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Russland
Alternativwährung als Protest

Michail Schljapnikow hat offenbar ein Händchen für junge Bäume, denn für seine Setzlinge ist der Landwirt aus dem Moskauer Umland inzwischen ziemlich berühmt. Ebenso wie für seine Abneigung gegen Korruption, Bürokratie und die Finanzwelt Russlands. Und deshalb hat sich der Bauer aus dem Dorf Kalionowo eine eigene Währung geschaffen - den "Kolion".

Von Florian Kellermann | 08.12.2015
    Auf einer Leuchttafel in Moskau sind am 16. 12. 2014 die Wechselkurse des Rubels zu Euro und US-Dollar zu sehen.
    Ein Bauer in Russland setzt hat seine eigene Währung geschaffen: Sogenannten Kolione, ein Zahlungsmittel, benannt nach seinem Dorf Kolionowo. (Imago/ ITAR-Tass / Mikhail Japaridze)
    Michail Schljapnikow grinst schelmisch, als er die gelbe Blechtruhe öffnet. Der gelernte Ökonom holt einige einseitig bedruckte Scheinchen hervor - ein Baum ist auf ihnen zu sehen und Zahlen von eins bis hundert. Das sind sogenannten Kolione, sagt Schljapnikow, ein Zahlungsmittel, benannt nach seinem Dorf Kolionowo.
    "Rubel sind doch nur Papierchen, eine Art Spielgeld. Die Milliarden, die in den Büchern der Banken stehen, haben keinen Gegenwert. Anders die Kolione: Hinter ihnen stehen Kartoffeln, Eier, Fleisch, Milch - alles aus meiner Produktion. Nicht Krieg und Korruption."
    Ein Kolion sei streng an den Gegenwert von fünf Eiern gekoppelt, erklärt der Bauer und Baumzüchter - einzulösen direkt bei ihm auf dem Bauernhof. Deshalb unterliegen die Scheine, die er bei einem Visitenkartengeschäft drucken ließ, auch nicht der Inflation. Schljapnikow hat sie tatsächlich in Umlauf gebracht, zum Beispiel als Lohn für einen Nachbarn, der ihm bei Bauarbeiten half.
    Nadelstiche gegen den Staat
    Der 53-Jährige geht am Teich mit den Gänsen vorbei und setzt sich wieder vor sein Bauernhaus in die Herbstsonne. Die Kolione als Alternativwährung sind für ihn ein Mittel des Protests gegen den russischen Staat.
    "Bei uns hängt alles von den Beamten ab, das gefällt mir nicht. Es ist wie ein Schachspiel, bei dem der andere laufend die Regeln verändern kann. Der einfache Bürger wird auf Schritt und Tritt gegängelt. Ich darf hier nicht mal mehr ein Huhn schlachten, dafür muss ich extra ins Schlachthaus. Nächstens lassen sie mich noch ein Requiem, eine Totenmesse bezahlen!"
    Deshalb hatte Schljapnikow schon vorher immer wieder Nadelstiche gegen den Staat gesetzt. Er weigerte sich, den Ämtern Statistiken über seine Baum-Produktion auszuhändigen. Und wenn ein Beamter ihn auf seinem Grundstück besuchen wolle, müsste der schon ein psychiatrisches Gutachten und eine Menge anderer Dokumente mitbringen, verlangte er.
    Aber gerade die Kolione waren es, die die Behörden am Ende gegen ihn aufgebracht haben. Der Staatsanwalt der Region teilte ihm mit: Die Kolione seien eine "Gefahr für die Einheit des Währungssystems. Die Bürger verlören doch die Orientierung - und das in Zeiten der Wirtschaftskrise. Auch die Nationalbank und die Steuerbehörde schalteten sich ein: Schljapnikow verletze die russische Verfassung, erklärten sie. Ein Gericht verbot daraufhin die Kolione.
    Angst vor Strafverfolgung hat Schljapnikow nicht.
    "Ich habe Nierenkrebs und zehn Operationen hinter mir. Ich bin eigentlich aus Moskau hierher nach Kolionowo gezogen, um zu sterben. Aber das hat nicht geklappt. Da habe ich beschlossen, Bäume zu pflanzen. Erst habe ich hundert gepflanzt und bin nicht gestorben, dann tausend und heute sind es schon über eine Million."
    Kampf um Krankenstation
    Was ihm das Leben gerettet hat? Die saubere Luft, das Wasser aus dem eigenen Brunnen und das Essen aus eigenem Anbau, meint der Bauer und zieht sich die löchrige Weste über seinen stolzen Bauch. Selbst im 140 Kilometer entfernten Moskau stehen seine Bäume heute - auf dem berühmten Boulevardring mit seinen exklusiven Alleen.
    Schljapnikow fährt sich durch den grauen Bart. Er könnte ein reicher Mann werden, aber er hat andere Pläne. Er hilft den Menschen im Dorf - beim Renovieren ihrer Häuser oder einfach, wenn es an Brennholz fehlt.
    Der Bauer zeigt auf die verwaiste Krankenstation, die neben seinem Hof liegt. Er würde sie gerne wiedereröffnen, aber die Behörden sind dagegen. 30 Kilometer müssen die Bewohner von Kolionowo fahren, um eine Spritze zu bekommen.
    Schljapnikow will weiter um die Krankenstation kämpfen. Auch sein Währungsprojekt hat er längst nicht aufgegeben, obwohl ein Moskauer Gericht gerade das Verbot der Kolione bestätigt hat.
    "Es wird eine neue Währung geben, mit neuem Design. Die rechteckigen Scheine haben den Behörden nicht gefallen, dann machen wir eben dreieckige. Ich kann sie auch gerne Putinki nennen, wenn das den Machthabern lieber ist. Jedenfalls werde ich mir ein echtes Hoheitszeichen überlegen."