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Russische Jagdflieger und Raketen für Minsk

Trotz der Sanktionen der EU und der USA soll nun ein russisches Jagdgeschwader in Weißrussland stationiert werden. Oppositionspolitiker unterstellen Putin damit Großmachtsstreben - militärisch jedenfalls sei das Vorhaben sinnlos.

Von Sabine Adler |
    Mal ist die Rede von russischen Jagdflugzeugen, mal geht es um Raketen der Reihe S300 beziehungsweise S400, die Moskau in Weißrussland stationieren will, Sergej Shoigu, Putins Verteidigungsminister, hatte vor einigen Tagen in Minsk angekündigt, dass eine Luftwaffenbasis nach Weißrussland verlegt werden soll. Kaum war der Besucher fort, erklärte Präsident Lukaschenko, dass er selbst es war, der Russland um Raketen und Jagdflieger gebeten habe, weil nur so Weißrusslands Unabhängigkeit und Souveränität gewährleistet werden könnten. Ob Lukaschenko oder Shoigu ist für die weißrussische Opposition nicht wichtig. Alexander Lebedko hält die Umwandlung seines Landes in einen russischen Vorposten für unvereinbar mit der Weißrussischen Verfassung.

    "Die Vereinigte Bürgerpartei würde Investitionen sehr begrüßen, zum Beispiel in ein modernes, erfolgreiches Unternehmen, wenn dadurch moderne Technologien, neue Arbeitsplätze ins Land kämen. Aber wenn wir stattdessen zum russischen Militärflughafen werden oder auf den Straßen von Minsk demnächst Sondereinheiten marschieren, dann geht das in die falsche Richtung. Weißrussland hat 1994 die Souveränitätserklärung unterzeichnet, auf der sich ebenso die Unterschrift des russischen und des amerikanischen Präsidenten sowie des britischen Premiers befinden."

    Seitdem die USA von ihren Plänen abgerückt sind, in Osteuropa ein Raketenabwehrsystem zu installieren, um sich gegen mögliche Bedrohungen aus dem Iran zu schützen, seitdem musste auch der russische Präsident abrüsten, zumindest verbal. Das tut er ungern, ist der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow von der Partei für die Freiheit des Volkes überzeugt, weil er Putin Großmachtstreben unterstellt. Dass Putin allerdings seinem Amtskollegen in Minsk die russischen Waffen überlassen würde, glaubt Nemzow dann doch nicht.

    "Putin hasst Lukaschenko zu sehr, als dass ihm den Zugang zu den russischen Basen oder Flugplätzen erlauben würde. Putin will diese Stützpunkte, denn er ist beherrscht von imperialem Denken. Er braucht diese Stärke, um mit den Amerikanern verhandeln zu können.
    Lukaschenko dagegen sind die Stützpunkte willkommen, weil für sie Miete entrichtet werden muss. Andererseits ist es so, dass der russische Haushalt und damit die russischen Bürger für die Ambitionen Putins weitere Milliarden zahlen, das ist leider wahr."

    Nemzow pflegt seit vielen Jahren enge Beziehungen zur weißrussischen Opposition, unterstützt sie, denn nicht selten kämpfen sie gegen die gleichen Gegner. Putin wie Lukaschenko, beide spielen auf der Klaviatur der Aggression und Bedrohung aus dem Westen. Der Blick in die Geschichte mag ihnen recht geben. Weißrussland und die Ukraine, im Zweiten Weltkrieg Sowjetrepubliken, waren die ersten Gebiete der UdSSR, in die die Nazis einmarschierten. Dass die weißrussische Opposition ihr Land nicht freiwillig quasi als Festung oder Vorposten zur Verfügung gestellt wissen will, versteht sich für den russischen Kollegen Nemzow von selbst. Darüber hinaus hält er das gesamte Bedrohungsszenario für absurd:

    "Russland wird aus völlig anderer Richtung bedroht. Sie haben die gesamte russisch-chinesische Grenze demilitarisiert. Selbst sowjetische Militärexperten hätten das nicht gestattet und gefragt, ob sie verrückt geworden sind. Russland hat dort nicht eine einzige Fliegerstaffel stationiert. Und nun soll hierher nach Weißrussland eine kommen. Vielleicht will man gerüstet sein, falls einigen aggressiven Polen einfallen könnte, Richtung Moskau zu marschieren. Aber Weißrussland reicht Putin die Hand und wird dafür in vollem Umfang zahlen."

    Weißrussland als Puffer zwischen Russland und der NATO sei Präsident Putins Strategie, der sich Lukaschenkos hochgerüstete Armee zunutze machen wolle, schreibt der weißrussische Militärexperte Alexander Alesin. Seit Jahren schon unterhalte Moskau auf weißrussischem Territorium eine Radarstation für Langstreckenwaffen und ein Funkzentrum für U-Boote.