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Russland als Partner der NATO

Wenn Russlands Präsident Dmitri Medwedew zum NATO-Gipfel in Lissabon reist, dann nicht als Feind, sondern als Partner der NATO. Am Samstag kommt der NATO-Russland-Rat zusammen. Dann wird es darum gehen, mit dem einstigen Gegner im Kalten Krieg über eine gemeinsame Raketenabwehr für Europa zu sprechen.

Von Robert Baag |
    Nicht mehr Feind - sondern Partner der Allianz. Unübersehbar ist: Die einstigen Gegner im Kalten Krieg bewegen sich schon seit einiger Zeit wieder aufeinander zu, haben die Funkstille untereinander aufgehoben, die seit Sommer 2008, nach dem georgisch-russischen Krieg, zwischen dem westlichen Bündnis und Russland geherrscht hatte. Und nun reist Medwedew sogar als hofierter Gast zum Lissabonner NATO-Gipfel, obwohl die russische Seite noch nicht in allen Aspekten zu wissen scheint, was sie dort inhaltlich erwartet - offiziell zumindest. Stichwort etwa - "Neue Strategie der NATO".

    Dieses Papier sei vertraulich, merkt Russlands NATO-Botschafter Dmitrij Rogozin ein wenig ironisch an, und es sei der Russischen Föderation vorab nicht übergeben worden. Deshalb könne man lediglich mutmaßen:

    "Die NATO wird ein Dokument verabschieden, in dem sie nachweisen wird, dass es unumgänglich ist, auch weit außerhalb ihres Bündnisgebietes tätig zu werden, sich bei den verschiedensten Konflikten zu engagieren, um alle Bedrohungen der Zukunft schon möglichst weit vor den eigenen Grenzen fernzuhalten. - Kann Russland das gefallen? Ich glaube nicht! Denn die NATO sollte sich mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigen - mit der territorialen Verteidigung ihrer Mitgliedsländer vor einer kriegerischen Bedrohung."

    Unabhängig aller vorsichtig kompromissbereiten Signale aus Moskau während der vergangenen Tage, wonach man künftig möglicherweise zu einer Kooperation mit der NATO bei einer gemeinsamen Raketenabwehr bereit sei, bestehe russischerseits auch hier durchaus noch Informationsbedarf, merkt Rogozin weiter an. Wenn dieses Abwehrsystem womöglich nur ein mit europäischen Steuergeldern bezahltes und auf europäischem Boden stationiertes US-System sein sollte, bei dem es keinerlei Garantien gäbe, dass es nicht eines Tages gegen Russland eingesetzt würde, dann sei das für Russland inakzeptabel.

    Weitgehend unstrittig scheint hingegen die Bereitschaft Moskaus zu sein, mit der NATO beim Afghanistan-Problem künftig sogar noch intensiver zusammenzuarbeiten. Rogozin - Mitte dieser Woche im Sender "Echo Moskvy":

    "Wir prüfen gerade, ob wir der NATO zusätzlich auch den Rücktransport von Gütern aus Afghanistan gestatten können. Hier handelt es sich ausschließlich um zivile Güter. Auch künftig darf es sich beim Transit durch Russland nicht um kriegsfähiges Material handeln wie etwa Munition oder Militärtechnik. Und: Die entsprechenden Container-Frachten müssen nach den Tarifen der Russischen Eisenbahn von der NATO abgerechnet und bezahlt werden."

    Ein lukratives Geschäft für den Staatsbetrieb. - Politisch aber gilt offiziell schon lange: In Afghanistan stehe man vor den gleichen Herausforderungen wie die NATO. Vor allem die Bedrohung durch den Drogenhandel aus diesem Raum durch Zentralasien nach Russland sowie die islamistische Terrorgefahr legt für Moskau auch mittel- bis langfristig eine enge Kooperation mit der NATO nahe. - Der Politologe Igor Jürgens, einer der engsten Berater von Staatspräsident Medwedew, hat jetzt in einem Artikel in der "Moscow Times" vorgeschlagen, in Lissabon auch mit einer Reform des NATO-Russland-Rates zu beginnen. Am Ende sollte dieses Gremium nicht wie bisher nach dem Prinzip 28 NATO-Staaten plus Russland weiterarbeiten, sondern aus neunundzwanzig gleichberechtigten Mitgliedern bestehen. Zugleich sei eine engere militärische Zusammenarbeit auch im Bereich der konventionellen Streitkräfte sowie im Rüstungsbereich denkbar und wünschenswert. - Die Harmonie zwischen Russland und der NATO-Führungsmacht USA beim Gipfel von Lissabon eintrüben könnte allerdings das erneut ungewisse Schicksal des russisch-amerikanische START-Atomwaffen-Abrüstungsabkommen im Senat zu Washington. Und auch der Fall des in dieser Woche gegen heftige Moskauer Proteste aus Thailand in ein US-Gefängnis verbrachten mutmaßlichen russischen Waffenhändlers Viktor But hält potenziellen bilateralen Ärger bereit, der in den Gipfel hineinstrahlen könnte. - Soviel sei jedenfalls schon mal klar, meint Moskaus NATO-Botschafter Rogozin:

    "Präsident Medwedew ist kein Statist auf diesem Gipfel - und er wir es auch nie sein!"