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Samy Deluxe
Rapper und Poet mit zynischer Zunge

Mit der Band Dynamite Deluxe machte er 1997 ersten Gehversuche als Rapper, um dann als Samy Deluxe eine erfolgreiche Solokarriere zu starten: Mal egoman, mal emotional, mal aggressiv - doch immer mit zynischer Ironie. Denn der Hamburger liebt das Spiel mit Worten.

Von Thomas Elbern | 24.07.2016
    Der Musiker Samy Deluxe während eines Interviewtermins im März 2016 in Berlin
    Der Musiker Samy Deluxe während eines Interviewtermins im März 2016 in Berlin (Jörg Carstensen/dpa)
    Er ist so etwas wie ein Hochgeschwindigkeitsrapper, dazu Produzent, Dichter und vor allem ziemlich erfolgreich: Der Hamburger Hip-Hopper Samy Deluxe ist nun seit 20 Jahren im Musikgeschäft und mittlerweile weit oben angekommen: Eigenes Studio, ausverkaufte Tourneen, mehrere goldene Schallplatten. Der frühe Erfolg als Rapper mit seiner ersten Formation Dynamite Deluxe im Jahr 2000 brachte seine Karriere in Gang.
    150.000 verkaufte Exemplare des Debutalbums "Deluxe Soundsystem" beförderten Hamburg endgültig auf die deutsche Hip-Hop-Landkarte. Dort formierte sich in den frühen 1990ern eine Szene, aus der später deutsche Hip-Hop-Größen wie Jan Delay & Absolute Beginner, der Tobi und das Bo und Dynamite Deluxe selbst hervorgingen. Samy Deluxe erinnert sich:
    "Meine Motivation war für mich als Jugendlicher im Hamburg der 90er-Jahre, dass es ganz wenige Dinge gegeben hat, die mich fasziniert haben und es ganz viele schlechte Einflüsse im Umfeld gab, die dazu hätten führen können, das ich sehr früh Drogen nehme und Scheiße baue. Hip-Hop war das, was mich davor bewahrt hat mit meinen Jungs den Kram mitzumachen, den halt die anderen gemacht haben. Komm, wir gehen jetzt da und da einbrechen und dann machen wir dies und jenes. Ich bin dann Nachhause gegangen und habe lieber meine Plattensammlung archiviert."
    Anfänge im kleinen Kellerstudio
    Samy Deluxe wuchs in Hamburg als Kind einer deutschen Mutter und eines afrikanischen Vaters auf, der Deutschland wieder verließ, als Samy zwei Jahre war. Schon früh entdeckte Samy Deluxe seine Leidenschaft für Hip-Hop, wurde von Jan Delay gefördert und verbrachte Ende der 1990er mehr Zeit im muffigen Kellerstudio in Hamburg Eimsbüttel als in der Schule. Als die großen Plattenfirmen allesamt die ersten Aufnahmen seiner Formation Dynamite Deluxe ablehnten, brachte die Crew in einer trotzigen "Do it yourself"-Manier 1997 das erste Tape heraus und verkaufte dieses auf Konzerten. Vom Gewinn kauften Dynamite Deluxe sofort wieder Studioequipment.
    2001 lösten sich Dynamite Deluxe auf und Samy startete als Solokünstler. Zehn Jahre später schaffte er es mit seinem vierten Album "Schwarz Weiß" sogar an die Spitze der deutschen Charts und kassierte 2001 den MTV Music Award als bester deutscher Künstler. Mal aggressiv, mal emotional, oft ehrlich, doch immer mit seiner ganz eigenen Ironie. Samy Deluxe liebt das Spiel mit der deutschen Sprache. Mit "Berühmte letzte Worte" ist Ende April das neue Album von Samy Deluxe erschienen.
    "Es ist nicht als Abschied gemeint. Ich mochte immer schon dieses Statement: "Famous last words". Ich war im letzten Jahr, während ich an dem neuen Album gearbeitet habe, in London. Ich habe dieses tolle Street Art-Plakat dort gesehen, wo dieser Spruch stand. "Berühmte letzte Worte", das bringt das, was ich gerade machen will, und meine Emotionen gut auf den Punkt. Dann habe ich versucht, das mit Inhalt zu füllen. Für mich heißt das soviel wie, wenn ich nur noch eine Chance hätte, ein Album zu machen, dann sollte es so eins sein, wie das, was ich gerade fertiggestellt habe."
    Vom Freestyle Rapper zum Dichter
    Samy Deluxe wird oft als einer der besten deutschen Freestyle Rapper bezeichnet. Das sogenannte Freestylen geht auf die Anfänge des Rap zurück. Verschiedene Rapper treten in einer Battle, einer Art Wortschlacht, gegeneinander an, um das Publikum für sich zu gewinnen und es mit ihren Reimkünsten und ihrem rhythmischen Wortfluss zu überzeugen. In einer Battle geht es darum, sich von den Mitbewerbern zu unterscheiden und diese sprachlich zu besiegen. Das Publikum entscheidet dann, wer die "Battle" gewonnen hat. Samy Deluxe hat es in dieser Disziplin ganz nach oben geschafft und er arbeitet oft mit den Rappern zusammen, die er auch wirklich schätzt und deren Skills, sprich Geschicklichkeit mit Worten zu jonglieren, seiner Vorstellung von guter Hip-Hop-Kultur entspricht. Dazu zählt der Stuttgarter Afrob, der Berliner Megaloh oder der Aachener Rapper Motrip. Doch was ist ein guter, was ein schlechter Rapper? Samy Deluxe klärt auf:
    "Für mich sind die Kriterien, dass ich Rapper mag, die eine große Liebe für die deutsche Sprache haben und bei denen ich mich über den nächsten Reim freuen kann. Wenn sich jemand so viel mit Reimen beschäftigt wie ich, dann kann ich oft, wenn ich die erste Zeile höre, die zweite schon ahnen, weil ich so in Reimen denke. Gaspedal...okay, dann kommt meist Basketball. Eko, Megaloh, Motrip, alias Afrob, das sind Leute, die mit der Sprache interessante Sachen machen, interessante Stimmen, eine gute Rhythmik und nicht immer den gleichen Wortfluss haben. Es ist mir wichtig, dass ich eine Individualität darin höre. Mittlerweile gibt es viele Rapper, die auf einem guten Reimniveau sind, aber alle genau gleich reimen, die alles gleich setzen und sich ähnliche Arten von Beats aussuchen. Das klingt dann wie bei 20 anderen Rappern gerade. Das finde ich dann echt langweilig. Rap ist zwar etwas extrem Textlastiges, aber am Ende ist es auch Musik. Und dieser Musikaspekt geht in Deutschland im Rap oft verloren."
    Polemische Texte, aber mit Augenzwinkern
    Der Song "Klopapier" ist ein gutes Beispiel für den heutigen Samy Deluxe. Es sind polemische Texte, die er hier konstruiert, aber mit Augenzwinkern.
    "Den Song habe ich 2014 geschrieben, letztes Jahr habe ich nochmal eine Zeile geändert. Am Ende der zweiten Strophe wurde mein Text ein wenig aussagelos und dann habe ich ein paar Worte gestrichen. Das war zu der Zeit als es dieses Foto gab, auf dem Frau Merkel diesem Flüchtlingsmädchen den Kopf gestreichelt hat und ihr später gesagt hat, dass sie trotzdem abgeschoben ist. Das war die aktuellste Zeile und der Rest hat sich im Laufe meines Lebens und der letzten Jahre als Widersprüche entdeckt. Ich mag gerne Widersprüche und diverse Sätze gegeneinanderzustellen. Beispielsweise: Kampagne gegen Fremdenhass und ein Einwanderungsgesetz, das heißt, dass Deutschland Fremde hasst. Oder: Deutschland exportiert Waffen und ist ein Mörder, aber wenn ich mal irgendwo eine Bildzeitung sehe, dann ist Bushido auf dem Cover und Hip-Hop ist Schuld daran, dass die Jugend kaputt ist. All diese Dinge, in denen ich entdecke, dass das ein interessanter Widerspruch ist."
    Diskurs im Haus am Mehr
    "Berühmte letzte Worte", das aktuelle Album von Samy Deluxe, hat eine Menge wütende und polemische Momente. Doch Samy Deluxe hat seinen Humor behalten. Er bezeichnete den gerade gehörten Song "Klopapier" in einem Interview mit dem Rap Magazin "Juice" als "Tourette Syndrom Satire". Doch Deluxe ist auch zynischer Lyriker:
    "Bestimmt teilweise, besonders wenn ich über ernste, problematische und emotional belastende Themen rede, dann mache ich das in der eigenen Wahrnehmung und nicht auf die pessimistische Art. Es ist immer das Augenzwinkern drin, aber auch Zynik und Sarkasmus. Auch wenn es auch nicht direkt beim Hörer rüberkommt. Ich sehe da, wo andere Wut reininterpretieren, viel Humor in meinen Texten."
    Und vor allem sein Song "Haus am Mehr" ist ein toller Diskurs zwischen der Sucht nach Erfolg und dem Drang nach innerem Frieden.
    "Es ist der ewige Kampf mit sich selber. Es ist ein Selbstfindungsprozess. Das ist auch ein Thema, der sich durch all meine Alben durchzieht. Auf dem Schwarz Weiß-Album von 2011 hatte ich diesen Song Ego, in dem es um den Konflikt zwischen dem Ego und der Seele geht. Das Ego, das immer mehr will und die Seele, die glücklicher ist, wenn sie nur diese ganz existenziellen Dinge hat und nicht all den ganzen Schnick Schnack, Glamour und Glitter drumherum. "Haus am Mehr" ist ein Resümee wo ich jetzt gerade stehe: Meine Kunst treibt mich dazu, auch im Rahmen meiner Karriere immer mehr zu wollen, aber meine Seele hat oft das Bedürfnis, alles das, was mit Ruhm und dem Showbusiness zusammenhängt, nicht an sich ranzulassen. Das ist ein Konflikt, der immer in mir ist."
    Gangsterrap made in Germany
    Ob mit Dynamite Deluxe oder als Solokünstler, mittlerweile sind gut 20 Jahre zusammengekommen, in denen Samy Deluxe im deutschen Rap Zirkus mitmischt. Als Dynamite Deluxe Mitte der 1990er bekannt wurden, dominierten Gruppen wie Freundeskreis, Massive Töne oder Fettes Brot die Szene. Die Hip-Hop-Kultur in Deutschland begann sich langsam in alle möglichen Richtung zu entwickeln. Den sogenannten Gangster Rap gab es damals nur in den USA und der wurde hier mit Azad, Sido, Bushido und Co. erst Anfang der 2000er Jahre erfolgreich. Natürlich hat Samy Deluxe diese Entwicklung mit verfolgt. Gangster Rap, die Kombination aus Gossensprache, Prahlerei, Sozialkritik und sexistischem Gelaber, war nun auch in Deutschland angekommen.
    Wie hat Samy Deluxe diese Entwicklung erlebt?
    "Für mich gibt es einfach keine Grundregeln. Wenn jemand in einem sozial schwachen Viertel aufgewachsen ist und davon gibt’s in Deutschland viele, mit Vorbildern, die dann vielleicht keine Anwälte oder Doktoren sind, sondern vielleicht sind die reichsten Leute in dem Viertel Drogendealer oder Zuhälter. So was gibt’s eben. Dementsprechend mag ich es nicht so gerne, wenn in Deutschland behauptet wird, dass wir so reich sind und so weit weg von Amerika oder den brasilianischen Favelas und wirkliche Ghettos, das es hier keine Berechtigung gäbe, diese Art von Rap zu machen."
    Schon in seinen früheren Texten nahm Samy Deluxe kein Blatt vor den Mund. Mit seinen teils drastischen Formulierungen erreicht er vor allem die meist sehr jungen Fans. Das schaffen übrigens auch die Gangsterrapper. Es scheint die Perspektive zu sein, die den Unterschied macht.
    "Immer zu den Subkulturen aus dem Ghetto hingezogen gefühlt"
    "Es gibt wenige Platten aus diesem Genre, die mir zusagen. Ich finde zum Beispiel, das Haftbefehl-Album "Russisch Roulette" ist ein sehr gutes Bild dieser Welt, so wie ich sie mir vorstelle. Ich bin auch nicht in so einer Welt aufgewachsen. In einem Viertel, wo überwiegend Migranten und Mimimis sind und wo viel Kriminalität herrscht. Das kann ich nicht von mir behaupten, aber kenne eine Menge Leute aus unterschiedlichen sozialen Schichten und habe natürlich auch viele Bücher dazu gelesen und Filme geguckt. Ich hab mich immer zu den Subkulturen aus dem Ghetto hingezogen gefühlt. Aber wenn ich das Haftbefehlö-Album höre, da hatte ich einfach das Gefühl, dass hier alle Vor- und Nachteile dieser Welt und dieser ganze Lifestyle ist einfach gut verpackt und es ist auch noch hochwertige Musik und Lyrik, die mir dann dieses Gefühl vermittelt, wie diese Welt ist und dann finde ich’s gut."
    Doch der Großteil dieser Hip-Hop-Richtung, die sich an einem vermeintlichen Milieu orientiert, wirkt auch auf Samy Deluxe viel zu aufgesetzt.
    "Das ist auch ein bisschen Nährboden für Leute, die eigentlich sonst nie Rapper geworden wären, aber vielleicht schon mal ein bisschen Drogen verkauft haben und dann denken, jetzt kann ich auch Rapper werden. Weil das Einzige, was man dazu haben muss, ist ja anscheinend eine kriminelle Vergangenheit. Für mich als Liebhaber dieser Kunstform ist das viel zu wenig Kriterium um dort zu partizipieren."
    Fremd gemacht im eigenen Land - oder was ist ein Mimimi? Mimimi, das bedeutet Mitbürger mit Migrationshintergrund. Dieser Song auf dem aktuellen Samy Deluxe-Album ist Gesellschaftskritik, aber auch ein ironisches Statement.
    "Der Text geht eben komplett um mich, viele Leute interpretieren da jetzt auch die Flüchtlingsproblematik mit rein, aber das hat für mich gar nichts damit zu tun, obwohl es darauf übertragbar ist. Für mich geht es in diesem Text um das Selbstverständnis, das ganz viele Leute in diesem Land hier haben. Es gibt ganz viele Mimimis, die morgens aufwachen, auf deutsch denken, deutsch reden, sich deutsch fühlen und ab dem Moment, wo sie auf die Straße gehen damit konfrontiert werden, dass sie nicht deutsch sind. Viele Deutsche wollen halt unbedingt diesen Unterschied machen. Sie fragen dann, wo kommst du her? Dann sag ich aus Hamburg. Nein, du weißt schon, was ich meine! Dann frag doch, warum meine Haut so dunkel ist und nicht, wo ich herkomme. Denn ich komme aus Hamburg, aber meine Haut ist dunkler als deine, weil mein Vater Afrikaner war. Es war mir mal wieder wichtig, dieses Thema mal wieder auszugraben. Bei mir funktioniert das immer über ein Schlagwort oder die Musik. Es war so, dass ich dieses Wort Mimimi irgendwo mitbekommen habe und es auch ziemlich witzig fand. Weil es auf der einen Seite so maschinell und kategorisierend ist und auf der anderen Seite so niedlich klingt. Es klingt netter als "Ausländer" oder "Flüchtling". Der Tenor, in dem es gerappt ist, klingt nach Wut, aber ich finde es auch unglaublich witzig. Jede Zeile in dem Song ist ein Teil von meinem Leben, den ich eher mit Augenzwinkern und Humor nehme als mit Frust oder Pessimismus."
    Auszeit als Herr Sorge
    Wenn Samy Deluxe mal nicht zornig ist, keine gesellschaftskritischen Themen ausarbeiten und keine kraftvollen Wortsalven abfeuern will, kommt Herr Sorge ins Spiel. Eine Kunstfigur, die er gegen aufkommende Depressionen geschaffen hat. Herr Sorge darf singen, hat mit Rap-Klischees nichts zu tun. Und mit balladesquen Songs erscheint Deluxe hier viel verletzlicher und weicher. 2012 überraschte Samy Deluxe mit dem Album "Verschwörungstheorien mit schönen Melodien", das er unter seinem bürgerlichen Namen "Herr Sorge" herausbrachte.
    "Als Rapper bin ich schon bedrohlich. Wenn ich auf die Bühne komme bin ich sehr fordernd. Ich bin nicht der "Hey Leute, na wie geht’s euch...es ist ja voll toll, dass ihr hier seid, danke, dass ihr so super mitmacht" sondern "Hände hoch und jetzt macht dies und jetzt macht das, feiert mich und huldigt mich". Das ist meine Attitüde als Rapper, und Herr Sorge ist schon sehr viel weiblicher auf eine Art. Das war mir auch wichtig, den optisch so zu stylen, mit offenen Haaren und einem Jack Sparrowesquen Make up und sehr speziellen Outfits, die einerseits schick sind aber auch ein wenig Endzeit repräsentieren. So wie die Kölner einfach Karneval haben, das haben wir ja als Hamburger nicht. Wir müssen das ganze Jahr wir selber sein und so wie die Kölner diese Woche im Jahr im Vollsuff wegfeiern, bin ich dann als Herr Sorge, eher nüchtern, in einer spacigen anderen Welt unterwegs, wo ich dann mal ein bisschen Auszeit habe von Samy Deluxe."
    Sing meinen Song
    In der dritten Staffel der Vox Fernsehsendung "Sing meinen Song" taucht auch Samy Deluxe auf. Hier kommen deutschsprachige Sänger aus unterschiedlichen Genres zusammen, darunter Nena, Wolfgang Niedecken und The Bosshoss und covern in ihrem Stil die Songs des jeweils anderen Interpreten.
    "Sing meinen Song" habe ich pauschal ein paar Male abgelehnt bevor ich dann irgendwann begriffen hab, dass das eine Plattform ist, den ganzen Tag das zu machen, was ich eh mache. Die wollten auch wirklich mich als mich haben und nicht eine quotentauglichere, glattgebügelte Form von mir. Die wollen schon Charaktere in dieser Show haben und eigentlich geht es darum, sich mit anderen Musikern über die eigene und deren Musik zu unterhalten. Und aus anderen Musikgenres meine Version zu machen und das sind ja eh das, was ich den ganzen Tag mache. Das Niveau der Runde war für mich sehr wichtig, zum Beispiel, dass da nicht irgendwelche Schlagersänger drinsitzen. Ich war sehr happy, als die Runde dann zusammenkam, weil das alles Leute mit verschiedenen Musikstilen, aber alle gefühlt ähnlichen Werdegängen sind. Jeder von uns hat angefangen in einem kleinen Haus der Jugend, lokal und sich hochgearbeitet. Das sind wirklich alles Musiker und keine Plattenfirmenprodukte. Ich hatte sehr viel Spaß daran, mich mit den unterschiedlichen Charakteren und Musikstilen auseinanderzusetzen."
    Trauma der Fehlinterpretation
    Samy Deluxe, der kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er seine Rap-Salven abfeuert, hat viele Facetten. Beispielsweise seine selbstgewählte Rolle als hipster Sozialarbeiter Deutschlands, der Kindern im Rahmen des selbstgegründeten Hamburger Vereins "Deluxe Kidz" eine Freizeitalternative zu Computerspielen, Playstation und exzessiver Handynutzung bieten möchte: Musik, Sprache, Tanz und natürlich auch Hip-Hop-Kultur. Dennoch, seine Karriere ist immer wieder von dem Gefühl überschattet, falsch interpretiert zu werden. Einmal brachte er die Hamburger Antifa gegen sich auf, die ihm nachsagen wollte, dass er rechtes Gedankengut verbreiten würde. Die Folge: Auftrittsverbot in der roten Flora, Hamburgs linkem alternativen Zentrum und Aktivisten, die Flyer vor seinen Konzerten verteilt haben. Eine Art Trauma für Samy Deluxe, das heute noch schmerzt:
    "Ich glaube, der falsch verstandenste Moment war 2009, wo ich ein Album gemacht hat, das hieß "Dis wo ich herkomme". Da habe ich auch ein Buch zu geschrieben. In dem Titeltrack, in dem ich mein aktuelles Deutschlandgefühl zu der Zeit ausgedrückt habe, das haben viele Leute in den falschen Hals bekommen und ein paar Zeilen so gemünzt als würde ich jetzt sagen: Deutschland ist fehlerfrei, lasst doch mal alle Deutschland bedingungs- und kompromisslos abfeiern. Gemeint war: Lasst doch nicht die Vergangenheit die Gegenwart und Zukunft überschatten. Das war eigentlich mein Anspruch und in den Jahren habe ich sehr viel sozial engagiert, habe einen Verein gegründet, war gefühlt drei Mal die Woche in Schulen, habe Workshops gegeben und war sehr nahe an der jungen Generation in diesem Land. Davon inspiriert, habe ich sehr viel Gutmenschentum entwickelt und bin damit mehr auf die Fresse gefallen als je mit meinem ganzen polemischen Meckern. Ich bin auch deswegen etwas gebrandmarkt und deswegen beim neuen Album wieder zum polemischen Meckern zurückgekommen. Ich habe gemerkt, dass die Leute es gar nicht wollen, wenn ihnen geholfen wird. Die Leute wollen eh immer etwas finden, was sie nicht mögen an dem was man macht und wollen lieber meckern als jemandem zustimmen und wollen sich lieber ihr eigenes Leben von äußeren Umständen versauern lassen als aktiv daran zu arbeiten, dass etwas für sie oder die Umwelt besser wird."
    Ein Leben für Hip-Hop
    Samy Deluxe liebt seinen Job als Rapper und Produzent. So sehr, dass er im Studio lieber an seinem nächsten Projekt arbeitet, als beispielsweise mal in Urlaub zu fliegen. Kein Wunder, wenn Samy Deluxe seine eigene Karriere betrachtet, geht der Blick eher nach vorne und weniger zurück.
    "Für mich ist das ein konstanter Fluss. Da gab’s Höhen und Tiefen, aber nie so hoch, das ich nicht wieder auf den Boden kommen konnte und nie so tief, dass ich nicht wieder aufstehen konnte. Das ist für mich das Wichtigste. Ich bin nicht so ein Analysetyp, der jetzt schaut, was geklappt hat und dann mache ich das jetzt wieder. Ich hatte eigentlich immer, wenn ich gerade eine Sicherheit hatte, den Drang etwas ganz anderes zu machen. Ich glaube, unterbewusst schränkt mich Sicherheit mehr ein als dieses Risiko des Künstlerlebens. Dieses Leben birgt ja dieses Risiko, dass es jeden Moment vorbei sein könnte. Es kann sein, dass mich morgen alle Scheiße finden, oder vielleicht jetzt schon, aber ich hab’s heute beim Aufstehen noch gar nicht gemerkt. Das Wichtige ist, dass man selber Spaß an dem hat, was man macht. Du solltest dich daran messen, was dein Kopf von dir will, was ist dein nächstes Ding, wie kannst du dich selber übertreffen? Ich weiß, ich bin heute faktisch extrem viel besser als ich am Anfang meiner Karriere war. Man wird allerdings trotzdem oft damit konfrontiert, dass diese ewig gestrigen Menschen einem abverlangen, dass man ihnen die Renaissanceschelle bietet, aber das ist nicht mein Motiv."
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