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Sahnecremetörtchen aus Portugal

Portugal exportiert nicht genug, was das politische Personal schon mal zu abstrusen Vorschlägen für neue Exportgüter Made in Portugal hinreißt. Doch niedrige Löhne und hohe Qualität sollen den Erfolg bringen - insbesondere auf dem chinesischen Markt.

Von Jochen Faget | 27.08.2012
    Noch zu Anfang des Jahres war es eine offene Frage: Wenn die portugiesischen Unternehmen tatsächlich so viel leisten, wie es in der portugiesischen Öffentlichkeit immer wieder dargestellt wird, warum exportieren sie dann so wenig?

    Auch Wirtschaftsminister Álvaro Santos Pereira blieb eine Antwort schuldig. Er fällt häufiger durch unglückliche Vergleiche und gewagte Metaphern auf. Statt die Exportschwäche zu erklären, fragte Pereira lieber:
    "Wenn ein portugiesischer Gastarbeiter es geschafft hat, unsere geliebten Brathähnchen in Südafrika zu einem Kassenschlager zu machen, frage ich mich, warum das nicht auch mit unseren Sahnecremetörtchen gelingen sollte."

    Portugal müsse exportieren, erklärte der Minister, denn nur so komme das Land aus der Krise heraus. Und in Portugal ist das Krisenmanagement Chefsache. Auch Ministerpräsident Passos Coelho versucht, die Unternehmen deshalb in die Pflicht zu nehmen:

    "Unsere wirtschaftliche Verbesserung liegt in erster Linie in den Händen unserer Exportunternehmen. Von ihnen hängt unser Erfolg ab."

    Inzwischen gibt es Erfolge: Im ersten Halbjahr 2012 sind Portugals Exporte um stolze neun Prozent gestiegen. Zwar verkauft Portugal der Welt noch immer keine Sahnecremetörtchen, dafür aber immer mehr andere Qualitätsprodukte. So deutet Pedro Reis, der Leiter der staatlichen Exportagentur die Zahlen:

    "Wir verkaufen nicht nur mehr, sondern auch an neue Märkte. Mehr Autos und Transportfahrzeuge, mehr Maschinen, mehr Lebensmittel, mehr Papier, mehr Zellulose. Aber vor allem erreichen wir mehr Märkte."

    Viele dieser Export-Märkte liegen jetzt außerhalb der krisengeschüttelten EU: Vor allem Chinesen und Angolaner kaufen viele portugiesische Produkte. Nach China liefert Portugal vor allem Autos - wie den VW-Scirocco, der hier gebaut wird. Werksdirektor António Melo Pires freut sich darüber, will aber noch mehr:

    "China ist ein vielversprechender Markt, er liegt bei uns bereits an siebter Stelle. Wir wollen dort auch das Modell Sharan verkaufen und so unsere Marktanteile noch erhöhen."

    Niedrigere Löhne und die inzwischen hohe Qualität: Das sind die Faktoren, die die portugiesische Export-Erfolgsstory ermöglichen. Im Fall der ehemaligen portugiesischen Kolonie Angola kommen auch noch kulturelle Gemeinsamkeiten hinzu. Sie machen die Geschäfte mit der korrupten, aber steinreichen Oberschicht des Erdöllandes einfacher, das bestätigt auch Carlos Bayan Ferreira, der Vorsitzende der portugiesisch-angolanischen Handelskammer:

    "Diese traditionelle und kulturelle Affinität zwischen Portugal und Angola macht es, ebenso wie die gemeinsame Sprache, leicht, zusammenzuarbeiten. Darum setzen die Portugiesen stark auf Angola."

    Angola kauft so ziemlich alles: vom Wein über Kommunikationstechnologie bis hin zu ganzen Fabriken. Dass es dort nicht unbedingt rechtsstaatlich zugeht, stört die portugiesischen Unternehmen offenbar nicht allzu sehr. Pedro Reis von der Exportagentur gibt die klare Marschrichtung vor:

    "Auf Märkten wie Angola, können wir erfolgreich sein. Angola ist schon unser viertwichtigster Exportmarkt weltweit und der größte außerhalb Europas. Darauf müssen wir noch stärker setzen."

    Die Nachfrage auf den klassischen ausländischen Absatzmärkten bricht nämlich ein: Die Exporte ins Nachbarland Spanien, dem wichtigsten Handelspartner, sind wegen der Krise dort um vier Prozent zurückgegangen. Die Zahlen könnten noch weiter fallen. Darum will Portugal intensiver nach neuen Märkten suchen. Und vielleicht lassen sich dort ja tatsächlich Sahnecremetörtchen verkaufen.