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Sanfter Druck auf den Iran

Zum Atomstreit mit dem Iran hat Außenamtsstaatsminister Gernot Erler gesagt, die Bundesregierung setze auf eine Resolution ohne Sanktionsautomatismus. Der völkerrechtsverbindliche Beschluss könne beinhalten, Wirtschaftskontakte zu reduzieren, Waffenlieferungen einzuschränken und Ölimporte zu verringern. Erler sprach sich dagegen aus, den Iran von der Fußballweltmeisterschaft auszuschließen.

Moderator: Burkard Birke |
    Burkhard Birke: Die Zeichen stehen auf Konfrontation, der Iran hat im Atomstreit nicht eingelenkt. Das hat zum Ablauf eines Ultimatums nun auch die IAEO, die Internationale Atomenergiebehörde in Wien, in einem Bericht offiziell festgestellt. Nun liegt also der Ball wieder bei der Internationalen Staatengemeinschaft. Was tun?

    Diese Frage wollen wir jetzt mit Gernot Erler, der SPD, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt erörtern. Guten Morgen Herr Erler.

    Gernot Erler: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Birke: Herr Erler, ist es Zeit, die Sanktionskeule zu schwingen?

    Erler: Das wird gar nicht funktionieren, weil darüber nicht Einigkeit besteht zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrat und Deutschland, die eher versuchen jetzt eine gemeinsam getragene Resolution zu entwerfen, die eine schwierige Aufgabe lösen muss, nämlich eine völkerrechtsverbindliche Resolution des Sicherheitsrats, nach Kapitel 7, also sage ich mal in der strengsten Form zu entwerfen, ohne dabei gleich diesen Sanktionsmechanismus auszulösen. Man ist schon seit einigen Tagen in intensiven Beratungen über die Einzelheiten dieses Textes. Aber ich glaube, es wird noch ein bisschen dauern, bis man sich da verständigt, denn das ist natürlich nicht einfach, einen solchen Text hinzukriegen.

    Birke: Bevor wir auf die Feinheiten im Kapitel 7, oder möglicherweise - es gibt auch andere Vorschläge - nach Kapitel 6, eingehen, noch mal die Frage: Verliert denn die internationale Staatengemeinschaft nicht an Glaubwürdigkeit, wenn jetzt nicht irgendeine Form von Sanktionen erlassen wird?

    Erler: Es gibt ja eine Möglichkeit, den Druck zu verstärken. Bisher, vor vier Wochen ist der Iran mit einer so genannten präsidentiellen Erklärung konfrontiert worden. Das ist sozusagen die erste Stufe einer solchen Mahnung. Eine UN-Resolution hat einen andern Charakter. Wer sich ihr nicht beugt, wenn sie zum Beispiel auffordert und das ist zu erwarten, dass der Iran eben genau die Forderung der IAEO erfüllt, die noch mal von El-Baradei bekräftigt worden sind, dann ist das ein Verstoß gegen Völkerrecht und das ist eben doch eine völlig andere Qualität. Deswegen versuchen auch die Iraner so wütend, eine solche Resolution zu verhindern und setzten nach wie vor auf eine Teilung der wichtigsten Vertreter der Weltgemeinschaft. Das haben sie bisher nicht geschafft und insofern ist das Gebot der Stunde weiter Geduld, Standfestigkeit und Einigkeit an den Tag zu legen. Das ist das beste Mittel, was man gegen die Provokation von Ahmadinedschad setzten kann.

    Birke: Einigkeit und Standfestigkeit Herr Erler, wie groß ist denn die Geschlossenheit, vor allen Dingen der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, wenn es nach Kapitel 7 gehen sollte, also die Androhung von Strafmaßnahmen, ohne diese gleich auch umsetzen zu müssen. Aber mit der ultimativen Ratio, auch Gewalt anwenden zu können. Wie groß ist da die Einigkeit insbesondere zwischen China, Russland und den anderen drei Mitgliedern?

    Erler: Es ist ganz klar, dass China und Russland auf jeden Fall eine konkrete Androhung von Sanktionen vermeiden möchten. Man muss natürlich auch sehen, dass dahinter sehr handfeste Interessen von beiden Ländern stehen. Russland ist ein sehr wichtiger Handelspartner des Irans, baut die Anlagen, die Atomanlage von Buschehr, ein 800-Millionen-Dollar-Projekt, hat Aussicht auf weitere große Geschäfte, ist ein wichtiger Waffenlieferant von Iran, im konventionellen Bereich.

    China ist vor allen Dingen an den immensen Energieressourcen des Iran dringend interessiert und hat entsprechende Kontrakte. Dass die natürlich nicht wollen, dass hier ein Sanktionsautomatismus eintritt, der sie dann irgendwann selber treffen würde ist klar, aber es ist doch bemerkenswert, dass eben auch Russland und China wiederholt den Iran aufgefordert haben, das Atomprogramm zu suspendieren im Bereich der Anreicherung, weil es auch hier einen breiten Konsens darüber gibt, dass der nicht eine Atommacht werden darf. Und diese Einigkeit muss man jetzt nutzen. Es ist jetzt nicht notwendig, hier innerhalb von Stunden zu reagieren und ich bin eigentlich optimistisch, dass am Ende, vielleicht erst am 9. Mai, wenn sich die Betroffenen erneut in New York treffen werden, dann ein Ergebnis stehen wird.

    Birke: Sie sagten, es geht darum, den Iran als Atommacht zu verhindern. Nun behauptet der Iran, er sei mit der Anreicherung ein gutes Stück vorangekommen. Entsprechende Berichte scheinen dies auch zu bestätigen. Wäre es denkbar, dass am Ende ein Kompromiss herauskäme, bei dem dem Iran gestatten würde, eine Anreicherung im begrenzten Umfange selbst durchzuführen?

    Erler: Also der einzige Kompromiss der eine wirkliche Chance hätte, wäre der, der von Russland vorgeschlagen wurde, nämlich der, dass der Iran durchaus das Recht bekommt, sich auch die Kenntnisse über Anreicherung, Wiederaufarbeitung anzueignen. Aber eben nicht durch entsprechende Arbeiten im Lande selbst, sondern zusammen mit anderen Ländern, in Russland, in einem Prozess der auch von der IAEO kontrolliert wird. Das ist ja das andere, was auch die anderen Staaten, unter anderem Amerika, ausdrücklich befürwortet haben und wenn es also ein Einlenken des Irans geben wird, dann wäre das am ehesten vorstellbar, auf der Basis dieses russischen Kompromissangebots.

    Birke: Wie ernst nehmen Sie eigentlich die unlängst geäußerten Drohungen einiger Militärs in Washington, man könne auch taktische Nuklearwaffen gegen den Iran einsetzten, um das Potential zu Massenvernichtungswaffen oder zur Atomtechnik von vorneherein zu beseitigen?

    Erler: Man muss immer solche Nachrichten ernst nehmen, aber bestätigt worden sind sie von Vertretern der Regierung nicht. Es zeichnet sich im Augenblick eher eine andere Richtung der Amerikanischen Politik ab. Frau Rice hat ja diesen Begriff "Coalition of the Willing", der so ein bisschen fehlleitet, weil er alle Menschen sofort an den Irakkrieg erinnert, ins Gespräch gebracht und zwar im Bezug auf politische und wirtschaftliche Maßnahmen. Ich glaube, dass Amerika versuchen wird, andere Länder dafür zu gewinnen, in dieser Situation jetzt eben die wirtschaftlichen Beziehungen mit Iran einzuschränken oder einzufrieren.

    Birke: Das heißt eine Koalition der Sanktionswilligen wäre denkbar auch ohne Russland und China? Womöglich auch, dass die EU-Staaten selbst Reiseverbot oder den Ausschluss der Iraner von der WM beschließen?

    Erler: Also eine solche Koalition ist ganz offensichtlich etwas, was die amerikanische Politik im Auge hat, aber ich betone, ausschließlich im Bereich von politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen und eben nicht im militärischen Bereich und es hat gerade auch in den letzten Stunden wieder auch in einem Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten, eine Verständigung darauf gegeben, dass man alles tun will, dieses Problem auf diplomatischem Weg zu lösen.

    Birke: Was wäre, wenn Israel einfach zu einem Militärschlag griffe?

    Erler: Also es ist nicht vorstellbar, dass Israel hier alleine so etwas macht. Wir haben hier eine ganz andere Situation, als bei diesem historischen Fall, wo Israel mal die irakische Anlage Osirak einfach bombardiert hat und damit ausgeschaltet hat, was schon über 20 Jahre her ist. Der Irak ist eine ernst zu nehmende Militärmacht. Er hat starke Flugabwehranlagen um seine Anlagen gebaut. Er hat einen Teil der Anlagen, wo wir nicht genau wissen welche, verbunkert. Israel alleine dürfte ein solches Abenteuer nicht unternehmen können und auch nicht wollen.

    Birke: Es ist klar, dass da die Billigung der USA zumindest im Hintergrund der USA vorhanden sein müsste. Nun sind die USA ja mit dem Iran ja auch in Verhandlungen über die Situation im Irak. Haben Sie Informationen darüber, dass dieser Kanal auch zur Schlichtungen des Atomstreits genutzt wird?

    Erler: Nein, das ist leider nicht der Fall, aber es ist gerade ja der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der wiederholt den Wunsch geäußert hat, dass Amerika diese Chance, dieser bilateralen Gespräche über die Vorgänge im Irak auch nutzt um das Atomprogramm anzusprechen. Bisher haben wir über Jahre hinweg, die sogenannten E3, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, diese Verhandlungen geführt und es ist natürlich klar, gerade wenn es um solche Fragen wie Sicherheit in der Region, über bestimmte Interessen des Iran auch Sicherheitsgarantien zu bekommen, es notwendig wäre, da auch die Vereinigten Staaten hier mit am Tisch zu haben und deswegen besteht darin immer noch eine diplomatische Chance hier vielleicht auch direkte Gespräche zwischen Amerika und der Führung in Teheran vorzusehen. Bisher allerdings ist die amerikanische Regierung diesem Wunsch der Europäer nicht näher getreten.

    Birke: Herr Erler lassen Sie uns doch noch mal auf das Thema UN-Resolution zu sprechen kommen, denn der russische Außenminister Lawrow hatte ja gesagt, eigentlich sollte die IAEO das Problem lösen und es sei gar nicht notwendig, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Glauben Sie, sie können die Russen überzeugen doch in den UN-Sicherheitsrat zu gehen?

    Erler: Also ich kann nur darauf hinweisen, dass diese Position der russischen Seite bekannt ist. Man versucht so lange wie möglich das Thema in dem Rahmen der Wiener Atomenergiebehörde zu belassen aber es ist ein Faktum, dass bereits jetzt konkret auch über eine gemeinsame Resolution beraten wird und insofern geht die Richtung jetzt nach dem Bericht von El Baradei, in die Richtung einer UN-Resolution. Das ist auch die logische, nächste Verstärkung des Druckes zu der die Weltgemeinschaft in der Lage ist und für die es im Prinzip keine vernünftige Alternative gibt.

    Birke: Würden Sie, lassen Sie uns ein bisschen spekulieren, denn dafür plädieren, dass sollte es nicht zu einer einheitlichen Resolution kommen, dass dann doch EU einen Alleingang macht und ich hatte vorhin schon mal die WM-Ausladung der iranischen Mannschaft ausgesprochen. Halten Sie das für eine mögliche Sanktion, sollte sich die Lage weiterzuspitzen?

    Erler: Ich persönlich halte nichts davon, den Fußball, ich will jetzt nicht sagen, missbrauchen, aber zu nutzen. Ich glaube, das würde eine Einfallschneise für viele Debatten darüber, welche Länder eigentlich das Recht haben, daran teilzunehmen und welche nicht, auslösen. Ich finde das sollte eher der Sport entscheiden. Man hat trotzdem verschiedene andere Möglichkeiten bei möglichen Gästen, die da kommen können eine Meinung dann frei und offen zu äußern, so auch dass alle Welt merkt, was dahinter für Ziele stehen. Also eine solche direkte Maßnahme halte ich nicht für vernünftig und es ist auch ein breiter Konsens bei den europäischen Staaten, dass die Weltgemeinschaft, das heißt in Grunde genommen die Vereinten Nationen jetzt der richtige Austragungsort für eine Verstärkung des Drucks auf die Teheraner Führung sind, ihre gefährlichen Programme zu suspendieren.