Welche Tiere reagieren ähnlich wie Menschen auf SARS-CoV-2?
Dazu wird viel geforscht, unter anderem auch in Deutschland auf der Insel Riems. Die liegt im Greifswalder Bodden geschützt in der Ostsee. Ein ideal abgelegener Ort, um mit gefährlichen Viren zu experimentieren. Genau darauf ist das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit spezialisiert - kaum war das neue Coronavirus SARS-CoV-2 verfügbar, hat man dort mit Infektionsstudien begonnen. Ergebnis: Schweinen und Hühnern macht das neue Virus wenig aus.
Dagegen infiziert es zum Beispiel Flughunde, sozusagen vegetarische Verwandte der Fledermäuse, die wahrscheinlich der natürliche Wirt des neuen Coronavirus sind. Und schließlich ließen sich auch Frettchen gut infizieren. Die Tiere gaben das Virus auch weiter, besonders krank wurden sie allerdings nicht. Andere Forscher konnten zeigen, dass SARS-CoV-2 auch Rhesusaffen infizieren kann, ebenso Katzen. Im New Yorker Zoo ist sogar ein Tiger betroffen. Aber die eignen sich nicht wirklich als Versuchstiere.
Nur nebenbei für alle Hundehalter: Dem besten Freund des Menschen scheint SARS-CoV-2 nichts anhaben zu können.
Wie kommt man ausgerechnet auf Frettchen als Versuchstiere?
Frettchen sind schon seit Langem ein wichtiges Modell für die Influenza, also die Grippe. Die kleinen Iltisse sind in ihren Atemwegen den Menschen offenbar sehr ähnlich, sie werden von den gleichen Viren angegangen. Deshalb kann man die Tiere auch nutzen, um etwas über die Ausbreitung der Erreger zu erfahren, über die Wirksamkeit von Medikamenten oder Impfstoffen. Wie sich jetzt herausstellt, könnten Frettchen auch für COVID-19 ein Modell darstellen. Das ist gut, einfach weil eine ganze Reihe von Laboren für Atemwegserkrankungen wissen, wie sie mit Frettchen arbeiten können.
Gibt es schon Ergebnisse aus den Versuchen an Frettchen?
Die Forschung rollt gerade erst an. In Südkorea haben Wissenschaftler Frettchen für eine Art Kettenübertragung genutzt: Sie haben einem Frettchen die Viren in die Nase gegeben, haben dieses Frettchen neben gesunde Tiere gesetzt und abgewartet, ob sich diese auch anstecken. Das erste Frettchen entwickelte nach einigen Tagen Fieber, offenbar vermehrt sich das Virus in den oberen Atemwegen. Die tiefe Lunge war dagegen, anders als bei Menschen, nicht betroffen. Trotzdem haben die Frettchen Viren ausgeschieden. Sie lassen sich im Nasenschleim nachweisen, aber auch im Kot und im Urin. Das waren keine Riesenmengen an Viren, aber immerhin haben sie ausgereicht, um Frettchen im selben Käfig zu infizieren. Die bekamen auch Fieber und fingen an zu husten.
Bei engem Kontakt wird das Virus also übertragen. Tiere in Nachbarkäfigen blieben dagegen gesund. Also bei Frettchen zumindest ist der direkte Kontakt für die Übertragung des Virus entscheidend, nur die gleiche Luft zu atmen, reicht nicht aus. Es gab zwar auch Zeichen, dass das Virus im Nachbarkäfig ankam, aber wohl nicht in Konzentrationen, die für eine Infektion ausreichen. Die Forscher aus Südkorea interpretieren das so, dass eine Ansteckung über die Luft bei flüchtigem Kontakt unwahrscheinlich ist. Andere Wissenschaftler sehen das anders.
Frettchen hin oder her, vorerst scheint es eine gute Idee, im Supermarkt oder in der Arztpraxis eine Maske zu tragen.
Wieso arbeiten die Forscher nicht, wie bei so vielen anderen Experimenten, mit Mäusen?
Mäusen kann das neue Coronavirus wenig anhaben, denn deren ACE2-Eiweiß auf den Lungenzellen sieht an einer entscheidenden Stelle anders aus. ACE2 ist sozusagen die Eintrittspforte für das neue Coronavirus. Das Virus kommt vielleicht mit der Atemluft in die Lunge der Nager, aber es findet keine Möglichkeit, sich dort festzusetzen. Gut für die Mäuse, schlecht für die Forscher.
Dank der Gentechnik lassen sich heutzutage Versuchstiere maßschneidern. Im Rahmen der SARS-Epidemie 2003 hat man Mäuse mit einem zusätzlichen Gen für das menschliche ACE2 hergestellt, denn auch SARS nutzt ACE2 als Eintrittspforte. Diese genveränderten Mäuse wurden auch in den Laboren verwendet, doch dann verschwand SARS und damit auch die Forschungsförderung. Die Mäuse - oder besser ihre Spermien - wurden auf Eis gelegt. Man kann sie zwar bei den Jackson Laboratories in den USA bestellen. Aber die Tiere müssen erst wieder nach gezüchtet werden, das dauert mindestens noch bis Mai, und selbst dann wird die Nachfrage das Angebot sicher weit übertreffen.
Deshalb gehen Forscher an der Universität Marburg einen anderen Weg. Statt komplette Mäuse genetisch zu verändern, sprühen sie den Tieren ein Trägervirus – wohlgemerkt kein Coronavirus – in die Lunge, dass dieses ACE2-Gen im Gepäck hat. Die Lungenzellen bilden das Eiweiß dann für eine gewisse Zeit, und währenddessen können die Forscher Experimente mit SARS-CoV 2 an den Mäusen durchführen.
Bei welchen Fragestellungen helfen Experimente an entsprechend genveränderten Mäusen?
In diesen Mäusen lässt man zum Beispiel die Effektivität eines Impfstoffs abschätzen. Das ist auch wichtig, weil es eine theoretische Möglichkeit gibt, dass ein Impfstoff nicht schützt, sondern die Krankheit sogar verstärkt. Diese paradoxe Reaktion ist sehr selten, aber man will sie über Versuche mit Mäusen ausschließen.
Die Wirksamkeit von Medikamenten zu beurteilen, ist dagegen schwieriger. Denn die Mäuse vermehren das Virus zwar, aber anders als Menschen werden sie nicht richtig krank. Da sind Experimente in der Zellkultur mit menschlichen Lungenzellen aussagekräftiger.
Es gibt allerdings andere genveränderte Mäuse, die besonders empfänglich für den sogenannten Zytokin-Sturm sind, eine Überreaktion des Immunsystems die für COVID-19-Patienten besonders gefährlich ist. Diesen speziellen Aspekt könnte man also vielleicht auch in Mäusen untersuchen.
Braucht man einen ganzen Zoo an Versuchstieren, um eine Krankheit wie COVID-19 zu verstehen?
Im Grunde ja, denn kein Tier ist ein Mensch, aber unterschiedliche Aspekte des Krankheitsgeschehens lassen sich in unterschiedlichen Tieren nachstellen.
Die Weltgesundheitsorganisation sieht das genauso und veranstaltet Videokonferenzen, auf denen sich die internationalen Experten über die verschiedenen Ansätze zu Tier-Modellen austauschen. Einmal haben fast 100 Menschen teilgenommen, da sieht man, wie wichtig die Frage ist. Es wird viel versucht, unter anderem lassen sich verschiedene Affenarten mit SARS-CoV-2 infizieren. Die Tiere überstehen die Krankheit und sind dann zumindest einen Monat immun gegen eine zweite Infektion. Länger haben die Experimente einfach noch nicht gedauert, aber das zeigt, eine Impfung sollte prinzipiell möglich sein.
Mehrere Gruppen arbeiten auch mit Hamstern. Erste Daten zeigen: diese Tiere lassen sich nicht nur infizieren, sie werden auch krank, wenn auch nicht so schwer wie Menschen. Das könnte also ein weiteres wichtiges Tiermodell werden, zumal Hamster auch schon für andere Fragestellungen etabliert sind.
Kann sich jeder Forscher an solche Tierversuche machen?
Sicher nicht, und zwar aus einem ganz anderen Grund. SARS-CoV-2 ist ein gefährliches Virus, man darf nur in Laboren mit dem Biosicherheitslevel 3 damit arbeiten. Solche Labore sind nicht an jedem Institut verfügbar. Um welches Tiermodell es auch geht, das Drumherum muss stimmen, sonst dürfen die Versuche erst gar nicht beginnen.