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Russlandwahl-Kandidat
Kommunist mit Schweizer Konten

Sowchosen-Leiter Pawel Grudinin im Wahlkampf: Außenpolitisch hält er die Putin-Linie ein, eine Diskussion über Stalins Verbrechen aber für unnötig. Sein Image als "Kandidat der einfachen Leute" hat allerdings Risse bekommen, als bekannt wurde, dass der Kommunist eine Reihe von Auslandskonten unterhält.

Von Thielko Grieß | 15.03.2018
    Wahlplakat mit dem Kandidaten zur Präsidentschaftswahl in Russland Pawel Grudinin
    Pawel Grudinin ist Direktor eines Unternehmens vor den Toren Moskaus und Kandidat der Kommunistischen Partei (Thielko Grieß (DLR Moskau))
    Zum Melken muss hier niemand mehr die Saugstutzen anlegen. Denn das erledigt ein Roboter. Die Kuh findet von allein den Weg zur Melkstation, Computer analysieren ihre Milch.
    "Schauen Sie mal: Diese Kuh wird planmäßig zehn Minuten und 20 Sekunden lang gemolken, jetzt, nach der Hälfte der Zeit, sind wir schon bei achteinhalb Litern."
    Erfolgreich, automatisierte Produktion wie in Europa üblich
    Artjom Bukin ist 24 Jahre alt und schon Führungskraft in der "Lenin-Sowchose", seine Augen leuchten vor Stolz. Sein Chef ist der Kandidat der Kommunisten und linker Kräfte, Pawel Grudinin. Dieses Unternehmen, südlich von Moskau gelegen, ist erfolgreich. Es hat aus sowjetischen Zeiten zwar den Namen übernommen, seine Produktion aber so automatisiert wie in Europa üblich. Und doch ist die "Lenin-Sowchose" kein ganz normaler Betrieb, denn sie zahlt umfangreiche Sozialleistungen.
    "Für unsere Wohnung habe ich ein zinsloses Darlehen vom Unternehmen bekommen, das ich über 15 Jahre abzahle. Darüber hinaus haben wir einen Kindergarten, eine Schule, eine Poliklinik. Alles kostenlos. Auf dem Land verdient man in Russland kaum mehr als 30.000 Rubel. Wir arbeiten hier in der Landwirtschaft und verdienen durchschnittlich 76.000 Rubel. Ich verdiene etwa 100.000 Rubel."
    Über Umsatz und Gewinn ist nicht alles bekannt
    Das sind etwas mehr als 1.400 Euro. Das Unternehmen unterhält weitere landwirtschaftliche Zweige und betreibt ein ganzes Wohnviertel. Dort sind zuletzt ein Kindergarten und eine Schule gebaut worden, deren Ausstattung in Deutschland übliche Standards bei weitem übertrifft. Über Umsatz und Gewinn des Unternehmens ist nicht alles bekannt, aber klar ist, dass es Ländereien vergoldet hat, als der IKEA-Konzern für eine Filiale aufkaufte. Mit dem Vorbild der Lenin-Sowchose macht Pawel Grudinin Wahlkampf.
    "Ich wohne in demselben Haus, in dem auch unsere Mitarbeiter wohnen. Wir zahlen uns keine Dividenden aus, sondern geben das Geld für dreierlei Zwecke aus: das finanzielle Wohlergehen unserer Arbeiter und Rentner, Soziales und die Modernisierung unserer Produktion."
    Grudinin hat Schweizer Konten nicht geschlossen
    Grudinin benennt Zustände in Russland, die für viele Realität sind: die niedrigen Renten, das ausgedünnte Gesundheitssystem, die Entleerung ganzer Dörfer und der oft obszön anmutende Reichtum einer Klasse, deren Verquickungen mit Staat und Regierung kaum zu durchschauen sind.
    Sein Image als "Kandidat der einfachen Leute" hat allerdings Risse bekommen, als bekannt wurde, dass Grudinin eine Reihe von Konten in der Schweiz unterhält. Um den gesetzlichen Regeln zu entsprechen, hätte er sie vor der Kandidatur sämtlich schließen müssen. Das hat er nicht getan. Er argumentiert, mit dem Geld bezahle er teure und aufwendige medizinische Behandlungen von Verwandten und auch Mitarbeitern, die nur im Ausland möglich seien.
    "In meinem Programm steht ja, dass es besser werden soll, sodass am besten Leute aus dem Ausland hierher kommen, um sich operieren zu lassen."
    Wahlkommission hat ihn gewähren lassen
    Die Wahlkommission hat ihn gewähren lassen. Zur Rhetorik Grudinins gehört außerdem, außenpolitisch die Putin-Linie einzuhalten, also den Syrien-Einsatz als Kampf gegen Terrorismus gutzuheißen und die Annexion der Krim eine Wiedervereinigung mit Russland zu nennen. Der größte Staatsmann des Landes nach seinen Worten: Josef Stalin. Eine Diskussion über dessen Verbrechen hält der Kandidat der Kommunisten für unnötig.
    "Wenn Sie immer wieder versuchen, in der Vergangenheit zu wühlen, wenn Sie immer zurückschauen, haben Sie keine Zukunft. Wir wollen über die Zukunft nachdenken!"
    Grudinins eigene politische Zukunft ist unbekannt. Sollte er sie in der Kommunistischen Partei sehen, müsste er wohl doch noch eine Bedingung erfüllen: Er müsste Parteimitglied werden. Das ist er bislang nicht.