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Saarland-Wahl 2004
Auch Bundespolitik schuld an Wahldebakel der SPD

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Everhard Holtmann ist nicht allein die saarländische Politik für die Wahlschlappe der SPD bei der Landtagswahl verantwortlich. Auch die Bundespolitik habe der SPD "gehörig ins Kontor gehagelt", sagte Holtmann. Dennoch bliebe der Partei nichts anderes übrig als an ihrem Reformkurs festzuhalten, um nicht den "letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Zuspruch" zu verlieren.

Everhard Holtmann im Gespräch mit Peter Lange |
    In den 80er Jahren hat das Saarland einen Oskar bekommen, nun hat es den schwarzen Peter und behält ihn weitere fünf Jahre. Die Wahl gestern war eine Personenwahl, ganz sicher, aber auch überlagert von dem bundespolitischen Reizthema Nummer eins, Arbeitsmarktreform. Und so kassierte die SPD von Heiko Maas schicksalsergeben die nächste in einer langen Reihe von Wahlschlappen. Ihre Wähler blieben schlicht zu Haus, was FDP und den Grünen behilflich war, um über die fünf Prozent zu kommen und sich auch als Sieger zu fühlen. Der ganz große Sieger, das war Peter Müller, dem die Verteidigung der Regierungsmacht mit einem leichten Ausbau der absoluten Mehrheit gelang. Was lässt sich aus dem saarländischen Wahlergebnis ablesen für die kommenden Wahlen in Brandenburg und Sachsen und was sagt es aus über die bundespolitischen Trends und Konstellationen? Am Telefon begrüße ich Professor Everhard Holtmann, er ist Politikwissenschaftler an der Universität Halle. Guten Morgen, Herr Holtmann.
    Everhard Holtmann: Guten Morgen, Herr Lange.

    Lange: Der Erfolg der CDU im Saarland hat sicher mit der Person Peter Müllers zu tun, wie beurteilen Sie denn den Anteil bundes- und landespolitischer Einflüsse an diesem Ergebnis?

    Holtmann: Die Saarländer selbst haben zu einem großen Teil bei den letzten Umfragen gesagt, dass der Anteil der Bundespolitik für ihre Erwägung, die eine oder andere Partei zu wählen oder nicht zu wählen, vergleichsweise klein gewesen sei. Überraschend kleiner ist diese Relation als wir das bei anderen Landtagswahlen gewohnt sind. Allerdings schaut man genauer hin auf jene, die sich der SPD diesmal verweigert haben, dann schnellt der Anteil derer, die bundespolitische Erwägungen deutlich machen, doch erkennbar hoch. Also die Bundespolitik hat auch der SPD diesmal gehörig ins Kontor gehagelt.

    Lange: Für die CDU ist es ein sensationeller Erfolg, hat Angela Merkel gestern erklärt. Trotzdem zeigt das Wahlergebnis nicht auch, dass das immer noch eine, nennen wir es mal, geborgte Stärke der Union ist, überwiegend aus der Schwäche der SPD resultierend?

    Holtmann: Diese Überlegung ist sicherlich zutreffend. Denn wir sehen eine Tendenz, die sich im Grunde genommen schon bei den Europawahlen anzudeuten begann und die auch zunächst durch das große Wahlergebnis der CDU überlagert worden ist. Das heißt, es gibt eine Tendenz zur Umschichtung von Wählerpräferenzen zu Lasten beider großen Parteien und zu Gunsten kleiner Parteien. Und darüber hinaus reicht diese relative Stärkung kleiner Parteien über den Rand des demokratischen Spektrums hinaus. Man sieht, neben der PDS wurde ja insbesondere auch die rechtsextreme NPD gestärkt.

    Lange: Und so sehr hat die CDU von dieser niedrigen Wahlbeteiligung auch gar nicht profitiert.

    Holtmann: Sie hat von der niedrigen Wahlbeteiligung nur in einem bescheidenen Ausmaß profitiert und lenkt man den Blick von den Prozentwerten auf die absoluten Stimmenzahlen, so ist auch zu bemerken, dass die CDU eben diesmal absolut nicht so viele Wähler hat mobilisieren können als bei den letzten Landtagswahlen.

    Lange: Was bleibt denn jetzt der SPD in dieser Situation übrig zu tun? Reicht es, dem Rat des schwedischen Ministerpräsidenten Persson zu folgen, Augen zu und durch, es wird auch wieder besser?

    Holtmann: Das mutet schon fast wie eine Art ritualisierte Selbstbeschwichtigung an, aber es ist wohl in der Tat so, es ist zwar mit jeder weiteren desaströs verloren gehenden Zwischenwahl innerhalb der SPD und auch innerhalb der Fraktion sicherlich schwieriger diesen Kurs fortzusetzen, aber würde die Regierung, die Bundesregierung jetzt deutlich einknicken, dann würde sie gewissermaßen den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Zuspruch verlieren. Es bleibt in der Tat nichts anderes übrig, als diesen Kurs konsequent fortzusetzen.

    Lange: Aber kann die SPD wirklich noch Wahlen gewinnen, wenn ihre Anhängerschaft, Mitgliedschaft vor allem diese Reformpolitik, na sagen wir mal, mit zusammengebissenen Zähnen erträgt.

    Holtmann: Es ist nun andererseits auch so, dass innerhalb der verbliebenen SPD-Wählerschaft aber auch darüber hinaus, sich die Grundeinschätzung, dass diese Reformen in die richtige Richtung gingen, verstärkt hat. Und wir sehen auch in den bundesweiten Umfragen Anzeichen dafür, dass die SPD, wenngleich auf niedrigem Niveau, sich zu konsolidieren beginnt. Und es ist nicht auszuschließen und aus Sicht der SPD ist das ja auch der Strohhalm, an den man sich klammert, dass wenn sich die Arbeitsmarktsituation a la longue ändert und wenn, was sich anzudeuten scheint zumindest im Bereich der anderen kritischen Reform, nämlich der Gesundheitspolitik, die Reformziele sich allmählich auszuprägen beginnen, dass dann auch die Gesamtwetterlage sich wieder zu Gunsten der SPD ändert und man aus dem Tal der Tränen herauskommen kann.

    Lange: FDP und Grüne, Herr Holtmann, haben die Rückkehr in den saarländischen Landtag geschafft. Wer von beiden hat denn nun eher Grund etwas erleichtert aufzuatmen und sich vielleicht auch etwas entspannt zurückzulehnen?

    Holtmann: Nun, ich denke für beide kleinen Parteien ist es aus ihrer Sicht ein Erfolg in einen weiteren Landtag, in dem sie ja auch bisher nicht vertreten waren, einzurücken. Damit wird auch das demokratische Wechselspiel, auf der einen Seite zwar komplizierter, aber es öffnet sich auf der anderen Seite ja eben auch für die Parteien regional, die auch in der Bundespolitik als Juniorpartner der einen oder anderen großen Parteien in Frage kommen.

    Lange: In 14 Tagen stehen die nächsten Wahlen an in Brandenburg und in Sachsen, das ist ja ein noch schwierigeres Terrain was die Akzeptanz der Reformpolitik angeht und da dürfte es vielleicht auch weniger Hemmungen bei den Wählern geben, das Kreuz links von der SPD und rechts von der CDU zu machen. Also, welche Konsequenzen sollten die beiden großen Parteien dort in der Endphase des Wahlkampfs jetzt ziehen?

    Holtmann: Nun bleibt für die beiden großen Parteien gewiss nicht mehr allzu viel Zeit, in dieser Schlussphase des Wahlkampfs noch einmal neu und für größere Wählerschichten überzeugende Akzente zu setzten. Aber auch hier kann man sagen, es muss darum gehen, deutlich zu machen, dass auf der einen Seite die Reformen inhaltlich im Grunde genommen keine andere Alternative haben, man darf sich nicht wegducken, wenn schrille Töne die Wahlkampfszenerie zu bestimmen drohen und auf der anderen Seite müssen die Politiker, die diese Politik verkörpern gerade in konflikthaften, in kritischen Situationen in der Öffentlichkeit diese Politik vertreten. Ob das nun zu erkennbar besseren Wahlergebnissen führen wird, das ist eine große Frage. Die Umfragen deuten darauf hin, dass sich gewisse Tendenzen in den beiden kommenden ostdeutschen Wahlen möglicherweise eher verstärken werden. Aber man sollte andererseits auch jetzt nicht aus einem Erfolg extremer Parteien, rechtsextremer Parteien, eine gewisse Automatik machen. Es hängt wie gesagt davon ab, ob es den großen Parteien gelingt, doch noch mehr an nachdenklichen Wähler zu mobilisieren.

    Lange: Also, es ist in erster Linie jetzt von Saarland aus betrachtet, eine Mobilisierungsfrage?

    Holtmann: Es ist eine Mobilisierungsfrage und es ist auf der anderen Seite ein Akzeptanzproblem, was sich mit den Reformen verbindet.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Everhard Holtmann, er ist Politikwissenschaftler an der Universität Halle. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Holtmann: Bitte schön, auf Wiederhören.