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Sächsische Traditionsfirma Wattana
Mögliches Comeback der textilen Grauen Maus

Zu DDR-Zeiten war die sogenannte Graue Maus, eine Bauarbeiterjacke, ein textiler Klassiker für die Arbeit draußen. Nach dem Mauerfall rettete sich der Hersteller als Lieferant für Polizei und Bundeswehr. Und überlegt, ob die Graue Maus nicht eine gesamtdeutsche Zukunft haben sollte.

Von Bastian Brandau | 03.01.2020
Gabriele Götze, Inhaberin der Wattana GmbH, trägt die als "Graue Maus" in der DDR bekannte Wattejacke
Gabriele Götze, Inhaberin der Wattana GmbH, trägt die als "Graue Maus" in der DDR bekannte Wattejacke (picture alliance / dpa / Christiane Raatz)
"So, das ist sie, das ist unsere sogenannte Graue Maus."
Gabriele Götze hat sie herausgeholt: die Graue Maus, die Bauarbeiterjacke, die die Firma Wattana aus Westsachsen zu DDR-Zeiten bekannt machte. Typische Einsatzorte: im Garten oder beim Schneeschippen. Eine wattierte Jacke, knielang und irgendwie schon wieder hipp.
"Die Farbe Grau ist in. Die Jacke hat eine Fertigungszeit von 24 Minuten gehabt. Wenn wir unsere Teile heute ansehen, puh, keine Ahnung, 200 Minuten, 250 Minuten, 300 Minuten. Also die Teile, die wir heute machen, sind wesentlich aufwändiger."
Götze, Geschäftsführerin und Eigentümerin der Firma, steht im Besprechungszimmer von Wattana. An der Wand hängt das alte VEB-Schild aus der Zeit, als rund 500 Menschen im Akkord die Graue Maus herstellten. Unter ihnen übrigens auch viele Gastarbeiter aus Vietnam.
Die Gegenwart ist nicht mehr grau
Daneben auf einem Kleiderständer die Gegenwart von Wattana in Blau, Rot oder in Tarnfarbe. Verkaufs-und Marketingleiter Thomas Wild:
"Sie sehen hier einen Einsatzanzug der Bereitschaftspolizei. Wir fertigen also einen überwiegenden Teil der flammenhemmenden Bekleidung für die deutsche Landes- und Bundespolizei. Es besteht aus einem flammenhemmenden Aramit."
Bundeswehr ist Kunde
Je nach Anforderungen schützen die Materialien auch vor Stichen. Praktisch jeder Polizist in Deutschland sei schon mal mit einem Wattana-Produkt in Berührung kommen, sagt Wild. Und auch der Overall der Panzergrenadiere der Bundeswehr hängt hier, verstärkt an den Knien. Eines der markantesten Stücke schützt vor Wind und Regen:
"Den Parka der deutschen Marine, den haben wir vor vielen Jahren gemeinsam mit der deutschen Marine entwickelt. Und der ist momentan im Einsatz auf sämtlichen Schiffen der deutschen Marine. Das ist ein Wetterschutzartikel, der ebenfalls flammenhemmend ausgestattet ist. Der ist sehr beliebt bei den Marinesoldaten".
Funktion geht vor Form – fast immer
Und macht auch optisch etwas her. Funktion aber geht bei Wattana vor Form. Doch gerade neue Materialien ermöglichen auch modernere Schnitte. Etwa für die Uniformen der noch relativ jungen Fahrradstaffeln der Polizei.
"Und da laufen bereits auch schon wieder die ein oder andere Entwicklung, um eine zum einen sportivere Optik zu realisieren, um auch jüngere Polizeianwärter für den Job zu begeistern. Aber entscheidend ist die Funktion", sagt Thomas Wild.
Die Firmenchefin führt durch die Produktion.
"Ja, das ist hier unsere Frau Seifert. Sie arbeiten gerade an einer, oh, es sieht grün aus …"
Nähmaschinen, Tische, Stoffe: Im Untergeschoss des Firmengebäudes befindet sich die Musternäherei. Nur eine Handvoll Menschen sitzt hier an den Maschinen, 40 Mitarbeiter hat Wattana in Hohenstein-Ernstthal.
Die Serienfertigung findet in Osteuropa statt. Gerade entsteht aus grünem Stoff ein sogenannter Verpassat. Ein Testanzug, mit dem Piloten der Polizei ihre Kleidergröße testen können, erklärt Geschäftsführerin Gabriele Götze. Ein Gang ins Atelier ist für die gelernte Schneiderin und studierte Bekleidungsingenieurin auch ein Gang in ihre eigene Vergangenheit.
"Wir haben noch die Frau Köhler, sie und die Frau Dittmann und ich. Vier Leute, die von Anfang an dabei sind."
"Früher war die Beschaffung ein Problem"
Noch zu DDR-Zeiten kommt Götze zu Wattana, verlässt das Unternehmen und kommt 1989 wieder. 1992 kauft sie Wattana von der Treuhand, gemeinsam mit anderen Führungskräften. Alles habe man vom Kopf auf die Füße gestellt, erinnert sich Götze.
"Früher war die Beschaffung ein Problem, also Material, das es immer in der Qualität der Menge zur Verfügung stand. Heute ist der Absatz das Problem, also der Verkauf. Andere Vorzeichen also, das haben wir natürlich ganz stark nach der Wende gemerkt. Unsere Graue Maus wollte keiner mehr haben. Ja, also wir haben die noch verkauft. Alles das, was am Lager gewesen ist. Ja, aber dann ja, das ist wie im Handel. Jeder hat nach der Wende nicht mehr nach der DDR-Zahncreme gegriffen, sondern es musste eben "Signal" sein. Ja, und das gleiche haben wir natürlich in unserer Branche."
Man spezialisiert sich auf Großabnehmer wie die Polizei. Ein Schweizer Unternehmen steigt 1998 ein. Obwohl die erhofften Synergie-Effekte weitgehend ausgeblieben seien, habe sie doch in dieser Zeit die entscheidenden Dinge gelernt, sagt Gabriele Götze. Als die Schweizer 2008 verkaufen, übernimmt Götze allein. Und ist jetzt, eigentlich schon im Rentenalter, wie so viele Unternehmerinnen auf Nachfolgersuche.
"Meine Kinder möchten die Firma nicht übernehmen. Es ist ihr Leben. Da muss ich auch sagen, es tut ein bisschen weh, aber es ist ihre Entscheidung. Ich möchte, dass die Firma auch in zehn Jahren weiter existiert, ob nun mit mir oder ohne mich oder unter einer anderen Flagge. Aber ich möchte, dass wir unsere Identität nicht verlieren, dass wir auch in zehn Jahren auch persönlich noch wissen, wo wir herkommen."
Neues Leben für die Graue Maus?
Was die Vergangenheit betrifft, aber auch die Region Westsachsen mit der großen Textiltradition. Und vielleicht auch mit einer Neuauflage des DDR-Klassikers, der Grauen Maus.
"Wir haben und schon Gedanken gemacht, dass wir die Jacke mal ein bisschen modernisieren und die unter Umständen mal wieder am Markt ins Angebot bringen. Für Fans, für Freaks. Für Leute, die kein Statussymbol brauchen, sind diese Jacken bestens geeignet."