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Salz sollte bei Endlager-Suche bevorzugt werden

Salz ist nach aktuellem Forschungsstand immer noch eines der besten Wirtsgesteine zur Lagerung von Atommüll, sagt Bruno Baltes, ehemaliger Mitarbeiter der Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Einzige infrage kommende Alternative sei Tonstein. Außerdem habe sich der mögliche Endlager-Standort Gorleben bisher nicht "disqualifiziert".

Bruno Baltes im Gespräch mit Georg Ehring |
    Georg Ehring: "Wenn die Neandertaler Atomkraft gehabt hätten, müssten wir heute noch für deren Müll sorgen." Das sagte vor acht Jahren der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin von den Grünen. Die Suche nach einem Endlager hat sich als zäher Prozess erwiesen, die Lagerung von Atommüll ist auch heute noch genauso ungeklärt wie damals. Gestern Abend immerhin konnte der heutige Bundesumweltminister Peter Altmaier einen Neustart der Endlagersuche ankündigen – unter Einschluss von Gorleben soll neu nach einer letzten Ruhestätte für Tausende Tonnen hoch radioaktiven Abfall gesucht werden. Darüber habe ich vor dieser Sendung mit Bruno Baltes gesprochen, ehemals Endlagerspezialist bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, und ich habe ihn gefragt, welche Formationen denn außer dem Salzstock in Gorleben infrage kommen könnten.

    Bruno Baltes: Gesucht werden geologische Formationen, die von ihren Eigenschaften her in der Lage sind, den Abfall einzuschließen und dauerhaft von der Biosphäre fernzuhalten. Insofern sucht man nach geologischen Einheiten, die dicht sind und die in einer entsprechenden Tiefe anzutreffen sind.

    Ehring: Die Atomindustrie setzt ja weiter auf Gorleben. Ist denn der Standort und ist auch Salz im Allgemeinen fachlich weiterhin geeignet?

    Baltes: Alle Arbeiten, die wir in Sachen Salz durchgeführt haben, weisen Salz als ein sehr dichtes Wirtsgestein aus, also praktisch undurchlässig für Radionuklide, wenn denn das Endlager vernünftig und zielgerichtet sachgerecht aufgebaut ist, und insofern ist Salz als Wirtsgestein zu präferieren.

    Ehring: Gorleben gilt ja als politisch verbrannt. Ist der Standort auch fachlich verbrannt?

    Baltes: Alle Kenntnisse, die ich zu dem Standort habe, und alle Analysen, die ich dort begleitet habe, weisen keine Ergebnisse auf, die diesen Standort disqualifizieren.

    Ehring: Alternativen sind Ton oder auch kristalline Gesteine. Hat das Vorteile gegenüber Salz, oder ist es zweite Wahl?

    Baltes: Fangen wir mal mit den Kristallinen an. Wenn wir einen Kristallinkörper, sprich einen Granitkörper finden könnten, der keine Risse aufweist und in sich ein homogener Körper ist, dann würde man auch Granit in die engere Wahl ziehen. Wenn aber ein Granit so ausgestaltet ist, wie wir ihn in den skandinavischen Ländern haben, dann benötigt man technische Barrieren, sprich massive Behälter, die über 100.000 Jahre dicht und stabil sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Es ist eine politische Entscheidung, ob man nun die Langzeitsicherheit auf technischen Barrieren gründet, oder die Langzeitsicherheit durch die Geologie richten lässt.

    Ehring: Welche ist denn aus Ihrer Sicht besser?

    Baltes: Die Frage ist so nicht zu beantworten. Ich würde Tonstein und Salz favorisieren. Der Tonstein hat so seine spezifischen Eigenschaften und der Salzkörper natürlich auch. Der Salzkörper, wenn Wasser in ihn gelangt – das sehen wir ja bei der Asse -, dann hat er so seine Probleme. Diese spezifischen Probleme hat der Tonstein nicht. Der Tonstein ist allerdings immer feucht und bringt immer Feuchtigkeit an die Abfälle, wo hingegen, wenn das Salzbergwerk zielgerichtet aufgebaut ist, ein hermetischer Einschluss möglich ist. Insofern ist es eine Abwägung, die man in Zukunft zu treffen hat, wenn man die Wirtsgesteine Ton und Salz miteinander vergleichen will.

    Ehring: Der Atommüll soll ja in Deutschland gelagert werden. Welche Regionen müssen sich denn jetzt auf Suchprozesse, auf Anfragen einstellen für eine neue Alternative zu Gorleben?

    Baltes: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat in den vergangenen Jahren Untersuchungen vorgenommen und Salzstandorte ausgewiesen, auch Salzstöcke identifiziert, die hinsichtlich ihres Volumens in die engere Wahl zu ziehen wären, und vor vielleicht drei, vier Jahren eine Karte vorgelegt von Tonstein-Formationen, die untersuchungswürdig wären. Die meisten dieser potenziellen Standorte befinden sich in Norddeutschland, das heißt in Niedersachsen, einige in Schleswig-Holstein, und einige Tonstein-Standorte sind in Süddeutschland ausgewiesen, aber dort haben wir das Problem der tektonischen Beeinflussung. Das heißt, die Geologie ist dort unruhig, und ob man dann in diese Regionen gehen möchte, bleibt dem Entscheidungsprozess überlassen.

    Ehring: Soweit Bruno Baltes, ehemals Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.


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