Das klingt beim ersten Hinhören sehr fortschrittlich. Ist Rumänien, nach der Katastrophe von Baia Mare dabei, sich zum Umwelt-Musterknaben zu entwickeln? Zweifel daran sind angebracht, und die werden nicht nur durch die beiden jüngsten Unfälle genährt: Der hohe Anspruch, den die rumänischen Umweltgesetze theoretisch erheben, zugleich aber deren Umsetzung in die Alltagspraxis - darin liegen die Probleme begründet.

    So lesen sich manche rumänischen Gesetze durch die Brille eines Umweltschützers gar nicht so schlecht. Zum Beispiel: Für neuzuzulassende Autos ist zwingend die Euro-2-Abgasnorm vorgeschrieben. Oder: Für Industrieanlagen gelten genau definierte Rauchgas-Grenzwerte.

    Der Teufel steckt allerdings im Detail der Ausführungsbestimmungen. Und die verkehren zuweilen die strengen Gesetze genau ins Gegenteil. Beispiel: Die Region rund um Baia Mare. Nur ein paar Kilometer von der Katastrophen-Goldmine Aurul entfernt, verpesteten bis vor kurzem zwei große Staatsbetriebe, nämlich das Bleiwerk Romplumb und das Chemiewerk Phönix, mit Bleistaub und Schwefeldioxid die Luft. Derzeit liegen die Betriebe still - keineswegs wegen der Umweltemissionen, sondern wegen mangelnder wirtschaftlicher Auslastung. Das Chemiewerk Phönix steht unmittelbar vor dem Verkauf an einen privaten Investor. Doch trotz der vermeintlich strengen Umweltgesetze kann der sich durchaus Zeit lassen mit dem Einbau teurer Abgasanlagen, wie auch Lenuta Trif bestätigt, Inspektorin der staatlichen Umweltagentur in Baia Mare:

    "Im Moment ist Phönix nicht in Betrieb, soll aber wieder angefahren werden. Das Unternehmen hat dazu bereits die Zulassung wieder erhalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der neue Eigentümer die Umweltprobleme im Laufe von fünf Jahren löst."

    Im Umkehrschluß heißt das aber: Fünf Jahre lang kann sich der neue Eigentümer Zeit lassen mit dem Einbau teurer Filter und Sicherungsanlagen. Die Umweltbehörden stellen ihm einen Blanko-Scheck aus für eine weiter andauernde Luftverpestung. Und selbst danach müsste der Inhaber nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht allzu viel befürchten. Die Strafen, die ein Unternehmen zahlen muss, wenn es sich nicht an die behördlichen Umweltauflagen hält, sind nämlich geradezu lächerlich gering.

    Lenuta Trif: "Unsere Umweltgesetze sehen für Verstöße eine Maximalstrafe von höchstens 75 Millionen rumänischer Lej vor. Wenn jemand gleich gegen zwei oder drei Punkte gleichzeitig verstößt, kann die doppelte Strafe, also maximal 150 Millionen Lei, verhängt werden."

    Bei dem derzeitigen Umrechnungskurs kommen hier Höchstbeträge von gerade mal 6000 Mark für einen einfachen Verstoß und 12 000 Mark für Mehrfachverstöße hinaus. Für die Inhaber betroffener Unternehmen dürfte dies ein Klein-Betrag aus der Portokasse sein, kämen doch aufwendige Investitionen in den innerbetrieblichen Umweltschutz ungleich teurer. Hinzu kommt: Wenn dann schon einmal ein Verfahren gegen einen Umweltfrevler eingeleitet wird, scheinen sich die Ermittlungen danach nahezu endlos hinzuziehen. So ist auch das Strafverfahren im Falle der Goldmine Aurul nach Angaben der Umweltinspektorin längst noch nicht abgeschlossen:

    "Untersuchungen wurden eingeleitet, die Unterlagen liegen nun alle bei der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren läuft. Zum aktuellen Stand kann ich allerdings nichts sagen."

    Besonders eilig hat es der zuständige Staatsanwalt mit dem Fall Aurul also offenbar nicht - im Gegensatz zu dem Unternehmen selbst, das sich immer noch zur Hälfte in rumänischem Besitz und zur anderen Hälfte im Besitz der australischen Unternehmensgruppe Esmeralda befindet. Längst hat Aurul wieder mit der Gold- und Silberförderung begonnen; längst fließen auch wieder die giftigen Zyanidlaugen durch die oberirdischen Rohrleitungen in Auffangbecken zurück, die lediglich mit ein paar Plastikfolien vom Erdreich abgetrennt sind. Eine Katastrophe wie die vom Januar vergangenen Jahres könne sich allerdings nicht mehr ereignen, versichert Aurul-Direktor Juliu Chiorean. Schließlich habe man in umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen investiert:

    "Wir haben eine Fülle von Maßnahmen getroffen, damit unsere Anlage hier sicherer wird. Zunächst einmal haben wir ein neues Pumpsystem eingebaut. Damit können wir sicherstellen, dass bei einem Wasserüberschuss, wie das nach den starken Regenfällen im Januar vergangenen Jahres der Fall war, das Wasser rechtzeitig abgepumpt wird; damit verhindern wir ein Überlaufen der Auffangbecken. "

    Außerdem, zählt der Aurul-Manager auf, habe sein Unternehmen zwei zusätzliche Kläranlagen gebaut und die Deiche verstärken lassen. Kosten: Rund eine halbe Million Dollar. Zwar hat sich die Betriebssicherheit der Anlage dadurch deutlich erhöht. Gleichwohl erhob unlängst die "Baia-Mare-Task-Force", eine von der Europäischen Union eingesetzte Untersuchungskommission, erheblich weitergehende Forderungen: Demnach dürfe künftig das hochgiftige Zyanid überhaupt nicht mehr der Witterung ausgesetzt und zwischengelagert werden; vielmehr müsse man es unmittelbar nach der Anwendung chemisch neutralisieren und entsorgen. Doch Aurul-Manager Juliu Chiorean denkt nicht im Traum daran, dieser Auflage nachzukommen:

    "Es gibt wirklich nicht viel mehr zu tun. Sicherlich, wir könnten das Zyanid gleich neutralisieren, bevor wir es ablassen. Aber die dazu erforderliche Anlage wäre unglaublich teuer - eigentlich unbezahlbar."

    An diesem Beispiel wird deutlich: Der Interessensgegensatz zwischen Wirtschaft und Umweltschutz ist in einem Land wie Rumänien noch immer sehr groß. Viele Investoren drohen damit, ihre Betriebe zu schließen, wenn die Behörden allzu streng auf die Einhaltung der Umweltauflagen achten. Hinzu kommt, dass in Rumänien die Privatisierung der ehemals großen Staatsbetriebe nur zögerlich voranschreitet. Und das geht ebenfalls zu Lasten des Umweltschutzes. Auch Simon Mordue, Sprecher der Vertretung der Europäischen Union, fordert eine Beschleunigung der schleppenden Privatisierung in Rumänien zugunsten des Umweltschutzes:

    "Die meisten aller Umweltbeeinträchtigungen kommen doch von Unternehmen, die immer noch dem Staat gehören. Und wenn Sie so wollen, können Sie hier durchaus von einem Interessenskonflikt sprechen: Normalerweise gilt ja das Prinzip "Wer verschmutzt, der zahlt." In diesem Fall müsste der Verschmutzer also zahlen; der Verschmutzer ist aber der Staat, doch letztendlich wäre ja wiederum der Staat der Empfänger solcher Strafen oder Abgaben; das macht kaum Sinn. Wir schreiben daher der rumänischen Regierung immer wieder ins Stammbuch, dass eine sinnvolle Umweltpolitik am besten Hand in Hand mit einer konsequenten Privatisierungspolitik geht. Damit schaffen sie einen möglichen Interessenskonflikt von vornherein aus der Welt. Sie verschaffen außerdem moderneren, besseren Umwelttechnologien Zugang zu Unternehmen, die im Moment noch Verluste schreiben und sich so etwas nicht leisten können."

    Die Forderung der Europäischen Union nach einer Beschleunigung des zögerlichen Privatisierungsprozesses ist nicht neu; sie erscheint aber nach der Katastrophe von Baia Mare und all den anderen Umweltunfällen in Rumänien aktueller denn je. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die rumänischen Behörden diesen aufgezeigten Weg einschlagen werden, ist paradoxerweise eher gesunken als gestiegen. Und das hat mit dem Regierungswechsel im Dezember vergangenen Jahres zu tun. Auf den konservativen Staatspräsidenten Emil Constantinescu folge der Sozialist Ion Iliescu, der bereits in der kommunistischen Ära des Landes wichtige Ämter inne hatte. Von Iliescu waren in den vergangenen Wochen in Sachen Privatisierungspolitik eher zurückhaltende, ablehnende bis widersprüchliche Äußerungen zu hören. Und auch für den seit Dezember amtierenden rumänischen Umweltminister Aurel Constantin Ilie von der "Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens" - PDSR - liegt in der Privatisierung allein nicht das Allheilmittel für die Umweltprobleme im Land. Er verweist auf umfangreiche staatliche Umweltschutzprogramme, die die PDSR in ihrer ersten Regierungsperiode Anfang der 90er Jahre aufgelegt hatte, und die gerade der Region Baia Mare zugute kommen sollten:

    "Nach 1996, als wir in der Regierung abgelöst wurden, hat man solche Programme nicht mehr weiterentwickelt; vielmehr suchten die Verantwortlichen bereits damals ihr Heil in der Privatisierung - allerdings ohne großen Erfolg für den Umweltschutz. Nehmen wir zum Beispiel die Chemiefabrik Phönix in Baia Mare. Die wurde für gerade mal 110 000 Dollar verkauft. Doch der neue Eigentümer ist bis heute nicht der Verpflichtung zur umweltgerechten Modernisierung nachgekommen. Unsere, nach meiner Meinung effektiveren staatlichen Programme wurden seinerzeit von den neuen Machthabern nicht fortgesetzt. Und siehe da: In der Zeit, wo unsere politischen Gegner regierten, kam es ja auch zu dem großen Umweltunfall von Baia Mare. Die Folge ist ein Negativ-Image für ganz Rumänien - und die Art und Weise, wie all die Dinge rund um den Umweltschutz in Rumänien jetzt hochgespielt werden."

    Mehr Umweltschutz durch eine raschere Privatisierung oder durch zusätzliche staatliche Programme - darum geht der Streit, der in Rumänien als Folge der Umwelt-Havarien der Vergangenheit gegenwärtig ausgetragen wird. Einiges deutet indes darauf hin, dass dies ein sehr theoretischer Streit zu sein scheint. Die Europäische Union jedenfalls hat in einer Studie all jene Maßnahmen aufgelistet, die Rumänien ergreifen müsste, um sich den Öko-Standards der Europäischen Union anzunähern - angefangen von der umweltgerechten Entsorgung des Abfalls bis hin zur Modernisierung der Industriebetriebe. Unter dem Strich kommt dabei, so Simon Mordue von der EU-Vertretung in Bukarest, ein riesiger Geldbetrag zusammen:

    "Wir veranschlagen die notwendigen Investitionen in den umweltpolitischen Schlüsselfeldern wie Wasser und Abfallwirtschaft sowie Luftreinhaltung für Rumänien auf rund 26 Milliarden Euro. Das ist natürlich eine gigantische Summe. Für mich ist daher die Schlussfolgerung sehr einfach: Das kann der öffentliche Sektor kaum alleine schaffen. Hier muss auch die Privatwirtschaft eingeschaltet werden - beispielsweise über staatliche Konzessionen für bestimmte Umweltbereiche oder andere vergleichbare Investitionen."

    Die Europäische Union lässt Rumänien dabei nicht gänzlich im Regen stehen: Alleine im vergangenen Jahr bewilligte sie im Rahmen des sogenannten "ISPA-Programms" 240 Millionen Euro für langfristige Maßnahmen zur Luft- und Wasserreinhaltung sowie für eine umweltgerechtere Müllbeseitigung. Weitere 1,9 Millionen Euro für konkrete kommunale Umweltprojekte kamen im Rahmen des sogenannten "Life-Programms" der Europäischen Union hinzu. Das alles erinnert aber - angesichts der notwendigen Gesamtinvestitionen - eher an den sprichwörtlichen "Tropfen auf den heißen Stein".

    Gibt es also überhaupt noch Hoffnung auf eine Verbesserung des Umweltschutzes in Rumänien? Kleine Silberstreife am Horizont sind durchaus erkennbar: So funktionierten Alarmplan und Notfallmaßnahmen nach den jüngsten Unfällen in Craiova und Faltitscheni bereits erheblich besser als während der Katastrophe von Baia Mare. Außerdem richtete die rumänische Regierung einen eigenen Umweltschutzfonds ein, wies Schutzgebiete für seltene Tier- und Pflanzenarten aus und erließ eine Verordnung, wonach giftiger Müll wie beispielsweise alte Batterien nicht mehr achtlos entsorgt werden darf.

    Das sind sicher ermutigende Zeichen. Doch nach Beobachtungen der EU-Vertretung in Bukarest könnte es gerade in Rumänien mit dem Umweltschutz noch ein wenig schneller vorangehen.

    Simon Mordue: "Da gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, eine riesige Diskrepanz zwischen dem Haushalt des rumänischen Transportministeriums und des rumänischen Umweltministeriums. Das Umweltministerium bekommt in etwa nur ein Zehntel dessen, was der Haushalt dem Transportministerium zubilligt. Und diese Verteilung steht, glaube ich, in einem krassen Missverhältnis zu der wahren Bedeutung der beiden Ministerien für die Zukunft, und für den Beitrittsprozess zur Europäischen Union."