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Sachsen-Anhalt
Zoff um Landwirtschaftspläne

Ökolandbau fördern, Tierschutz in den Vordergrund stellen - so der Tenor des Leitbildes "Landwirtschaft 2030 Sachsen-Anhalt". Doch Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) muss für ihr Papier viel Kritik einstecken. Nicht nur Bauernverbände laufen Sturm - auch in der Koalition gibt es Streit.

Von Christoph Richter | 26.04.2018
    Claudia Dalbert (Grüne), Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Sachsen-Anhalt, spricht am 21.01.2018 in Magdeburg auf einem außerordentlichen Kleinen Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen.
    Claudia Dalbert, Landwirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, bekommt Gegenwind für ihr Strategiepapier (picture-alliance / dpa / Peter Förster)
    Das Leitbild "Landwirtschaft 2030 Sachsen-Anhalt" umfasst gerade mal 14 Seiten. Doch es bietet Stoff für handfesten Koalitionszoff innerhalb der schwarz-rot-grünen-Kenia-Koalition. Tenor des Papiers: Der Tierschutz solle bei der Tierhaltung im Vordergrund stehen. Der Ökolandbau müsse umfänglich gefördert werden, die konventionellen Landwirte dagegen, sollten sich den veränderten Bedingungen anpassen.
    Alles Gründe, warum 15 Landwirtschaftsverbände gegen dieses Leitbild Sturm laufen, darunter der mächtige Bauernverband Sachsen-Anhalt, der die großen Agrargenossenschaften vertritt. Aber auch die Schäfer, die Waldbesitzer, die Schweine- und Geflügelzüchter können mit dem Leitbild "Landwirtschaft 2030 Sachsen-Anhalt" nur wenig bis nichts anfangen.
    Landwirt Jochen Dettmer – SPD-Mitglied - und Verbandspräsident des Bauernbundes – kritisiert, dass im Leitbild nicht zum Ausdruck komme, wie der Verkauf von Land und Hof künftig geregelt werde: Ob Investoren bzw. juristische Personen oder der ortsansässige Landwirt bevorzugt werden soll.
    "Wir befürchten, dass die Privilegierung der bäuerlichen Familienbetriebe, der jungen Hofnachfolger hinten runterfällt. Das wir nicht mehr lenkend einwirken können. Es geht um die Genehmigungsfrage großer Kapitalgesellschaften, dazu braucht es Ausschlusskriterien, die muss man klar und deutlich formulieren."
    Das fehle aber im Leitbild 2030. Landwirt Dettmer besitzt einen 80 Hektar großen Hof in der nördlichen Börde. Unter dem Stichwort Wettbewerbsgleichheit, fordert er zudem Obergrenzen bei EU-Direktzahlungen, sodass bäuerliche Familienbetriebe mit Agrargenossenschaften gleichgestellt werden, die bisher ungleich mehr bekommen, als der Landwirt vor Ort.
    Konventionelle Betriebe lehnen das Leitbild ab
    Bernhard Daldrup ergänzt, wenn man die Landwirtschaft nur noch ökologisch ausrichte, vergesse man die konventionell arbeitenden Landwirte, die im Land die überwiegende Mehrheit stellen. Deren Interessen kämen im Leitbild 2030 einfach nicht vor, so Daldrup weiter. Er ist CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Harz und der Vorsitzende des mächtigen Landwirtschaftsausschusses im Magdeburger Landtag.
    "Wir können ja kein Leitbild schreiben, dass grüne Parteiprogrammatik ist. Stattdessen müssen wir schauen, was in Sachsen-Anhalt wirklich die Probleme sind."
    Der CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff habe versprochen, so Daldrup weiter, ohne die Zustimmung der Verbände und der CDU-Fraktion, werde von dem Leitbild nichts umgesetzt. Der Sinn eines solchen Papiers sei es doch, ein gemeinsames Handlungsziel aller Verbände zu formulieren. Das wurde versäumt, ergänzt Daldrup, weshalb der Text nicht mal das Papier wert sei. Die Konzentration der Landwirtschaft auf kleine Tierställe und regionale Schlachthöfe, sei schlicht illusorisch.
    Ministerin Claudia Dalbert von Bündnis 90/Die Grünen kann mit den Vorwürfen wenig anfangen. Mit der Erstellung des Leitbilds "Landwirtschaft 2030 Sachsen-Anhalt" sei ein Anfang gemacht, um eine Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft anzustoßen. Formuliert wurden 38 Ziele…
    "…die sich beschäftigen mit der Produktionsausrichtung. Also, wie muss ich mich als landwirtschaftlicher Betrieb aufstellen, damit ich auch noch 2030 gute Erträge erwirtschaften kann. Es geht um Fragen des Tierwohls, es geht um Fragen des Umwelt- und Ressourcenschutzes. Es geht um Fragen der Fachkräftesicherung. All das steckt im Leitbild 2030 drin."
    Koalitionsvertrag sieht Erweiterung des Ökolandbaus vor
    Und sie beziehe sich lediglich auf den Koalitionsvertrag, indem verankert ist, den Ökolandbau auf 20 Prozent der Flächen zu erweitern, derzeit sei man bei etwa 7 Prozent. Da gebe es noch viel zu tun, ergänzt die Umweltministerin. Und kritisiert die Verbände, die aus dem moderierten Diskussionsprozess um das Leitbild 2030 nur wegen persönlicher Animositäten ausgestiegen seien, weniger wegen fachlicher Differenzen, so Dalbert weiter.
    "Ich glaube einfach, dass es für viele grundsätzlich schwer zu ertragen ist, eine grüne Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie zu haben. Damit müssen sie sich aber noch mindestens drei Jahre abfinden. Und vielleicht auch noch nach der Wahl, das werden wir dann sehen."
    Im Gegensatz zu den Grünen, lehnen auch die Koalitionspartner SPD und CDU den Zukunftsentwurf der sachsen-anhaltischen Landwirtschaft ab. Dort heißt es nur: Der Prozess ist gescheitert. Das Leitbild 2030 sei lediglich ein persönlicher Text der Ministerin, nicht mehr. Doch er hat die großen Differenzen innerhalb der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt abermals offengelegt.