Heuer: Es gibt aber auch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, nach dem die Länder sich an die KEF-Empfehlung halten müssen. Ist Ihnen die Rechtsprechung des obersten deutschen Gerichtes egal?
Meckel: Nein, die ist mir nicht egal, und die ist mir auch bekannt und deshalb gibt es das KEF-Verfahren und dieses KEF-Verfahren ist ja auch weiterhin Grundlage gewesen der Auseinandersetzung mit der Gebührenerhöhung oder Gebührenanpassung, aber ich hatte es gerade schon gesagt: Es ist eindeutige Rechtslage, dass die Ministerpräsidenten aufgrund der Begründung "Angemessenheit" der Gebührenanpassung abweichen dürfen, rechtlich dürfen und von diesem Recht haben sie Gebrauch gemacht.
Heuer: Sie sprechen von einer moderaten Abweichung. Darüber kann man sich ja streiten. Die Grundlage der KEF halten Sie jedenfalls nicht ein. Wieso brauchen wir die dann überhaupt noch, die unabhängigen Experten von der KEF?
Meckel: Die KEF hat keinerlei Möglichkeit, das zu Grunde zu legen, was im sonstigen wirtschaftlichen Umfeld geschieht, auch Reformprozesse zu Grunde zu legen, die in allen sozialen Systemen, in allen öffentlich finanzierten Systemen in unserer Gesellschaft derzeit vonstatten gehen. Dazu haben wir sie jetzt ermächtigt, diese Überlegungen anzustellen bei künftigen Verfahren, um einfach eine Einbettung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu gewährleisten. Unserer Meinung nach ist es wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht allein eine Legalität genießt, die verfassungsrechtlich ja zweifellos vorhanden ist, und nicht in Frage steht, auch von uns nicht in Frage gestellt wird, sondern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich in der Gesellschaft verankert ist und dadurch auch eine Legitimität bei den Bürgerinnen und Bürgern genießen kann, wozu auch gehört, dass man über Einsparprozesse, über mögliche zurückhaltende Gebührenanpassungen zumindest reden können muss.
Heuer: Wenn Sie sagen, Einsparprozesse, wieso ist das denn gerade bei den Öffentlich-rechtlichen notwendig? Können Sie das uns mal deutlich machen?
Meckel: Nun, wir haben das best finanzierte öffentlich-rechtliche System mit etwa 6,7 Milliarden Euro Gebührengeldern, die den öffentlich-rechtlichen zur Verfügung stehen. Das finde ich zunächst einmal ganz richtig, und auch sehr gut, weil die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein Programm veranstalten, was unter Qualitätsgesichtspunkten von kommerziellen Anbietern in der Regel nicht geleistet wird. Das will ich ganz deutlich sagen. Allerdings bedeutet das nicht, das man ohne jede Hinterfragung einfach Gebührensteigerungen in Kauf nehmen kann, sondern das bedeutet, ähnlich wie bei sozialen Versicherungssystemen, wie bei Fragen der Arbeitsmarktfinanzierung, dass hier immer wieder die Frage gestellt werden muss und auch gestellt werden darf, "Ist die Finanzierung gemessen an dem, was geleistet werden soll und was wir auch als Leistung weiter haben wollen, eigentlich angemessen und vernünftig?" Diese Frage haben wir dieses Mal auch gestellt. Da, wie gesagt, ein so üppig finanziertes öffentlich-rechtliches System an einigen Stellen deutlich sparen kann und das - jetzt komme ich auf die KEF zurück - hat die KEF selbst festgestellt. In ihrem 14. Bericht hat sie nämlich eine ganze Reihe von Anmerkungen gemacht zu dem Ausgabeverhalten der Öffentlich-Rechtlichen, auch zu Einsparmöglichkeiten, die durchaus kritisch sind.
Heuer: Andere Repräsentanten der Länder gehen weiter als Sie, die sprechen davon, dass die Gebührenerhöhung sozial zumutbar sein muss. Da stellt sich die Frage, wir reden über eine Differenz zwischen den Vorstellungen der Länder und denen der KEF von 21 Cent monatlich, das sind 2,52 jährlich. Ist diese Summe im Ernst sozial unzumutbar oder wie Sie sprechen, ist das unangemessen, eine so doch geringe Summe mehr den öffentlich-rechtlichen Sendungen zu geben?
Meckel: Wenn Sie das aus der alleinigen individuellen Perspektive betrachten, kann ich verstehen, dass man dort ein Fragezeichen machen kann, aber das ist ja nicht die alleinige Perspektive, die zählt, sondern eine angemessene Belastung der Bürgerinnen und Bürger hat eine Gesamtgesellschaftliche Dimension und diese Gesamtgesellschaftliche Dimension beläuft sich bei der Verringerung der Gebührenanpassungen, um die es jetzt geht auf eine Gesamtsumme von etwa 500 Millionen Euro, das ist eine halbe Milliarde Euro in der Gebührenperiode um die es geht. Ich glaube nicht, dass man ernsthaft argumentieren kann, dass eine solche Summe ein Pappenstiel ist, sondern ich denke, dass wir wieder vor dem Hintergrund der Reformprozesse, die wir in allen öffentlichen Systemen derzeit haben, über eine Summe von 500 Millionen Euro ernsthaft nachdenken muss.
Heuer: Sie haben selbst über das üppige Angebot von ARD und ZDF gesprochen. Wo genau sollen denn die Sender jetzt sparen, aus Ihrer Sicht?
Meckel: Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten im Personalbereich, wo eingespart werden kann. Die KEF hat insbesondere immer wieder auf die Altervorsorgesysteme hingewiesen, die uns in Zukunft große Probleme bereiten werden, wenn sich die Entwicklung so weiter fortsetzt, wie das derzeit der Fall ist. Dann werden wir irgendwann eine Gebührenanpassung brauchen, eine Gebührenerhöhung brauchen, allein, um die Pensionslasten zu finanzieren. Es gibt allerdings einen weiteren Punkt, der aus meiner Sicht sehr wichtig ist und da sind alle Länder sich einig gewesen: Wir können gemessen an dem Angebot, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk jetzt in Deutschland bietet, nicht zulassen, dass es immer weiter ausgeweitet wird, quantitativ ausgeweitet wird, denn wir haben mit 61 Hörfunkprogrammen und zwei bundesweiten Fernsehketten plus Regionalprogramme und Kulturprogramme, Kinderkanal et cetera, et cetera, Digitalprogramme, was noch alles dazu kommt, ein Angebot, was wirklich ausreichend ist. Und deshalb haben wir einen Riegel vorgeschoben und haben gesagt, wir machen eine Obergrenze auf der jetzigen Basis für Programme und es kann nicht sein, dass die Öffentlich-rechtlichen sich weiter im Markt ausweiten
Heuer: Nun besteht aber die Gefahr, dass die Öffentlich-rechtlichen möglicher Weise an so teuren Institutionen wie den Rundfunkorchestern sparen werden. Ist das politisch gewollt?
Meckel: Ich bin erst mal der Meinung, dass ARD und ZDF selber natürlich auch die Möglichkeit haben müssen und sollen, darüber nachzudenken, wo aus ihrer Sicht gespart werden kann. Ich nehme jetzt wahr, dass an einigen Ecken und Enden sozusagen jetzt auch Trotzreaktionen öffentlich werden. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich halte das nicht für politisch klug, aus Sicht der Anstalten, aber damit werden wir jetzt leben müssen. Aus meiner Sicht ist es eine andere Frage: Es geht darum, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten sich konkret Gedanken darüber machen, wie sie das ja zugegeben viele Geld, das sie haben, auch haben sollen, in Programmqualität und typische Programme investieren können, die dem Programmprofil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch entsprechen. Ich finde nicht, dass man Gelder aus Gebühren braucht, um Bunte-TV, Wellness-TV zu machen, um Margarete Schreinemakers im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu reaktivieren oder ähnliche Dinge. Wir wollen an die Dinge ran, die in dem Zusammenhang stattfinden, der nicht unmittelbar mit öffentlich-rechtlichem Programmauftrag steht. Dazu gehört eine kommerzielle Aktivität der öffentlich-rechtlichen Sender, dazu gehören beispielsweise extensive Sportberichterstattungszusammenhänge. Ich erinnere daran, dass zum großen Ärgernis aller Bundesländer ARD und ZDF während der Olympia-Zeit ihre Digitalkanäle mal eben auf Sport umgewidmet haben und zwar vollständig. Das sind Prozesse, die einfach schwierig sind. Darüber hat es politische Diskussionen gegeben und diese Erfahrungen aus den letzten Monaten und Jahren sind eben auch in diese Diskussion um den Rundfunksstaatsvertrag mit eingeflossen.
Heuer: Die Kritiker der Länder befürchten, dass mit der Art und Weise wie jetzt über die Gebührenerhöhung entschieden wird, die Unabhängigkeit von ARD und ZDF jedenfalls möglicherweise angetastet wird, denn die Verfassungsrichter haben sich seiner Zeit ja etwas dabei gedacht die Gebührenerhöhungen der KEF zuzuordnen, jedenfalls der KEF die Höhe dieser Gebühren zuzuordnen. Sie wollten, dass über die Gebühren unabhängig von den Politikern entschieden wird, über die ARD und ZDF ja täglich berichten.
Meckel: Selbstverständlich haben wir eine verfassungsrechtliche Tradition, Rechtsprechungstradition, die sagt, die Öffentlich-rechtlichen müssen ihre Programmautonomie haben und die Politik darf nicht die Gebühr als Hebel benutzen, um hier einzugreifen. Aber das haben wir nicht getan. Ich unterstreiche das sehr deutlich. Was wir getan haben ist, dass wir unsere landespolitische Beauftragung Rundfunkstrukturpolitik zu machen, wahrnehmen.
Heuer: Dennoch ist ja mit der Übergehung der KEF in diesem Fall der Damm gebrochen. Im Vorfeld der nächsten Gebührenrunde wissen ARD und ZDF schon, dass sie von den Politikern finanziell direkt abhängig sein werden.
Meckel: Da muss ich Sie korrigieren. Wir haben die KEF nicht übergangen und wir sind mit der KEF in einem engen Kontakt dazu gewesen. Wir haben vertrauliche Gespräche mit der KEF geführt von Länderseite, wir habe ein Anhörung mit der KEF gehabt und hier sind alle Dinge im Einzelnen auch durchgesprochen worden.
Heuer: Die KEF selber findet das aber problematisch, dass die Ministerpräsidenten sich über ihre Empfehlung hinweg gesetzt haben.
Meckel: Ich kenne auch den Brief der KEF. Darüber hat es bei uns auf Länderseite diverse Verwunderungen gegeben, dass der jetzt plötzlich in letzter Minute noch gekommen ist. Aber diese Position kann man akzeptieren. Meine Haltung dazu, und da bin ich nicht alleine, sondern da gibt es sehr viele Länder, die hier sehr sensibel sind, ist, dass nicht wir die Gefahr für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind, sondern die Gefahr droht in Brüssel. Und das Problem ist, dass die EU-Kommission längst eine ganze Reihe von Punkten aufgegriffen hat, mit denen sie sich intensiv beschäftigt. Hier werden wir sehen müssen, dass wir als Länder gemeinsam stehen übrigens mit den öffentlich-rechtlichen, denn hier sitzen wir in einem Boot, um die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union zu verteidigen und damit auch das Rundfunksystem zu verteidigen. Aber es hat Gespräche gegeben, die nicht dazu geführt haben, dass wir beispielsweise das Verfahren haben durchsetzen können, das wir durchsetzen wollten. Unsere Anregung ist gewesen, auch zu Gunsten der KEF darauf hin zu wirken, dass nach dem feststeht, welche Veränderungen es geben wird, auch von politischer Seite geben wird, denn wir haben einige gesetzgeberische Veränderungen vorgenommen, die sich auf die Rundfunkgebühr auswirken, dass danach die Anstalten die KEF bitten, das neu zu berechnen. Das wäre ein Weg gewesen, der vernünftig gewesen wäre, der auch deutlich weniger Aufmerksamkeit erregt hätte. Das haben die Anstalten nicht gewollt und insofern mussten wir von dieser Alternative Abstand nehmen.
Heuer: Zur Vollständigkeit sollten wir vielleicht noch sagen, dass die Gebühren dazu da sind, dass ARD und ZDF in der Bundesrepublik die Grundversorgung leisten.