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Russland, USA und Syrien
Machtdemonstration und Entgegenkommen

Eine Waffenruhe in Syrien ist Voraussetzung dafür, dass die notleidende Bevölkerung humanitäre Hilfe erhalten kann. Bislang scheint die von Russland und USA vereinbarte Feuerpause zu halten. Was hat die beiden Staaten trotz aller Interessensgegensätze zu dieser Vereinbarung bewogen? Zwei Einschätzungen von den Korrespondenten aus Moskau und Washington.

Von Gesine Dornblüth und Thilo Kößler | 13.09.2016
    Syrische Kinder spielen in Ruinen.
    Die Feuerpause für Syrien scheint in der ersten Nacht weitgehend gehalten zu haben. (MOHAMAD ABAZEED / AFP)
    Russlands Interessen in Syrien
    von Gesine Dornblüth, Auslandskorrespondentin Moskau
    Russland geht es in Syrien zunächst einmal darum, vielleicht nicht den Diktator Bashar al Assad persönlich, in jedem Fall aber das syrische Regime an der Macht zu halten. Auch deshalb fliegt Russland seit einem knappen Jahr Angriffe in Syrien, eng abgestimmt, wie man in Moskau stets betont, mit dem syrischen Militär. Zwischen den Machtzentren beider Länder bestehen traditionell enge Verbindungen. Russland besitzt in Syrien seinen einzigen Mittelmeerhafen.
    Der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat spielt für Russland gleichfalls eine Rolle. Offiziell heißt es, man wolle verhindern, dass Islamisten mit Kampferfahrung nach Russland zurückkehren und dort Anschläge verüben. In den Reihen des IS kämpfen viele Tschetschenen. Russische Offizielle räumen allerdings immer wieder ein, dass man nicht nur den IS, sondern allgemein "Terroristen" bekämpfe. Und als Terroristen gelten mitunter auch Regimegegner.
    Das vielleicht wesentliche Motiv Russlands, in Syrien militärisch mitzumischen, ist aber, Macht zu demonstrieren. Russland will sich als eine den USA ebenbürtige Großmacht präsentieren und auf Augenhöhe behandelt werden, da sind sich viele Beobachter einig. Es wirkt ein einfaches Prinzip: Wenn Amerika in Syrien eingreift, dann können wir das auch.
    US-Interessen in Syrien
    von Thilo Kößler, Auslandskorrespondent Washington:
    Der amerikanische Außenminister musste für diesen Waffenstillstand gleich mit zwei Seiten verhandeln: mit seinem russischen Gegenüber Lawrow und mit den eigenen Militärs, die Russland nicht mehr über den Weg trauen. Schließlich war es Barack Obama selbst, der Kerry grünes Licht gab – denn Obama ist davon überzeugt, dass nur eine politische Lösung diesem entsetzlichen Bürgerkrieg ein Ende machen kann. Und die ist nur mit Russland zu haben – trotz aller Interessengegensätze. Deshalb sind die USA Moskau weit entgegengekommen – zunächst, um in dieser phasenweise verlängerbaren Feuerpause humanitäre Hilfe zu leisten.
    Dann aber auch, um auszuloten, ob es eine Möglichkeit für die Wiederaufnahme der Genfer Friedensgespräche gibt. Dafür war Obama auch bereit, die Frage nach einer denkbaren Nachkriegsordnung für Syrien zunächst auszuklammern und den erhofften Regimewechsel in Damaskus noch nicht einmal zu erwähnen. Priorität hat nun der gemeinsame Kampf gegen islamistische Terrormilizen, wie immer sie auch heißen mögen. Ob aus der einwöchigen Waffenruhe dann tatsächlich eine offizielle militärische Kooperation mit Russland wird, das wird sich erst noch zeigen müssen.