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Russlands doppeltes Spiel im Transnistrien-Konflikt

Als die Sowjetrepublik Moldau ihre Unabhängigkeit erklärte, spaltete sich seinerseits Transnistrien von Moldau ab. Damals schritt die russische Armee ein, um die blutigen Konflikte zu beenden. Deshalb ist Transnistrien bis heute Russland zugewandt, während Moldau mit Europa liebäugelt.

Von Gesine Dornblüth | 22.05.2013
    "Eurasische Region" heißt das Projekt, das hochrangige Vertreter Transnistriens gestern in Moskau vorstellten. Es geht dabei um eine grenzübergreifende Zusammenarbeit Transnistriens, des abtrünnigen Teils der Republik Moldau, mit der benachbarten Ukraine und mit Russland. Das Projekt sei eine Antwort auf die Politik der EU in der Region, erläutert Igor Schornikow, stellvertretender Außenminister Transnistriens.

    "Letztes Jahr haben die Republik Moldau und die EU über eine Freihandelszone verhandelt. Die Interessen Transnistriens wurden bei diesen Verhandlungen komplett ignoriert. Es hieß: Unterwerft euch der Jurisdiktion der Republik Moldau, dann könnt ihr an der Freihandelszone mit der EU teilhaben. Das kommt für uns nicht infrage."

    Die Transnistrier wollen ukrainische und russische Investitionen ins Land holen und so die massenhafte Abwanderung der Menschen aus dem ohnehin dünn besiedelten Landstrich stoppen. Doch auch wenn es zunächst nur um wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit geht – langfristiges Ziel ist der Beitritt Transnistriens zu Russland, daran lassen die Gäste aus Transnistrien keinen Zweifel. Der stellvertretende Außenminister verweist auf ein entsprechendes Referendum im Jahr 2006. Damals sprachen sich 97 Prozent der Transnistrier für die Unabhängigkeit und den anschließenden Anschluss an Russland aus.

    "Wir wären sehr froh, wenn Russland uns endlich schlucken würde. In den russischen Regionen werden die Interessen der Menschen nicht verletzt. Dort gibt es alle Bedingungen für Wohlstand und Entwicklung. Das wäre auch in Transnistrien so, wenn es Teil Russlands wäre."

    In Moskau stößt die transnistrische Initiative auf offene Ohren. Was mit Eurasien zu tun hat, steht in Russland derzeit hoch im Kurs. Präsident Putin möchte eine Eurasische Union gründen, eine Art modernisierte Neuauflage der Sowjetunion, als Gegengewicht zur EU. Transnistrien könne ein Pilotprojekt für die grenzübergreifende Zusammenarbeit im eurasischen Raum werden, heißt es in Moskau. Der Dumaabgeordnete Jaroslaw Nilow prescht vor.

    "Wir müssen ein russisches Konsulat in Transnistrien eröffnen. Warum haben wir eins in Scharm el-Scheich, aber keins in Transnistrien, wo dort doch so viele Menschen die russische Staatsbürgerschaft haben? Wir brauchen Banken in Transnistrien, wir müssen den Tourismus ankurbeln. Wir müssen die Zusammenarbeit im Alltag verbessern, damit am Ende die politische Integration kommt."

    Jaroslaw Nilow ist dafür, Transnistrien als Staat anzuerkennen, lieber früher als später. Doch es gibt ein Problem. Russland ist Teil einer internationalen Verhandlergruppe im Transnistrienkonflikt. Dort gibt Russland vor, neutral aufzutreten. Ex-Präsident Dmitrij Medwedew versprach vor drei Jahren gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel, an einem Kompromiss in der Transnistrienfrage zu arbeiten. Nun sind offenbar deutlichere Worte angesagt. Der Abgeordnete Nilow:

    "Russland darf diese strategisch wichtige Region auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Wir müssen hart auftreten und eine aggressive Integrationspolitik machen, damit Transnistrien ein Sprachrohr Russlands in der Region wird."

    Nilow erntete dafür Zustimmung von allen anwesenden Duma-Abgeordneten. Sein Auftritt bestätigt einmal mehr, auf wessen Seite Russland im Transnistrien-Konflikt wirklich steht. Die Russen sind verärgert über den proeuropäischen Kurs der Republik Moldau. Oleg Kulikow leitet die russisch-moldauische Parlamentariergruppe der Staatsduma. Sie existiert allerdings nur noch auf dem Papier, denn der Dialog zwischen Moskau und Chisinau ist abgerissen, seit die Regierung der Republik Moldau aktiv an der europäischen Integration arbeitet. Kulikow ruft offen zum Machtwechsel in der Republik Moldau auf.

    "Nur wenn in Chisinau andere, prorussische Kräfte an die Macht kommen, statt der derzeitigen aggressiv antirussischen, besteht Hoffnung auf eine Lösung des Transnistrien-Konflikts. Wir jedenfalls werden mit der Republik Moldau keinen Kuhhandel eingehen, der zulasten der Interessen Transnistriens geht."

    Das sind keine guten Vorzeichen für die internationalen Gespräche im Transnistrienkonflikt. Dort sitzen Vertreter Transnistriens, der Republik Moldau, Russlands, der Ukraine und der OSZE an einem Tisch. Die nächste Runde findet noch diese Woche in Odessa statt.