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Russland
Protest gegen die Vernichtung westlicher Lebensmittel

Lettischer Käse, Tomaten aus der EU oder amerikanische Würstchen: Ab heute werden in Russland alle Lebensmittel vernichtet, die aus dem Westen kommen. Das Importverbot für diese Waren gilt seit einem Jahr und wurde Präsident Wladimir Putin wohl zu oft umgangen. Doch bereits jetzt regt sich im Land der Protest gegen die Vernichtungsaktionen.

Von Gesine Dornblüth | 06.08.2015
    Ein Stand mit Gemüse und einer älteren Verkäuferin mit Kopftuch auf dem Domodedovsky Lebensmittel Markt in Moskau, Russland
    Die russische Regierung stellt die Importverbote von westlichen Lebensmitteln als Chance für die heimische Wirtschaft dar - doch in Russland nimmt die Armut zu. (picture alliance / dpa / Alexander Shcherbak)
    Bei Belgorod an der Grenze zur Ukraine sollen heute neun Tonnen Käse vernichtet werden, deren Herkunft nicht zu klären sei. Das russische Staatsfernsehen zeigt einen Bulldozer, der Kartons vor sich herschiebt. Tatjana Auschewa von der örtlichen Lebensmittelaufsicht berichtet, die Behörden hätten noch weitere Ware beschlagnahmt: "Vor allem Fleisch. Es wird zu Mehl verarbeitet und vergraben."
    Bei Orenburg in Südrussland sollen 20 Tonnen lettischer Käse vernichtet werden, in Smolensk im Westen zwei Fuhren Tomaten aus der EU. Das berichten russische Agenturen. Die Staatsmedien rechtfertigen den Schritt damit, dass falsch deklarierte Ware die Gesundheit der Menschen bedrohe. Eine Fernsehreporterin berichtet, im fernen Osten seien im vergangenen Jahr fünfzehn Versuche entdeckt worden, das Importverbot für Lebensmittel zu umgehen.
    Importverbot als Reaktion auf Wirtschaftssanktionen
    "In Wladiwostok wurden 238 Tonnen tiefgekühltes Schweinefleisch beschlagnahmt. In Nachodka 23 Tonnen amerikanischer Hühnerwürstchen. In Ussurijsk Weintrauben und frischer Salat aus den USA und Australien, gekennzeichnet als angeblich chinesische Produkte. Aber unsere wachsamen Zöllner haben die Sanktionsware erkannt."
    Russland hatte vor einem Jahr die Einfuhr von Fleisch, Gemüse, Obst, Fisch, Käse und Milch aus der EU, den USA, Kanada und Australien verboten. Es war eine Reaktion auf die von den USA und der EU gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen. Premierminister Medwedew hat jetzt vorgeschlagen, die Verbotsliste um sieben Länder zu erweitern: um Albanien, Montenegro, Island, Liechtenstein, Norwegen, Georgien und die Ukraine. Diese Staaten hatten sich jüngst den Wirtschaftssanktionen gegen Russland angeschlossen. Außerdem hat Russland vor wenigen Tagen die Einfuhr von Blumen aus den Niederlanden verboten. Die Regierung stellt die Verbote auch als eine Chance für die heimische Wirtschaft dar.
    Lebensmittel lieber an Bedürftige verteilen
    Lebensmittel wurden in Russland wie auch im Ausland auch in der Vergangenheit schon vernichtet, etwa wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen war. Doch nie sorgte das für solche Diskussionen wie jetzt im Fall der verbotenen Westwaren. Mehrere Duma-Abgeordnete schlugen vor, beschlagnahmte Waren lieber in den Donbass zu schicken. Und auf der Plattform change.org rufen Aktivisten dazu auf, die Lebensmittel lieber an Bedürftige zu verteilen. In Russland nimmt die Armut zu, unter anderem wegen der Inflation.
    Heute Morgen hatten mehr als 250.000 Menschen die Petition an Präsident Putin unterzeichnet. Putins Sprecher Dmitrij Peskow stellt den Wert der Petition infrage: Die Unterzeichner seien nicht eindeutig zu identifizieren. Die russischen Zollbehörden sind angewiesen, ihre Vernichtungsaktionen per Video festzuhalten. Die Moskauer Zeitung Vedomosti spricht von einer "demonstrativen Barbarei". Die Behörden weigerten sich, den wichtigsten Aspekt der Aktion zu sehen: den ethischen.