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"Sampling"-Urteil
Verfassungsgericht entscheidet über das Kopieren fremder Beats

Sampling, also die Übernahme von kurzen Tonsequenzen aus anderen Songs, ist in der heutigen Musik allgegenwärtig. Aber ist es eine Kunstform und damit vom Grundgesetz geschützt? Und wie viel Einfluss hat ein Urheber darauf, wer seine Musik wiederverwertet? Das soll heute das Bundesverfassungsgericht beantworten.

Von Klaus Hempel | 31.05.2016
    Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit (l.-r.) Andreas Paulus, Johannes Masing, Gabriele Britz, Ferdinand Kirchhof (Vorsitz), Susanne Baer und Reinhard Gaier eröffnet am 25. November 2015 im Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung in Sachen Sampling.
    Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor der mündlichen Verhandlung in Sachen Sampling. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    1997 produzierte der Frankfurter Rapper Moses Pelham für Sabrina Setlur den Song "Nur mir". Dafür verwendete er einen markanten Drum-Beat der Düsseldorfer Kultband Kraftwerk aus deren Stück "Metall auf Metall". Kraftwerk klagte durch alle Instanzen, und bekam 2012 vom Bundesgerichtshof recht. Der Song "Nur mir" darf nicht mehr verkauft werden.
    Dagegen legten Pelham und Setlur Verfassungsbeschwerde ein. Während der Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht meinte Musikproduzent Pelham, Sampling sei gerade im Hip-Hop eine Kunstform, und damit von der Kunstfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz geschützt. "Wenn ich grundsätzlich nicht sampeln darf, kann es meine Kunstform nicht geben. Wenn Sie sich Tonträger ab 1989 anschauen: Unter zehn Tonträgern haben neun einen Sample."
    Beschwerdeführer: der Musiker, Produzent und Komponist Moses Pelham.
    Der Musiker, Produzent und Komponist Moses Pelham ist einer der Beschwerdeführer. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Wie weit reicht das Leistungsschutzrecht?
    Ralf Hütter von Kraftwerk fühlt sich dagegen von Pelham bestohlen: "Wenn man aus dem Werk eines anderen entnimmt, dann sollte man den ja wenigstens mal fragen. So einfach ist das."
    Rechtlich gesehen geht es um das das sogenannte Leistungsschutzrecht, auf das sich Kraftwerk beruft. Volker Tripp, Rechtsexperte und Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft e.V. Berlin, war als Sachverständiger bei der Verhandlung in Karlsruhe. Er erklärt, was man unter dem Leistungsschutzrecht versteht:
    "Geschützt wird die Investition, die der Hersteller in die Tonaufnahme macht, und die anschließende Möglichkeit, die Tonaufnahme zu kommerzialisieren. Das Recht wurde ursprünglich mal geschaffen zum Schutz vor Raubkopien. Es gibt dem Tonträgerhersteller die Möglichkeit, jegliche Verwendung, insbesondere Kopien seiner Aufnahme, zu verbieten."
    Ist eine Erlaubnis nötig?
    Nun muss das Bundesverfassungsgericht klären, wie weit dieses Leistungsschutzrecht reicht. Das Urteil wird von der ganzen Musikbranche mit großer Spannung erwartet. Sampling ist aus der heutigen Musik nicht mehr wegzudenken, und es geht um wichtige Fragen: Darf ein Musikproduzent wie Pelham kurze Tonsequenzen anderer Bands ungefragt verwenden, weil Sampling als Kunstform vom Grundgesetz geschützt ist? Oder muss er vorher um Erlaubnis fragen?
    Wenn gesampelt wird und sich der Song gut verkauft, hat der Urheber des Originals dann Anspruch auf eine Vergütung? Das sind zentrale Punkte, die die Verfassungsrichter beantworten müssen.