Dienstag, 19. März 2024

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Saarländischer Regierungschef Hans (CDU)
"Die Finanzierung der Grundrente muss generationengerecht sein"

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) fordert eine solide Finanzierung der geplanten Grundrente. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet hätten, müssten auch von ihrer Rente leben können, sagte Hans im Dlf. Dafür dürfe es aber keine einseitige Belastung kommender Generationen geben.

Tobias Hans im Gespräch mit Dirk Müller | 17.01.2020
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes (dpa / Arne Immanuel Bänsch)
Viele Bürger und auch so mancher Beobachter fragen sich immer wieder, was mit dem Geld passiert, was vom Staat mehr eingenommen wird als erwartet, als berechnet. Die Überschüsse summieren sich in den zurückliegenden Jahren auf fast 100 Milliarden Euro. Alleine für 2019 gab es einen Überschuss von 13,5 Milliarden Euro. Dazu noch mehr als fünf Milliarden an Rückstellungen, die nicht gebraucht wurden. Dazu der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU:
Dirk Müller: Herr Hans, was wollen Sie den Steuerzahlern zurückgeben?
Tobias Hans: Es ist zunächst einmal ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung sich nicht als Geizhals der Nation präsentiert in den letzten Monaten. Diesen Eindruck kann man nun wirklich nicht haben, wenn man sieht, dass auch Milliardenbeträge lockergemacht worden sind etwa für den Braunkohleausstieg, für den Ausstieg auch aus der Kohleverstromung, mit Blick auf das Klimapaket, mit Blick auf Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, wo auch noch Geld letztendlich auszugeben ist. Von daher muss man zunächst mal dem Eindruck entgegentreten, dass hier jemand auf einem Geldsack sitzt, wie man das eben gehört hat.
"Wir müssen strukturschwachen Regionen helfen zu investieren"
Müller: Das finden Sie richtig, dass da über 40 Milliarden für die Regionen, für die Kohleregionen in den kommenden Jahren diskutiert wird? Geld der Steuerzahler!
Hans: Es ist Auftrag der Bundesregierung und letztendlich auch grundgesetzlicher Auftrag, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, und wenn uns ganze Industriezweige wegbrechen in Regionen, die dann am Ende strukturschwache Regionen par Excellence sein werden, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass dort auch wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung weiter möglich ist. Ich komme aus dem Saarland, das ist ein solches Bundesland, das nicht im Osten der Republik liegt, von daher großes Verständnis dafür. Auf der gleichen Seite sagen wir natürlich auch, auch das Saarland hat hier Hilfen verdient, mit Blick in etwa auf finanzschwache Kommunen. Deswegen sage ich, man sollte jetzt nicht sich auf die Position beziehen, entweder/oder, entweder man macht Steuersenkungen, oder man investiert. Ich glaube, man kann durchaus es schaffen, auch als Bundesregierung, beides vernünftig zu tun. Das bedeutet, wir müssen Zukunftsinvestitionen tätigen, die auch strukturschwachen Regionen helfen zu investieren, und da sage ich jetzt mal, das ist nicht immer nur eine Frage des Geldes, denn allen Ortens mangelt es nicht unbedingt an Geld, sondern es mangelt an schnellen Entscheidungen, es mangelt an schnellen Verwaltungswegen, an unbürokratischen Lösungen. Deswegen ist es zunächst mal wichtig, hier auch Gesetzgebung so anzupassen, dass in Zeiten der Rezession, falls denn eine kommt, auch neue Investitionen getätigt werden und das Geld abfließt.
Ein Schaufelradbagger arbeitet im Braunkohle-Tagebau Hambach.
Folge des Kohlekompromisses - RWE kündigt Stellenabbau an
Auf den Kraftwerksbetreiber RWE kommen durch die Einigung auf den Kohleausstieg nach Angaben des Konzerns hohe Belastungen zu. Das hat Folgen für die Beschäftigten. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen 6.000 Stellen wegfallen.
Müller: Können wir, Herr Hans, vielleicht ein Beispiel herausgreifen. Sie haben das gerade thematisiert mit der Kohleverstromung respektive mit der Kohlesubventionierung, auch mit den Entschädigungen. RWE: Zwei Milliarden für den Stromkonzern. Ist das Zukunftsinvestition?
Hans: Natürlich muss man schauen, dass man investiert, vor allem auch in Wachstum, vor allem auch in Beschäftigung. Da darf man auch Unternehmen nicht alleine lassen beziehungsweise nicht erwarten, dass das Unternehmen völlig alleine stemmen können.
"Man muss schauen, was passiert mit Beschäftigten"
Müller: Obwohl die damit Geld verdient haben, viele Milliarden in den vergangenen Jahren. Zwei Milliarden für RWE würden Sie unterstützen?
Hans: Ich bin der Meinung, dass man neben der Frage, wie man entschädigt, vor allem jetzt danach schauen muss, was passiert mit Beschäftigten. Deswegen ist es gut, dass gerade gestern auch die Braunkohleländer noch mal mit der Bundesregierung zusammengekommen sind und auch das Thema Anpassungsgelder noch mal diskutiert haben, was ja bislang nur für den Kohlebereich möglich war, über den Abbaubereich möglich war, das aber jetzt auch im Bereich der Verstromung möglich sein wird, denn dort werden wir das brauchen. Das halte ich für wichtig, dass man hier Beschäftigte nicht ins Bergfreie fallen lässt, wenn das auf uns zukommt. Das ist im Übrigen auch aus einer saarländischen Sicht zu begrüßen.
Müller: Das ist ein Ja zur RWE-Entschädigung?
Hans: Ich sage Ihnen an dieser Stelle, dass wir uns gut überlegen müssen, was wir mit Regionen machen, in denen lange Jahre lang Kohle abgebaut worden ist - dazu zählt neben den Braunkohlegebieten auch das Saarland – und in denen jetzt auch das Aus der Kohleverstromung vor der Tür steht.
Müller: Aber es geht ja jetzt um den Konzern.
Hans: Weil auch Konzerne natürlich die Verantwortung getragen haben in der Vergangenheit für diese Wirtschaftsbereiche, von denen wir lange Zeit auch profitiert haben. Deswegen warne ich davor, hier jetzt einfach über diese Dinge hinwegzugehen und zu sagen, da wird schon irgendetwas kommen. Da muss man aufpassen, dass man nicht am Ende eine Situation hat, dass auch der Energiemarkt Deutschland, der für uns wichtig ist, für die weitere wirtschaftliche Entwicklung, in die Knie geht.
"Den Soli komplett abschaffen"
Müller: Darüber will ja auch keiner hinweggehen. Meine Frage jetzt noch mal: Sie finden das richtig, die zwei Milliarden?
Hans: Ich halte es für notwendig, dass man hier auch als Bundesregierung sich in die Pflicht nehmen lässt. Jawohl!
Müller: Sie sagen, die Bundesregierung ist großzügig geworden. Wir alle haben die Debatte um die schwarze Null in den vergangenen Jahren noch in Erinnerung. Auch jüngst ist sie wieder geführt worden – mit der These der Kritiker, dass zu wenig investiert wird. Darum geht es ja. Und die Frage ist, soll das nach dem Gießkannenprinzip passieren? Scholz sagt, Investitionen in Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, Klimawandel, gleichwertige Lebensverhältnisse haben Sie auch gesagt. Das heißt, überall kommt ein bisschen, und das ist die These, deswegen passiert überall ziemlich wenig. Ist das so?
An einer Schallschutzwand prangt der verwitterte Schriftzug "Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" 
Solidarpakt - Sensationeller Erfolg oder gescheitertes Großprojekt?
Nirgendwo haben ökonomische Anpassungsprozesse so schnell stattgefunden wie in Ostdeutschland. Andererseits schwelen auch zum Auslaufen des Solidarpakts immer noch Kränkungen, die ihre Ursache auch im Aufbau Ost haben.
Hans: Nein. Erst mal ist es nicht so, dass wenig passiert. Ich glaube, es kann sich wirklich sehen lassen, was in den vergangenen Monaten, auch im letzten Jahr auf den Weg gebracht worden ist. Dennoch kann ich gut verstehen, dass auch Bürgerinnen und Bürger und dass vor allem auch solche Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmer sind – Unternehmerinnen und Unternehmer sind auch Bürger -, dass sie das Gefühl haben, dass das hier auf ihren Schultern passiert. Deswegen halte ich es schon für wichtig, dass man jetzt an das Thema Soli auch noch mal herangeht, dass man den Soli auch komplett abschafft, auch mit dem Ergebnis, dass gerade mittelständische Unternehmen entlastet werden, dass wir auch hingehen und das Thema Körperschaftssteuer anpacken, weil es auch wichtig ist für die weitere Entwicklung in unserem Land, dass man gerade diejenigen, die in der Vergangenheit Arbeitsplätze geschaffen haben, wo das in der Industrie nicht passiert ist, nämlich unser Mittelstand, dass die endlich auch etwas spüren. Deswegen ist das ein Zweiklang. Man muss hingehen, muss steuerliche Entlastung vorantreiben, muss auf der anderen Seite jetzt vor allem dafür sorgen, dass wir einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen haben in Deutschland, der schnelle Investitionsentscheidungen ermöglicht. Zum anderen muss es auch aufhören, dass wir nach Himmelsrichtungen investieren. Das sage ich ganz selbstbewusst als Ministerpräsident des Saarlandes. Den reichen Westen, den armen Osten, das gibt es in dieser Form in Reinkultur nicht. Gerade mit Blick auf die Kommunen im Saarland, die unter Überschuldung leiden, muss hier was getan werden.
"Finanzierung der Grundrente sichern"
Müller: Mehr Investitionen in den Westen, können wir festhalten? Schon mal ein Punkt.
Hans: Ja, natürlich! Das muss auch passieren.
Müller: Reden wir über den Soli. Den haben Sie gerade freiwillig angesprochen. Sie haben das ja schon mal gefordert, die ganze CDU, die ganze Union hat das gefordert. Dann haben Sie es doch nicht gemacht in der Bundesregierung. Das heißt, jetzt ist das alles wieder neu auf dem Tisch, wegen der 13,5 Milliarden Überschüsse? Haben wir Sie richtig verstanden? Sie wollen den Soli komplett abschaffen?
Hans: Wir haben nie gesagt, dass das Thema vom Tisch ist. Wir haben gesagt, es ist gut, dass wir jetzt einen großen Teil des Soli auch gemeinsam in der Koalition abgeschafft haben. Aber ich halte es für ganz wichtig, dass die Leute auch wissen, wofür die CDU steht, und die CDU steht nicht für die teilweise Abschaffung des Soli, sondern für die komplette Abschaffung des Soli.
Müller: Jetzt haben wir seit gestern auch noch die Grundrente auf dem Tisch, konkret in Gesetzesform beziehungsweise in ein Gesetzesvorhaben geschrieben, formuliert vom Bundesarbeitsminister. Wenn wir das richtig verstanden haben, jetzt in der Kürze, in der Schnelle, soll der Empfängerkreis noch weiter ausgeweitet werden. Wird die Grundrente noch teurer?
Hans: Die Finanzierungsfragen müssen geklärt werden. Der Gesetzentwurf liegt jetzt seit Kurzem vor. Den muss man sich genau anschauen. Ich sage ganz deutlich: Ich stehe zur Grundrente. Ich halte das für absolut wichtig, dass wir Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, ermöglichen, am Ende auch von ihrer Rente zu leben. Das ist ein ur-christdemokratisches Anliegen für mich. Aber wir müssen jetzt sehen, dass die Finanzierung an dieser Stelle so gesichert ist, dass es nicht zu einer einseitigen Belastung kommender Generationen kommt, denn dafür steht die CDU nämlich auch.
"Finanzierung muss generationengerecht sein"
Müller: Haben Sie das auch noch im Hinterkopf, Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung dieses Vorhabens?
Hans: Wir können jetzt nicht anfangen, um ein wichtiges Koalitionsvorhaben anstatt Steuern zu reduzieren neue Steuern noch mal aufzuziehen und sie zu erhöhen. Da muss man sehr vorsichtig sein. Von daher halte ich es für wichtig, dass wir auf Basis des Beschlusses in der Koalition uns jetzt den Gesetzentwurf genau anschauen, und dann gehen wir auch davon aus, dass wir schnell zu einer Lösung kommen.
Müller: Das habe ich jetzt nicht verstanden mit der Finanztransaktionssteuer. Helfen Sie uns da noch mal weiter. Das ist doch weiterhin das Ziel des Finanzministers.
Hans: Der Finanzminister hat dieses Ziel und das mag auch sinnhaft sein. Aber wir können nicht über das ursprünglich ins Auge gefasste Ziel hinausschießen. Wir müssen das im Rahmen der Möglichkeiten machen, die zur Finanzierung da sind.
Müller: Glauben Sie an diese Finanztransaktionssteuer, über die wir auch schon seit zehn Jahren mindestens reden?
Hans: Ich halte es für wichtig, dass man hier vorankommt, dass man das auch nutzt, um den Bürgern zu zeigen, dass bei ihnen was ankommt. Aber ich muss es noch mal sagen: Wenn wir über die Finanzierung der Grundrente reden, muss das eine solide Finanzierung sein und es muss eine sein, die generationengerecht ist.
Müller: Noch ist sie nicht solide?
Hans: Man muss sich den Gesetzentwurf des Ministeriums anschauen. Der ist seit gestern auf dem Tisch.
"Das Phänomen wirklich stark verschuldeter Kommunen"
Müller: Aber da steht ja bei der Finanzierung jetzt nichts Neues drin. Haben wir jedenfalls nicht lesen können.
Hans: Wir werden uns das anschauen. Da bin ich aber äußerst guter Dinge, dass das gelingt, weil die Grundrente ein Projekt beider Koalitionspartner ist und wir dazu stehen in der Union.
Müller: Altschulden der Kommunen, auch ein Stichwort, auch von Olaf Scholz ein Stichwort. Sehr umstritten, auch in der Union, zwischen CDU und CSU, wenn es darum geht, Kommunen durch Steuermittel, durch Bundesmittel zu entlasten. Sie machen mit?
Hans: Auf jeden Fall! Das Saarland ist das Bundesland, das flächendeckend von diesem Phänomen wirklich stark verschuldeter Kommunen bedroht ist. Das hat etwas mit unserer Altlast zu tun als Montanregion. Da können die Kommunen nichts dafür. Wir haben als Saarland vorgelegt. Wir haben mit Beginn diesen Jahres die Hälfte der Kassenkredite der saarländischen Kommunen auf das Land übertragen, haben unsere Hausaufgaben gemacht. Auf der anderen Seite müssen die Kommunen jetzt dafür sorgen, dass ihre verbleibenden Kassenkredite ebenfalls abgetragen werden. Das werden sie aber ohne Hilfe auch nur schwer schaffen. Deswegen wäre es gut, wenn der Bund hier hälftig komplementär mit eintritt, und da kommen wir in eine Situation, wo es auch um die Solidarität in unserem Land geht. Das bedeutet, es müssen auch Regionen akzeptieren, in denen es diese schwerwiegende Verschuldung der Kommunen nicht gibt, dass dann mal Gelder auch in die Bereiche gehen, wo es dringend gebraucht wird. Das trifft das Saarland, das trifft Nordrhein-Westfalen, das trifft Hessen und es trifft vor allem auch Rheinland-Pfalz.
"Es wäre falsch, Länderinteressen gegeneinander auszuspielen"
Müller: Sie meinen jetzt Markus Söder unter anderem mit Blick auf die Länder, die das vielleicht nicht nötig haben. – Werden Sie ihn überzeugen können?
Hans: Wir haben in der Runde der Ministerpräsidenten sehr intensiv darüber diskutiert und Olaf Scholz hat auch den Auftrag erhalten, von allen Ministerpräsidenten, hier die Gespräche zu führen mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass nicht einzelne Regionen Deutschlands in Form von Kommunen abgehängt werden von der wirtschaftlichen Entwicklung. Das hätte nämlich mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts zu tun. Es braucht hier wirklich eine Lösung.
Müller: Bayern macht mit?
Hans: Da müssen Sie selbstverständlich den bayerischen Ministerpräsidenten fragen. Ich bin aber sicher, dass er wie in der Vergangenheit, wo wir auch gemeinsam an einem Strang gezogen haben, auch seitens der Bundesländer es schaffen, hier eine Lösung zu finden. Jedenfalls hielte ich es für völlig falsch, hier die Länderinteressen auch gegeneinander auszuspielen. Dann hätte man einen Bärendienst erwiesen. Hier, glaube ich, ist aber der Bundesfinanzminister auf einem guten Weg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.