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Russland und die Krim
Ukraine reagiert "mit Empörung" auf Lindner-Äußerung

Unbedarft oder kalkuliert? Die Äußerung von FDP-Chef Lindner, die Annexion der Krim als "dauerhaftes Provisorium" zu akzeptieren, hat auch bei den Konfliktparteien für Reaktionen gesorgt. Während die Ukraine verärgert sei, habe Russland "überraschend verhalten" reagiert, so Sabine Adler im Dlf.

Sabine Adler im Kollegengespräch mit Anne Raith |
    Christian Lindner (FDP)
    Christian Lindner Außerung, die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim erst einmal als "dauerhaftes Provisorium" zu betrachten, hat für Reaktionen gesorgt (picture alliance / dpa )
    Anne Raith: Wie es bei den deutschen Liberalen weitergeht, ist die eine der großen Fragen in diesem Bundestagswahljahr. Wird der FDP der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen, wird sie es in die Regierung schaffen, vielleicht sogar ins Außenministerium? Das sind Fragen, die einmal mehr gestellt werden, seit Parteichef Christian Lindner sich zur Krim geäußert hat, verbunden mit der Forderung, die Annexion der ukrainischen Halbinsel erst einmal als "dauerhaftes Provisorium" zu betrachten. Während die einen an seiner außenpolitischen Kompetenz zweifeln, ist die Äußerung für andere ein durchaus kalkuliertes Risiko, um die Liberalen mit einer auffälligen Position ins Gespräch zu bringen. Das ist Lindner gelungen. Aufmerksam verfolgt und kontrovers diskutiert werden diese Äußerungen nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Ukraine und in Russland.
    Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die ukrainischen Reaktionen, die ja bis ins Außenministerium reichen. Wie wurde dort aufgenommen, dass in Deutschland über ein Einfrieren dieses Konflikts diskutiert wird?
    Sabine Adler: Im Ton durchaus mit Empörung. Zum Beispiel fragt Kanal 24, das ist ein Fernsehsender, ‚Was ist das?‘. Und dann wird zitiert, dass Lindner empfohlen hat, zeitweilig die Augen zu verschließen, was die Annexion der Krim angeht. Und dann gibt es die Ukrainska Prawda, das ist das wichtigste Internetportal in der Ukraine, und sie zitiert auf der einen Seite, was Lindner gesagt hat, bringt aber auch Statements und Kommentare aus der ukrainischen Politik, unter anderem der ersten Vizesprecherin der Werchowna Rada, also dem Parlament, eine Vertraute von Präsident Petro Poroschenko. Sie kritisiert die "Ratschläge", wie sie sagt, einiger ausländischer Politiker zur Lösung eben der russischen Aggression in der Ukraine mit scharfen Worten. Sie sagt, wir werden auf diese Ratschläge nicht hören. Diese westlichen Politiker würden Gespräche über die Verpflichtung des Westens vermeiden. Sie spielt dabei auf die Sicherheitsgarantien für die Ukraine an, nach ihrer atomaren Abrüstung. Und man erlaube weder der Europäischen Union noch den USA, das zu vergessen und von der Tagesordnung zu nehmen.
    Besorgte Reaktionen auch bei den Krim-Tartaren
    Dann gibt es noch eine Stimme, die sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang und von Refad Tschubarow stammt, das ist der Chef der Medschlis, der Vertretung der Krim-Tartaren. Der hat sich in Kiew geäußert, und diese Pressekonferenz wurde also gut beachtet. Er sagt, wenn wir uns heute auf eine langfristige Perspektive einlassen, wird Russland alles unternehmen, um das Volk der Krim-Tartaren zu vernichten. Dann wird erinnert daran, dass die Sprache der Krim-Tartaren zwar eine offizielle Sprache jetzt der Krim auch ist, aber dass die politischen Äußerungen der Krim-Tartaren mitnichten gewünscht werden. Im Gegenteil, Moskau würde sie immer als Kritik und als proukrainische Haltung verstehen.
    Raith: Also Empörung und Sorge können wir auf der einen Seite beobachten. Lassen Sie uns auf die andere Konfliktseite blicken, nach Russland. Wie sehen dort die Reaktionen aus?
    Adler: In Russland sind die Reaktionen überraschend verhalten. Es wird sehr genau zitiert, zum Beispiel bei der Interfax-Nachrichtenagentur, da werden Zitate herausgehoben von Christian Lindner, zum Beispiel dass er findet, dass Europa eine Zeit lang von Versuchen absehen sollte, eine Lösung in der Frage über den Status der Krim zu erreichen. Es wird auch zitiert, dass man die Krim-Frage einfrieren soll, um Bewegung in die Beziehungen mit Russland in andere Richtung zu bringen. Und es wird zitiert, dass man von der schrittweisen Schwächung der Sanktionen reden könne, dass davon die Sicherheit und der Wohlstand Europas abhängen.
    "In Russland wird alles extrem genau beobachtet, was die Sanktionen betrifft"
    Also, das sind ganz genaue Zitate, die zum Beispiel auch bei Russia Today in der deutschen Version aufgeführt werden. Es wird sehr detailliert nachvollzogen, wie die Diskussion in Deutschland verläuft, und das ist nicht nur der Sendeauftrag von Russia Today Deutschland, sondern darin drückt sich insgesamt eine Haltung aus. Es wird alles extrem genau analysiert und beobachtet, was irgendwie mit natürlich der Ukraine zu tun hat, aber eben natürlich auch mit den Sanktionen. Denn die Sanktionen sind eben der wunde Punkt für Russland.
    Raith: Machen die beiden Konfliktparteien denn etwas aus Wortmeldungen wie diesen? Nutzen sie sie für ihre Rhetorik, ihre Politik?
    Adler: Wir haben das jetzt anhand der ukrainischen Beispiele gesehen, dass das genutzt wird. Aber das wendet sich ja jetzt erstmal in der Rhethorik - auch der ukrainische Außenminister Klimkin hat sich ja noch mal scharf kritisch geäußert gegenüber Lindner. Das geht jetzt erstmal in Richtung Europäische Union und Deutschland, weil man da sehr fürchtet, dass diese Unterstützung möglicherweise bröckeln könnte. Man muss aber auch sagen, es gibt auch eine innerukrainische Diskussion, die da nämlich lautet, sollte man das Faktische, also die Abtrennung der Krim von der Ukraine anerkennen und so genauso mit dem Donbass verfahren. Da gibt es eine heftige Diskussion, einen richtigen Streit, weil natürlich die freiwilligen Kämpfer oder zum Beispiel die ukrainische Armee ja einen hohen Blutzoll gezahlt haben für die Einheit des Landes. Und dieser Streit wird jetzt im Moment jedenfalls natürlich nicht erwähnt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.