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Rumänien und die Ukraine-Krise
"Russlands Politik ist unberechenbar"

"Es ist schwer vorauszusehen, was die Zukunft bringen wird", meint der rumänische Umweltschützer Cristian Mititelu Raileanu. Auch in Rumänien hat man Angst vor dem Einfluss der Ukraine-Krise. Doch gerade wegen des Konfliktes arbeiten die Staaten neuerdings enger zusammen.

Von Ralf Borchard | 07.08.2014
    Die rumänische Nationalflagge weht im Wind.
    Der Konflikt in der Ukraine lässt das Land enger mit Rumänien zusammenarbeiten. (picture-alliance / dpa / Sari Gustafsson)
    Es sind die letzten Kilometer auf der Donau, bevor sie ins Schwarze Meer mündet. Rechts taucht der neue Leuchtturm von Sulina auf, der östlichste Grenzposten der EU.
    Gerade hat ein Polizeiboot mit rumänischen Polizisten und ukrainischen Soldaten den Leuchtturm passiert – auf gemeinsamer Patrouillenfahrt.
    243 Stufen führen im Leuchtturm nach oben. Auf der Aussichtplattform zeigt Catalin Stamat nach Norden in Richtung Ukraine. Stamat hat seine Ausbildung bei der rumänischen Marine gemacht, jetzt ist er einer von 200 Grenzpolizisten im Donaudelta:
    "Von hier bis zur Ukraine sind es drei Kilometer", sagt Stamat und deutet auf eine Insel, auf der Schwärme von Kormoranen und Seemöwen zu erkennen sind:
    "Die Hälfte dieser Insel gehört uns, die andere den Ukrainern", sagt er und betont, dass der Konflikt mit Russland zwar auch Rumänien immer mehr Sorgen macht, auf das rumänische Verhältnis zur Ukraine aber auch positive Auswirkungen hat:
    "In der Vergangenheit gab es einige Probleme zwischen Rumänien und der Ukraine. Aber jetzt ist die Zusammenarbeit gut. Wahrscheinlich merken sie jetzt vor allem im Westen der Ukraine, dass es gut ist, wenn sie ein engeres Verhältnis zu uns haben. Einmal im Monat treffen wir uns jetzt und führen gemeinsame Grenzpatrouillen durch, auf dem Festland oder auf See, abwechselnd mit einem unserer oder ihrer Schiffe."
    Neue gute Koordination zwischen Rumänien und der Ukraine
    Nach der Wende 1989 waren die wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zwischen Rumänien und der Ukraine weitgehend gekappt worden. Es gab Grenzstreitigkeiten, etwa entlang des nördlichen Donauarms von Chilia. Auch der Naturschutz im Donaudelta, das zum größten Teil zu Rumänien gehört, aber auch auf ukrainisches Gebiet reicht, wurde nicht koordiniert. Der rumänische Umweltschützer Cristian Mititelu Raileanu sagt:
    "Meine persönliche Hoffnung ist, dass sich jetzt tatsächlich eine 180-Grad-Wende der Ukraine weg von Russland hin nach Europa vollzieht", so Raileanu, der für den WWF, den World Wide Fund for Nature arbeitet. "Andererseits machen wir uns hier in Rumänien über den russischen Einfluss große Sorgen. Es ist schwer vorauszusehen, was die Zukunft bringen wird. Russlands Politik ist unberechenbar. Rumänien selbst grenzt wenigstens nicht direkt an Russland, aber für die Republik Moldau sieht es schon anders aus, vor allem mit Blick auf die Konfliktregion Transnistrien. Und all das hat auch Auswirkungen auf Rumänien."
    Dass die Ukrainer nun kooperativer sind, hilft der rumänischen Grenzpolizei bei einer ganzen Reihe von Aufgaben. Etwa beim Abfangen von Booten mit Flüchtlingen, die meisten aus Syrien. Viele kommen weiter südlich in der Hafenstadt Constanta an, manche aber auch hier im Donaudelta:
    "Unsere Aufgabe ist dann, die Flüchtlinge von hoher See zu retten, und nach Tulcea, der nächsten großen Stadt zu bringen. Dort werden sie von Hilfsorganisationen und dem Innenministerium in Empfang genommen", sagt Catalin Stamat.
    Hoffnung auf gemeinsame Tourismus-Konzepte der Ukraine und Rumänien
    Und die Grenzpolizei kämpft gegen illegalen Fischfang. Seit neun Jahren gilt ein Fangverbot für Störe, weil ihr Bestand gefährdet ist. Doch vor allem die Stör-Eier, der Kaviar, erzielt Schwarzmarktpreise von mehreren tausend Euro pro Kilo:
    "Der Stör wird mit ganz anderen Mitteln gefangen als anderer Fisch, nicht mit Netzen, sondern mit langen Seilen, an denen in dichter Folge Haken hängen. Der Störfang steht unter Strafe, Fischer können dafür ins Gefängnis wandern."
    Die Zukunft des Donaudeltas, sagt Grenzpolizist Stamat, liegt im Tourismus. Er ist noch unterentwickelt hier, doch das Potenzial ist da, für Bootsfahrten auf den unendlichen Verzweigungen der Donau im größten Schilffeuchtgebiet der Welt etwa, oder für das Beobachten von mehr als 300 Vogelarten im Delta, bis zu Seeadlern und Pelikanen. Und lange Sandstrände gibt es auch:
    "Nur der Tourismus bietet den Menschen hier eine Zukunft. Auf die Fischerei-Erträge können sie sich nicht mehr verlassen. Die Fabriken aus der Ceausescu-Zeit sind auch geschlossen. Es gibt nur den Tourismus, sonst nichts."
    Vielleicht führt die neue Zusammenarbeit mit der Ukraine sogar dazu, dass gemeinsam Tourismus-Konzepte entwickelt werden, sagt Stamat. Auch wenn bis dahin, meint Naturschützer Raileanu skeptisch, bestimmt noch viel Wasser die Donau hinunterfließt.