Archiv

Sachsen
Klimaschutzcamp im Braunkohle-Revier

Wie passen Klimaschutz und Wachstum, Strukturwandel und soziale Fragen zusammen? Im Spannungsfeld des örtlichen Braunkohleabbaus veranstalten Aktivisten gerade im sächsischen Pödelwitz ein Klimacamp: Einheimische kämpfen darum, bleiben zu dürfen und Arbeitnehmer um ihre Jobs.

Von Bastian Brandau |
03.08.2019, Sachsen, Pödelwitz: Transparente hängen in dem vom Braunkohleabbau bedrohten Dorf.
Vom 03. bis zum 12.08.2019 findet in Pödelwitz das 2. Klimacamp Leipziger Land statt (dpa / Sebastian Willnow )
"Wir sehen hier eine große Gruppe Menschen, die sich ganz angeregt unterhält in Kleingruppen." Nina Beck blickt über den Hauptplatz des Klimacamps in Pödelwitz. Zelte in unterschiedlichen Größen sind auf einer Wiese am Dorfrand aufgestellt.
"Wir sehen ganz viele Workshopzelte, wo jetzt gerade am Vormittag die erste Workshoprunde stattfindet und auch Kurse von der Degrowth Sommerschule, die in diesem Jahr wieder im Klimacamp zu Gast ist. Es geht um ganz verschiedene Themen, um Skizzen einer Postwachstumsgesellschaft, um sozialökologische Transformation und natürlich um die Klimagerechtigkeit, also die globale Perspektive auf die Klimakrise."
Aktivisten lernen, selbst Strom zu produzieren
Beck gehört zum Orga-Team des Pödelwitzer Klimacamps. Bis zu 1.000 Menschen sind in dieser Woche in das Dorf bei Leipzig gekommen, das von der Abbaggerung bedroht ist. Das Camp sei ein Ort der Vernetzung.
"Es ist ein sehr empowernder, ermächtigender Raum, zu spüren, dass gleichgesinnte Menschen auch für eine gerechtere Welt einstehen. Es ist ein Ort der Bildung, neue Impulse in den Diskursen zu bekommen, auch praktische Sachen zu lernen, wie zum Beispiel Stromversorgung selber machen."
Photovoltaikmodule und ein Windrad produzieren Energie, die in Batterien gespeichert wird.
Pödelwitz bleibt - oder?
Landwirt Jens Hausner hat mit nach Pödelwitz eingeladen. Ein Großteil der Menschen hat vor einigen Jahren ein Angebot des Energieunternehmens Mibrag angenommen und ist weggezogen. Hausner ist geblieben und Sprecher der Bürgerinitiative "Pödelwitz bleibt" - und davon überzeugt, dass sein Dorf eine Zukunft hat:
"Hier in Pödelwitz gibt es ja noch nicht mal eine bergrechtliche Genehmigung, um den Ort in Anspruch zu nehmen. Und mir erschließt sich nicht, wieso ein Kohleunternehmen und eine Landesregierung denken, obwohl hier zig Milliarden fließen für den Strukturwandel, dass man noch neue Genehmigungen zum Braunkohleabbau erteilen kann. Ich denke mal, die sind hier vollkommen auf dem verkehrten Weg."
Mehr Klimaschutz wollen auch die Mibrag-Mitarbeiter, aber...
Das Bergbauunternehmen Mibrag besteht weiter auf einer Abbaggerung. Ein Sprecher erklärt vorab, Vertreter der Gewerkschaft IG BCE seien vor Ort und würden für das Unternehmen sprechen. Unter einem roten Pavillon am Dorfrand, direkt am Werksgelände der Mibrag, sitzen fünf Männer bei Wasser und Cola. Natürlich sei man für Klimaschutz. Aber es gehe eben auch um gute, tariflich bezahlte Arbeitsplätze, sagt etwa Jens Löffler, der im Nachbarort Neukieritzsch wohnt. Seit seiner Kindheit hat er einige Dörfer verschwinden sehen.
"So schlimm wie es ist, dass die Heimat verlassen werden muss - meine persönliche Meinung: umso größer wird ja auch auf die Leute eingegangen. Also ein Großteil von denen, auch Bekannte von mir, die sind jetzt nach Groitzsch gezogen, auch von Pödelwitz weg. Und wenn ich mir die Häuser anschaue und was sie vorher hatten, da muss ich sagen, ist schon ein sehr guter Kompromiss. Natürlich immer die Frage, wenn ich hier wohne, wenn ich meine angestammte Heimat verlassen muss, ist das wirklich ganz schwierig zu verstehen. Und ich kann auch die Leute verstehen, die jetzt auch an ihrer Heimat kleben."
Der Diskurs hat sich verändert, auch in Pödelwitz
Riesige Bagger, die ganze Dörfer und Kulturlandschaften verschlingen, dazu Lärm und Gestank: Die Braunkohle prägt seit Jahrzehnten die Landschaft im Mitteldeutschen Revier. Auch die Gemeinde Groitzsch, zu der Pödelwitz gehört.
Bürgermeister Maik Kunze empfängt in seinem Rathaus am schmucken Marktplatz. Die ganze Region wächst, Kitaplätze sind inzwischen Mangelware. Es war CDU-Politiker Kunze, der vor einigen Jahren den Vertrag zwischen der Mibrag und den Pödelwitzern ausgehandelt hat.
"Also der Vertrag richtete sich immer nur an die umsiedlungswilligen Pödelwitzer. Und es hat sich immer schon ein gewisser Teil der Pödelwitzer dagegen ausgesprochen. Und das ist eben genau der Teil, der heute noch da ist. Und die Mibrag hat halt gehofft, im Laufe der Zeit die noch überzeugen zu können, aber das sieht nicht danach aus. Und jetzt hat sich parallel dazu die Ansicht zu den fossilen Brennstoffen noch geändert. Und das hat jetzt dazu geführt, dass man sich jetzt von Seiten der Pödelwitzer, die dort bleiben, sich dagegen stemmt. Und das ist das Spannungsfeld, das jetzt die Politik und die Mibrag lösen muss."
Braunkohle ist Wahlkampfthema
Die aktuelle Landesregierung aus CDU und SPD stellt sich hinter die Pläne der Mibrag. Öffentlichkeitswirksam unterzeichnete Ministerpräsiden Michael Kretschmer von der CDU einen Vertrag zur Umsiedlung des Dorfs Mühlrose in der Lausitz, obwohl auch dort nicht alle Einwohner wegziehen wollen. Auf der anderen Seite setzen sich Grüne und die Linke gegen das Wegbaggern sächsischer Dörfer für die Braunkohle ein.
Am 1. September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Die AfD, die gegen den Ausstieg aus der Braunkohle ist, liegt laut Umfragen gleichauf mit der CDU.