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Sachsens Ministerpräsident Tillich
Der Landesvater für das "Alles wird gut"-Gefühl

Am Sonntag wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Eines scheint jetzt schon klar: Der alte Ministerpräsident wird der neue sein. Stanislaw Tillich kann sich sogar den Koalitionspartner aussuchen. Eigentlich könnte es also nicht besser laufen - aber Tillich muss auch viel Kritik einstecken.

Von Nadine Lindner | 29.08.2014
    Ein Wahlplakat der sächsischen CDU mit dem Bild des Spitzenkandidaten und amtierenden Ministerpräsidenten Stansilaw Tillich
    Stansilaw Tillich präsentiert sich im Wahlkampf als zuverlässiger Landesvater. (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    Wo ist er denn, der sächsische Wähler? Vielleicht hier, Eis essend hier in der Fußgängerzone in Dresden?
    "Das ist mir vollkommen Bockwurst, ich kreuzel dann irgendwas an."
    "Wie finden Sie denn den Wahlkampf bis jetzt?" - "Ich hab ihn leider gar nicht mitbekommen."
    "Ich weiß noch nicht, was ich wählen soll. Aber ich hab ja noch bis Sonntag Zeit."
    Das sind nur drei der rund 3,5 Millionen Wahlberechtigten in Sachsen.
    Ob sie sich für Amtsinhaber Stanislaw Tillich entscheiden werden? Was sie mit ihm verbinden?
    "Graue Haare, aber was der genau macht, weiß ich nicht."
    "Ich hab den schon mal persönlich getroffen, der ist sehr sympathisch."
    Viele Sachsen finden ihn sympathisch, wissen nur nicht so genau, warum
    Der Ministerpräsident selbst geht es im Wahlkampf unterdessen eher konventionell, gemütlich an. Im Internet-Video spaziert der Landesvater durch einen grünen Wald, lässt einen Stein übers Wasser springen.
    In Berlin regiert Mutti, in Dresden Vati - so hat Olaf Schumann, Betreiber einer Dresdner Werbeagentur, kürzlich die Kampagne kommentiert.
    "Der Landesvater wird in den Mittelpunkt gestellt. Es ist eine Werbung, die das Gefühl anspricht. Das Gefühl, alles wir gut, alles in Ordnung."
    Als Stanislaw Tillich 2009 im Wahlkampf antrat, da stand auf den Plakaten schlicht "Der Sachse". Nach seinen Amtsvorgängern Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt, die beide in Westdeutschland geborgen wurden, läutete sein Amtsantritt eine neue Ära ein. Es ist bis heute ein großer Pluspunkt, den der 55-jährige Sorbe bei den Bürgern hat. Viele Sachsen finden ihn sympathisch, wissen nur nicht so genau, warum. In diesem Jahr steht auf seinen Plakaten "Unser Ministerpräsident."
    Vor seiner Zeit als Regierungschef arbeitete Tillich neun Jahre im Europäischen Parlament, war Leiter der Staatskanzlei und Minister. Eine Karriere ohne sichtbare Schrammen. Und auch die Kritik am Wahltermin, die laut aus den Reihen der Opposition geäußert wurde, ließ er nicht an sich heran:
    "Vor dem Sommer, vor dem Urlaub, bevor die Schule zu Ende geht, da ist der Stress allgemein größer. Wird das Kind gute Noten nach Hause bringen? Hat die Frau schon alles vorbereitet? Hat der Mann die Flugtickets?"
    Eine Ausrede, findet Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden:
    "Es wäre genauso möglich und sinnvoll gewesen, mit der Europawahl zu wählen. Die Beweggründe der Union waren: Den Ausschlag gab die Überlegung, wenn man erst die Ferien verstreichen lässt, kommen die Sachsen zurück, haben von Problemen wenig mitbekommen."
    Königstreue Wähler
    Erst vor wenigen Tagen hatte die "Süddeutsche Zeitung" noch dem sächsischen Wähler bescheinigt, besonders königstreu zu sein. Tatsächlich: noch nie hatte die CDU im Freistaat weniger als 40 Prozent. Die Sachsen rechnen der CDU die stabile wirtschaftliche Entwicklung, die gute Haushaltslage des Freistaats hoch an. Anfang des Jahres schien sogar noch eine absolute Mehrheit möglich. Doch die letzte Prognose lag bei unter vierzig Prozent.
    Vielleicht war es der Ärger in der Bildungspolitik. Vielleicht war es auch sein Lavieren in der Frage, wie denn mit der AfD umzugehen ist. Tillich schließt Sondierungsgespräche mit den Eurokritikern nicht kategorisch aus. Vielleicht wünscht sich mancher Wähler in Sachsen aber auch mehr Visionen für das Land, und zwar solche, die sich nicht nur auf die Vergangenheit beziehen.
    "Sachsen war mal das industrielle Herz von Deutschlands mit Nordböhmen und Niederschlesien, wenn man sich die Nachbarregionen anschaut, dann will ich zu dieser alten Stärke zurückkehren."
    Gute Aussichten statt Visionen, Verwalten statt Regieren. Beim dienstältesten Ministerpräsidenten der CDU haben die Wähler keine Überraschungen zu erwarten, urteilt Politikprofessor Patzelt abschließend:
    "Erwartet man von der Politik einen täglichen emotionalen Kick? Oder erwartet man von der Politik eine maßvolle Verwaltung des Möglichen. Wenn man Letzteres will, ist man in Sachsen richtig."