Freitag, 19. April 2024

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Russischer Dopingskandal
"Sportfachverbände sollten harte Entscheidung treffen"

Bis zum 26. Juli will das IOC entscheiden, ob es die russischen Sportler wegen jahrelangem Staatsdoping von Olympia ausschließt. Im DLF sagte der ehemalige CAS-Richter Stephan Netzle, warum sich das IOC mit einem Komplettausschluss Russlands so schwer tue.

Stephan Netzle im Gespräch mit Marina Schweizer | 23.07.2016
    In Russland wurde jahrelang in vielen Sportarten flächendeckend gedopt
    In Russland wurde jahrelang in vielen Sportarten flächendeckend gedopt (AFP / Andrej Isakovic)
    Es sei eine Folge, dass der Sport durch Verbände organisiert sei und ein Athlet daher auch das Schicksal seines Verbandes teile, sagte der Sportrechtler im Deutschlandfunk. So könne sich ein englischer Bürger auch nicht gegen den Brexit wehren, weil das ganze Land für den EU-Austritt gestimmt habe.
    Netzle hatte den Weltleichtathletikverband IAAF zusammen mit Kollegen bei seiner Entscheidung, die russischen Leichtathlen wegen flächendeckenden Dopings zu sperren, juristisch beraten. "Ich finde die Sanktion, den gesamten russichen Leichtathletikverband auszuschließen, verhältnismäßig", sagte Netzle in der Sendung "Sport am Samstag".
    "IOC ist Herrin über die Spiele"
    Allerdings verteidigte er es, dass sich das IOC noch nicht zu einer Entscheidung, ob alle russischen Athleten von Olympia auszuschließen sein, entschlossen habe. "Ich finde es zu hart, zu sagen, dass sich das IOC hinter der CAS-Entscheidung verstecke", sagte er.

    Theoretisch könnte das IOC sagen, "dass erkennen wir nicht an, dass ist unser Wettkampf und da lassen wir eigene Athlen zu". Allerdings liege auch enorm viel Macht bei den einzelnen Sportfachverbänden. "Nach der Olympischen Charta müsste das IOC die Entscheidungen der Sportfachverbände anerkennen. Aber die Geschichte zeigt, dass sich das IOC als Herrin über die Olympischen Spiele verhält", sagte der Schweizer Anwalt.
    "Schaden für Olympia"
    Es dürften eher nicht mögliche Schadenersatzforderungen russischer Sportler sein, die das IOC an seiner Entscheidung zweifeln lassen, befand Netzle. Das IOC sehe Russland nur als wichtige Sportnation an und fürchte den Olympischen Spielen in Rio durch einen Ausschluss Russlands einen Schaden zuzufügen. So seien frühere Spiele durch Boykotte anderer Nationen nur "halbe Spiele" gewesen, berichte der Ex-Ruderer, der mit der Schweizer Mannschaft an den Boykott-Spielen in Moskau 1980 teilgenommen hatte.
    Er könne sich gut vorstellen, dass das IOC Hemmungen habe, den russischen Sport flächendeckend zu sperren. So gebe es Sportarten, wie die Leichtathletik, die eher dopinggefährdet seien als Bogenschießen oder Dressurreiten.
    "Bach taktiert nicht, aber will nichts kaputt machen"
    Er glaube auch nicht, dass IOC-Präsident Thomas Bach vor den Russen "kusche" oder politisch taktiere. Viel mehr habe Bach wohl große Sorge, dass zu viel kaputt gemacht werden könne.
    "Meine Meinung ist, die einzelnen Sportfachverbände sollten eine harte Entscheidung treffen und dort wo ein Verdacht besteht, sollten russische Sportler ausgeschlossen werden. Das IOC sollte eine solche Entscheidung stützen."
    Das vollständige Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.