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Sachsen-Anhalt will mit Personalabbau Haushalt sanieren

Sachsens-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn hat für die neuen Bundesländer Fehler bei der Verwendung der Gelder aus dem Solidarpakt eingeräumt. Entscheidend für die künftige Haushaltslage in Ostdeutschland sei es, die Neuverschuldung im Verhältnis zu den Investitionen zu drücken, sagte der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. In Sachsen-Anhalt müssten dazu bis 2020 jährlich mindestens 2000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung gestrichen werden.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Das Thema kommt mit schöner Regelmäßigkeit auf die Tagesordnung. Die Befunde ähneln sich, es ändert sich aber offenbar wenig. Das Geld für den Aufbau Ost wird teilweise falsch eingesetzt, verschwendet, oder die Ausgaben stimmen einfach nicht mit dem entsprechenden Gesetz überein, so die Vorwürfe. Diesmal ist der Anlass eine Studie eines Dresdner Finanzwissenschaftlers. Von jedem Euro, so die Analyse, werden 50 Cent im Durchschnitt falsch eingesetzt. In Sachsen-Anhalt beträgt nach diesen Berechnungen die Fehlerquote 79 Prozent.

    Seit wenigen Wochen dort im Amt des Finanzministers ist Jens Bullerjahn. Er ist auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender. Er hat erst wenige Entscheidungen in diesem Bereich mitzuverantworten und kann nun sagen, ob und wie er es anders machen möchte. Schönen guten Morgen, Herr Bullerjahn!

    Jens Bullerjahn: Schönen guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Wird Ihre Bilanz unter Ihrer Regie in Sachsen-Anhalt denn besser ausfallen?

    Bullerjahn: Natürlich muss ich jetzt ja sagen. Ich bin ja schon seit einigen Jahren auch in der Finanzpolitik, seit über zehn Jahren. Es ist sicherlich nicht wegzudiskutieren, dass einiges von dem, was Professor Seitz, den ich persönlich gut kenne, schreibt, sicherlich richtig ist.

    Klein: Das ist der genannte Finanzwissenschaftler aus Dresden.

    Bullerjahn: Das ist der Finanzwissenschaftler. Aber manches ist sicherlich auch nicht ganz so verschärft zu sehen. Es ist richtig: Wir haben eine zu hohe Verschuldung, Neuverschuldung, auch eine inzwischen angesammelte Gesamtverschuldung. Da bin ich mit Professor Böhmer, unserem Ministerpräsidenten, einig: Da muss in den nächsten fünf Jahren eine Null hin. Sonst schaffen wir das gar nicht mehr, den Haushalt auszugleichen. Wir haben zu viele Verwaltungsstrukturen. Deswegen wollen wir flächendeckend die Einheitsgemeinden, die Landkreise halbieren. Das ist schon beschlossen. Wir haben zu viel Personal. Dieses Verhältnis, Personalkosten, Neuverschuldung, zu den Investitionen, ist eben nicht richtig.

    Auf der anderen Seite haben die ostdeutschen Länder zu geringe eigene Steuereinnahmen, und da müssen wir schauen, was wir in den nächsten Jahren noch verändern können durch Wachstum.

    Klein: Wenn Sie sagen, Einsparungen sollen jetzt vorgenommen werden, um die Schulden zu begrenzen, auf null zu fahren. Sie möchten es anders machen in Zukunft. Weshalb ist es denn bisher nicht passiert?

    Bullerjahn: Na gut, es ist in den letzten Jahren - das gilt für alle Landesregierungen Sachsen-Anhalts; da will ich keine Partei, die regiert hat, freisprechen -, was die Strukturveränderungen angeht, sicherlich nicht die Konsequenz an den Tag gelegt worden. Da waren andere Länder schneller. Trotzdem - das muss man auch gelten lassen in Sachsen-Anhalt - haben wir enorm viel investiert. Sachsen-Anhalt hat durch seine großen Strukturen, also Kombinate, sehr viel mehr investieren müssen als andere Länder, die kleinteiligere Wirtschaftsstrukturen hatten. Das soll aber nicht als Entschuldigung gelten. Ich will nur dafür werben, dass man das auch sieht, was mit den Mitteln auch gemacht wurde. Die Städte haben sich verändert, die Dörfer, die Infrastruktur ist nahezu gerade überregional vollständig fertig. Wir haben Hochschulen, die ausgebaut wurden. Aber die Achillesferse ist eben das Thema Verwaltung bei uns, Personalkosten, und da müssen wir in den nächsten fünf Jahren etwas machen, weil, wenn das nicht gelingt, durch die zurückgehenden Solidarpakt-Mittel ab dem Jahre 2009, das überhaupt nicht mehr in den Griff zu kriegen ist. Das ist jetzt allen klarer, allen bewusster. Deswegen müssen wir das machen. Wir wollen eine sehr verbindliche Finanzplanung im nächsten Monat vorlegen.

    Klein: Es gibt Kritik an allen ostdeutschen Bundesländern in dieser Richtung, außer an Sachsen. Weshalb gelingt dem Freistaat eigentlich, was anderen nicht gelingt?

    Bullerjahn: Das muss man sagen. Sachsen hat mit Professor Biedenkopf von Anfang an nicht so sehr auf die Hoffnung gesetzt, wie viele Menschen in Deutschland 1990, dass es sich alles so gut wenden wird, dass ab sagen wir mal 2010 die Steuereinnahmen so sprudeln, dass das, was man am Anfang an Strukturveränderungen noch nicht gemacht hat, sich irgendwie erledigen wird. Das muss man wirklich sagen. Es nützt aber nichts. Bei bestimmten Grunddaten wie Steuereinnahmen ist Sachsen auch nicht so viel besser, bei der Arbeitslosigkeit, aber bei der Frage der Neuverschuldung von Anfang an. Da ist Sachsen besser. Ich weiß ja auch, dass Professor Seitz ein großer Fan der Sachsen ist. Das ist auch okay. In diesem Punkt kann man auch manches konsequenter übernehmen, was Sachsen gemacht hat, die größeren Landkreise, die anderen Strukturen, den Abbau beim Personal. Sachsen hat am Anfang gleich Lehrer entlassen, während wir ja versucht haben, über Teilzeit das zu lösen. Jetzt haben wir das Problem, dass wir immer wieder nachsteuern müssen, immer wieder Strukturveränderungen vornehmen müssen. Aber das ist Geschichte. Ich kann es auch nicht ändern.

    Klein:! Aber Sie sagen jetzt, Herr Bullerjahn, Personalabbau wird bei Ihnen auch zunehmend ein Thema sein. Sie werden sich in dieser Frage an Sachsen also ein Beispiel nehmen. Wie wird das konkret aussehen in Ihrem Bundesland?

    Bullerjahn: Ist ja schon in den letzten Jahren. Ich habe ja gesagt ab '90. Da gab es Unterschiede. Die sind bis heute nicht ganz aufgebrochen worden. Es ist so, dass in den letzten sagen wir sieben, acht Jahren jede Landesregierung in Sachsen-Anhalt über 2000 Stellen abgebaut hat. Das heißt: Das wird so bleiben. Wir werden auf Grund der rückläufigen Bevölkerung – das ist auch wieder in Sachsen-Anhalt von der Zuspitzung her das schwierigste Verhältnis – bis zum Jahr 2020 mindestens jedes Jahr 2000 Stellen abbauen müssen, um 200, 300 neue auch zu schaffen, damit junge Menschen auch in die Verwaltung kommen, und werden dann erreicht haben, dass wir eine Verwaltung haben im Land, die um ein Drittel kleiner ist. Von der Anzahl und von der Struktur her werden wir sehr viel verändern müssen. Das gibt dauernd Diskussionen, aber die werden wir führen müssen. Dann haben wir es geschafft, auf diesem Weg auch im Sinne des Solidarpaktes bis 2019 aufzuzeigen, dass wir ohne Transfers auskommen können.

    Klein: Sie geloben jetzt in gewisser Weise Besserung, bis dieser Zustand erreicht ist. Stehen Sie aber dazu, die Solidarpaktmittel werden weiterhin nicht gesetzesgemäß verwendet?

    Bullerjahn: Finanzpolitisch und haushaltspolitisch hat der Professor Seitz Recht. Das weiß doch jeder, und es hat auch keinen Sinn, das wegzudiskutieren. Es hat aber auch keinen Sinn, jetzt irgendwelche Horrorszenarien an die Wand zu malen. Es ist ja nicht so, dass das Geld irgendwo vergraben wird. Aber dieses Verhältnis Neuverschuldung, Verwaltungskosten zu Investitionskosten, das muss sich verbessern. Deswegen finde ich die Debatte auch richtig, und deswegen sind ja die ostdeutschen Minister für Finanzen auch eingeladen zu Peer Steinbrück - ich glaube nächste Woche ist das -, um darüber zu reden, wie wir das für die Zukunft ändern können. Das ist das, was ich immer auch ein bisschen herausnehme aus diesen Debatten, nach vorne besser zu werden. Nach hinten kann ich es eh nicht ändern.

    Klein: Es gibt jetzt Vorschläge, unter anderem von Klaus von Dohnanyi hier gestern bei uns im Programm, die Vorgaben zu ändern. Er sagte, man sollte Investitionen nicht so sehr festmachen jetzt nur an dem, was man in Beton erkennen oder bauen kann, sondern auch andere Mittel. Das halten Sie aber nicht für notwendig?

    Bullerjahn: Doch, die Debatte ist richtig, und die führen wir auch schon seit einigen Jahren, weil es unsinnig ist, sich zu freuen, dass eine Investitionsquote dann hoch ist - das hat etwas mit der Haushaltssystematik zu tun, also Strukturfragen -, wenn wir hier sagen wir mal Investitionen in Beton haben, wie Sie das gerade gesagt haben, und Personal per se als schlecht ansehen. Darunter fallen aber auch Lehrer und Professoren drunter. Nur jedes Mal, wenn wir die Debatte hier führen, heißt es dann öffentlich, na ja, die wollen nur kaschieren, dass sie sich nicht weiterentwickeln wollen, dass sie nicht abbauen wollen. Deswegen bin ich da ein bisschen vorsichtiger. Diese Haushaltssystematik, die wir in Deutschland haben, ist nicht mehr der Zeit entsprechend. Da müssen andere Betrachtungen, andere Strukturen her. Wir führen die Debatte, aber nicht so vordergründig, um dieser Diskussion nicht ständig ausgesetzt zu sein, wir wollen hier nur tricksen.

    Klein:! Dohnanyi sagt auch, im Zweifel müssten eventuell Sanktionen kommen. Wären Sie damit auch für Ihr Land einverstanden?

    Bullerjahn: Das bringt doch nichts. Nehmen wir mal an, es würde jetzt ein Viertel der Solidarpaktmittel gestrichen werden. Dadurch würde das Problem nur größer. Man muss auch Fairerweise zugeben, von diesen Solidarpaktmitteln – bei uns 1,6 Milliarden – geht mittlerweile weit über ein Viertel drauf für die Zusatz- und Sonderrenten. Das heißt, man ist auch nicht ganz ehrlich miteinander bei diesen ganzen Diskussionen und die werden ja sozusagen eins zu eins gleich weggenommen. Das, was wir an mehr Steuerkraft entwickeln, wird ja beim Länderfinanzausgleich auch abgezogen. Das heißt, wir haben mehrere konvertierende Röhren im System, über die auch kaum einer spricht. All das miteinander auf der Ebene der fachlich politisch Zuständigen zu führen, immer wieder darauf hinzuweisen, Länder oder Land A, B, C, du musst da besser werden, halte ich für besser. Da ist die Energie der Diskussion, auch der politischen Auseinandersetzung besser angelegt, als jetzt über Sanktionen nachzudenken.

    Klein: Herr Bullerjahn, noch zum Schluss. Sie selbst haben vor einigen Monaten hier bei uns im Programm die Zusammenlegung von Ländern mal wieder ins Spiel gebracht, zum Beispiel die von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, auch vor dem Hintergrund der Finanzsituation. Wie stark verfolgen Sie eigentlich noch diesen Gedanken?

    Bullerjahn: Ich habe das in den letzten Jahren gesagt, ich habe das im Wahlkampf gesagt, und ich halte das für heute auch nach wie vor für richtig. Die Länder müssen ihre Hausaufgaben machen in ihrer jetzigen Struktur. Ich habe ja einiges davon erwähnt. Am Ende steht aber im Jahre 2020 ein Land Sachsen-Anhalt mit vielleicht ungefähr 2,1 Millionen Einwohnern, mit einer Wirtschaftskraft, die ausreicht, die Menschen hier zu versorgen, aber die nicht ausreicht, um Wirtschaftsräumen wie Stuttgart, München, Nürnberg im Sinne von überregionaler Wirtschaftskonkurrenz positiv als Konkurrent entgegenzutreten. Aus diesem Grunde werbe ich nach wie vor gerade im mitteldeutschen Raum dafür, die Kooperation zu vertiefen und dann auch das, was sich entwickelt im Bereich Wirtschaft, Wissenschaft, Infrastruktur, auch staatlich nachzuvollziehen. Ich kriege immer mehr Leute, die das ähnlich sehen, und ich weiß, dass das ein Prozess ist, aber ich halte ihn nach wie vor für richtig.

    Klein: Aber mal im Ernst: Wie stark stehen Sie dahinter? Denn an einer Volksabstimmung - und das ist ja wohl die entscheidende Hürde dafür - führt natürlich nichts vorbei und auch in Sachsen-Anhalt nichts.

    Bullerjahn: Natürlich, aber wenn es uns gelingt, gerade im mitteldeutschen Raum immer mehr Fördermechanismen anzugleichen, auch Kooperationsverträge, Staatsverträge anzugleichen. Ich habe mit dem Dr. Metz - das ist der sächsische Finanzminister - ein sehr gutes Verhältnis an der Stelle. Wir überlegen gemeinsam, eine mitteldeutsche Sparkasse zu entwickeln. Warum nicht eine mitteldeutsche Universität entwickeln, die zu den Großen Deutschlands gehört? Dann wird das in den nächsten Jahren immer mehr dazu führen, dass auch die Strukturen, die Menschen, die Verwaltung immer mehr dahinter stehen. Ich habe es ja erlebt, dass wir kurz vor den Wahlen in Sachsen-Anhalt in den Zeitungen Umfragen schalteten, wie ist es denn mit Mitteldeutschland, wo die CDU gedacht hat, dass das gegen uns läuft, und über 50 Prozent in der Region dann dafür waren, auch diesen Zusammenschluss herbeizuführen. Ich bin mir also sicher: Wenn wir als Politik, wenn wir davon überzeugt sind, wenn wir den Leuten zeigen, was da an Vorteilen entstehen kann, an Chancen und Entwicklung der Menschen, wo dann auch jüngere Menschen in diese Region kommen, dann werden die Menschen auch mehr dahinter stehen. Das ist eine Aufgabe, der muss man sich stellen, und ich werbe da nach wie vor.

    Klein: Jens Bullerjahn, Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bullerjahn.

    Bullerjahn: Bitteschön.