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"Sand in die Augen der Wähler"

Vertreter von CDU und SPD in Hessen kommen heute noch einmal zusammen, um Möglichkeiten für eine Koalition auszuloten. CDU-Fraktionschef Christean Wagner sagte dazu, das Gespräch sei die allerletzte Chance um zu verhindern, dass die Linkspartei über die Zukunft Hessens mitbestimme. Er glaube aber nicht, dass die SPD noch ernsthafte Gepräche führen wolle.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti will sich nun doch mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidenten einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen lassen. Sie begründete dies gestern in Wiesbaden mit ihrem Wunsch der Wähler nach einer anderen Politik in Hessen und der Weigerung der FDP, über eine Ampelkoalition zu verhandeln. Ypsilanti hatte vor der Landtagswahl jede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen. Nun sagt sie, "es wird vielleicht so ausgehen, dass ich ein Wahlversprechen nicht halten kann". Zitat Ende. Die Empörung, zumindest bei CDU und FDP in Hessen wie auch im Bund ist groß. Ratlosigkeit bei den Sozialdemokraten, so kann man es vielleicht beschreiben. Am Telefon ist jetzt Christean Wagner. Er ist Fraktionsvorsitzender der CDU im hessischen Landtag. Guten Morgen, Herr Wagner!

    Christean Wagner: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Sie sprechen heute noch mal mit der SPD über eine mögliche große Koalition. Von den Sozialdemokraten wurde aber schon signalisiert, dazu wird es auf gar keinen Fall kommen. Was ist Ihr Ziel in dem Gespräch?

    Wagner: Ich sage ganz freimütig, wir führen das Gespräch, um eine allerletzte Chance auszuloten, zu verhindern, dass die Kommunisten in Hessen künftig über die Zukunft unseres Landes mitbestimmen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die SPD dieses Gespräch noch ehrlich führen wird.

    Klein: Sie möchten Verhältnisse von Hessen abwenden, die Sie für schädlich halten. Da stellt sich natürlich auch die Frage, welche Kompromisse sind Sie bereit dafür einzugehen gegenüber der SPD?

    Wagner: Wir haben im Gegensatz zur SPD und auch zu den Grünen in der letzten Woche in einer umfassenden Wildunger Erklärung nach einer zweitägigen Klausurtagung gezeigt, dass wir nicht nur verstanden haben, wo wir flexibel sein müssen, wo wir kompromissbereit sein müssen, sondern dass wir auch bereit sind, insbesondere auf die Grünen zuzugehen und eine Jamaika-Koalition anzustreben im Bereich der Energiepolitik, in anderen Bereichen. Frau Ypsilanti hat den Parteien als Gesprächsangebot lediglich ihr Wahlprogramm zugeschickt.

    Klein: Da sind wir jetzt aber bei einer anderen Koalition. Die Frage war ja, wie weit würden Sie auf die SPD zugehen? Zum Beispiel eine Koalition mit einer Ministerpräsidentin Ypsilanti, dieser Kompromiss fällt schon mal aus?

    Wagner: Dieser fällt natürlich aus, und zwar würde das ja nicht demokratischen Gepflogenheiten entsprechen. Die CDU ist trotzt starker Wählerverluste, ist sie stärkste Partei geblieben. Das ignoriert ja Frau Ypsilanti, blendet es völlig aus. Und deshalb kann natürlich eine Große Koalition nur unter der Führung eines CDU-Ministerpräsidenten erfolgen.

    Klein: Und da ist die Frage, muss der CDU-Ministerpräsident Roland Koch heißen. Wenn das die Bedingung der SPD wäre, wären Sie als CDU bereit, sich darauf einzulassen, über die Personalie noch mal zu einem späteren Zeitpunkt zum Beispiel zu sprechen?

    Wagner: Nein, natürlich nicht. Wir fordern ja auch nicht Frau Ypsilanti auf, als Spitzenkandidatin der SPD zurückzutreten. Ich finde, man sollte in die Personalentscheidung der Parteien nicht von außen hereinregieren wollen und sollen. Wir haben in unserer Klausurtagung sehr klar und deutlich gesagt, dass wir hinter unserem Ministerpräsidenten Roland Koch stehen. Er ist, wie Sie wissen, einer der hervorragendsten Politiker bundesweit und auch hier in Hessen. Und deshalb halten wir natürlich an ihm fest.

    Klein: Herr Wagner, Sie gehen damit in Gespräche, wo auch von Ihrer Seite aus die Positionen, zumindest was die Richtung der SPD angeht, blockiert sind?

    Wagner: Nein, und zwar deshalb nicht, weil es eigentlich sich gehört unter demokratischen Parteien, dass man zunächst einmal über die Sache spricht. Und Frau Ypsilanti hat uns geschrieben, Punkt Nummer eins, nicht verhandelbar, Frau Ypsilanti wird Ministerpräsidentin. So geht man miteinander natürlich nicht um.

    Klein: Und Sie sagen dazu, Punkt Nummer zwei, Koch ist nicht verhandelbar?

    Wagner: Wir wollen erst mal überhaupt ausloten, ob wir in der Sache miteinander sprechen. Aber ich denke, das ist angesichts der klaren Äußerungen von Frau Ypsilanti, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten, ja wahrscheinlich obsolet geworden.

    Klein: Wechselnde Mehrheiten im Landtag. Das hat Frau Ypsilanti als Ziel formuliert gestern. Das könnte natürlich auch wechselnde Mehrheiten mit Ihnen, mit der CDU bedeuten, oder schließen Sie das von vornherein aus?

    Wagner: Es ist ja ein weiteres Mal Sand in die Augen der Wähler gestreut. Frau Ypsilanti tritt an, um eine deutliche Linkspolitik zu betreiben. So deutlich links, dass sie sogar sich von den Kommunisten wählen lässt. Und deshalb ist es völlig wirklichkeitsfremd zu vermuten, dass sie in einer solchen Konstellation hin und wieder CDU-Positionen auch vertreten würde, die dann von der CDU zustimmungsfähig wären.

    Klein: Aber wenn es darum geht, einfach stabile Verhältnisse zu wahren in Wiesbaden, dann könnte man die Instabilität ja auch vom Land fernhalten, indem sich die Ministerpräsidentin, wenn erforderlich, auf Ihre Stimmen verlassen könnte, aber das schließen Sie generell aus?

    Wagner: Das sind doch keine stabilen Verhältnisse, wenn Frau Ypsilanti wechselnde Mehrheiten anstrebt, sich zunächst einmal von den Kommunisten wählen lässt, außerdem eine ganze Reihe von landespolitischen Themen sofort auf die Tagesordnung rufen will, bei dem sie mit den Kommunisten völlig einig sind. Die hatten bereits in ihren Wahlprogrammen deutliche Übereinstimmung festgestellt. Es ist ein reines, in die Augen der Bürger Sand streuen, wenn sie sagt, na, ich könnte auch hin und wieder mal die CDU fragen, ob sie nicht meine Politik unterstützt.

    Klein: Herr Wagner, wie stark werben Sie nun noch um die Grünen für eine Jamaika-Koalition?

    Wagner: Wir haben in unserer Bad Wildunger Erklärung klar und deutlich gesagt, dass wir bereit sind, auf die Grünen zuzugehen, uns mit der FDP zu verabreden. Und wir werden trotz der klaren Äußerungen von Frau Ypsilanti und auch der Grünen gestern in Hessen alles tun, um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Wenn die Grünen bereit sind zu sprechen, dann auch mit ihnen zu verhandeln. Die Chancen sind gestern deutlich geringer geworden. Aber es lohnt jeglichen Aufwand, um zu verhindern, dass Kommunisten zum ersten Mal in einem westdeutschen Flächenland über die Zukunft eines Landes mitbestimmen.

    Klein: Wir sollten noch mal sagen, wenn Sie von Kommunisten sprechen, meinen Sie korrekterweise die Partei Die Linke, nur, um das noch mal dazu zu sagen.

    Wagner: Nein, nein, nein. Darf ich Ihnen dort klar und deutlich sagen Folgendes sagen? Der Spitzenkandidat und Fraktionschef der Linkspartei, Herr van Oyen, auf die Frage eines Journalisten, ob er denn sich als Kommunist bezeichnet, sagt er, ich habe überhaupt keine Probleme mit Kommunisten. Aber ich selbst bin Marxist. Und ein weiteres Mitglied der Linksfraktion bezeichnet sich als Trotzkisten. Im Übrigen haben wir ja, wie Sie wissen, in der Linkspartei in Hessen eine ganze Reihe von DKP-Mitgliedern oder Ex-SED-Mitgliedern und Ex-DKP-Mitgliedern. Es ist überhaupt nicht falsch, und die Linkspartei fühlt sich auch nicht beleidigt, wenn man bei ihnen von Kommunisten spricht.

    Klein: Herr Wagner, abschließend, wird sich Roland Koch am 5. April in jedem Fall ebenfalls zur Wahl stellen im hessischen Landesparlament?

    Wagner: Wir gehen da ja ganz solide und seriös vor. Wir sagen, Roland Koch stellt sich nur dann zur Wahl, wenn er eine verlässliche und stabile Mehrheit im hessischen Landtag hinter sich weiß. Dieses Spiel von Frau Ypsilanti machen wir nicht mit.

    Klein: Wenn kein neuer Regierungschef gewählt würde, bliebe Koch im Amt und müsste mit rot-rot-grünen Mehrheitsverhältnissen regieren. Ist das praktisch eigentlich denkbar für Sie?

    Wagner: Das ist Verfassungslage. Eine geschäftsführende Regierung ist nach der hessischen Verfassung verpflichtet, ihre Arbeit zu tun. Und Roland Koch würde dann natürlich verfassungsgemäß geschäftsführend für unser Land im Amt bleiben.

    Klein: Christean Wagner war das, Fraktionsvorsitzender der CDU im hessischen Landtag. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Wagner!