Das Sternbild Fuhrmann erhebt sich derzeit frühmorgens majestätisch am nördlichen Horizont, im Südosten steht rot leuchtend der Mars. Um 5 Uhr wird diese Idylle gestört: Wie eine Perlenkette ziehen Satelliten fast eine Stunde lang in einer langen Reihe über den Himmel.
Um 6:30 Uhr folgt ein zweiter genauso langer Satellitenzug: Es sind 120 Starlink-Satelliten des US-Unternehmens SpaceX. In den nächsten fünf Jahren sollen es über 2000 Satelliten werden, die den Himmel möglichst flächendeckend abdecken, hatte Firmenchef und Milliardär Elon Musk angekündigt – und damit heftige Reaktionen ausgelöst.
"Wir erlauben es jemandem, der sehr reich ist, uns eine gemeinsame Ressource aller Menschen wegzunehmen."
Mark McCaughrean ist leitender wissenschaftlicher Berater der europäischen Raumfahrtagentur. Und wie viele seiner Astronomie-Kollegen ist auch er aufgebracht. Die Internationale Astronomische Union warnt, die Megakonstellation Starlink könnte den Himmel als eine weitgehend ungestörte Ressource der Menschheit gefährden. Und damit werde es immer schwieriger, Astronomie zu betreiben. Mit seinem erdumspannendenden Netz aus Starlink-Satelliten will Elon Musk global schnelle Internetverbindungen anbieten. Doch gleichzeitig fliegen immer häufiger Starlink-Satelliten in das Blickfeld von Teleskopen.
Satelliten werden die ganze Nacht angeleuchtet
"Bei uns im nördlichen Europa herrscht im Sommer die ganze Nacht Zwielicht. Obwohl sich die Sonne unter dem Horizont befindet, werden die Satelliten damit die ganze Nacht angeleuchtet und sind sichtbar."
Wie störend die tausenden neuen über den Himmel ziehenden Punkte wirklich werden, beginnen professionelle Astronomen erst langsam zu fassen. Denn weder die Zahl noch die Bahnhöhen der Starlink-Satelliten scheinen derzeit in Stein gemeißelt zu sein. – Immer wieder kündigte SpaceX an, Satelliten tiefer kreisen zu lassen – oder die Zahl langfristig sogar bis auf 42.000 zu erhöhen. Bruno Leibundgut plant bis heute das Beobachtungsprogramm der Europäischen Südsternwarte in Chile – und sorgt sich speziell um ein Teleskop seiner US-Kollegen.
"Wenn man sich überlegt: Das Large Synoptic Survey Telescope, LSST, durchsucht den ganzen Himmel immer wieder, alle drei Nächte: Da werden sie immer wieder diese Satellitenbahnen in ihren Aufnahmen sehen. Und das wird mit Sicherheit ein großes Problem werden."
Satellitenbahnen werden von Teleskopen erfasst
Das LSST wird gerade erst auf dem fast 2700 Meter hohen El-Peñón-Gipfel im nördlichen Chile fertiggestellt und soll den gesamten Himmel nach unbekannten Asteroiden oder Supernovae absuchen. Das von Europa gebaute Very Large Telescope VLT in den Anden oder neue, im Bau befindliche Riesenteleskope, dürften weniger stark von Starlink betroffen sein.
"Für Beobachtungen im Bereich des VLT oder mit Teleskopen, die typischerweise ein sehr kleines Blickfeld haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Satellit durch das Blickfeld durchläuft, doch relativ gering."
Vertreter von SpaceX haben den Aufschrei der Astronomen erhört: Elon Musk kündigte an, neue Starlink-Satelliten auf der Unterseite dunkler zu machen, damit sie weniger Licht zum Boden zurückstrahlen. Er schlug auch vor, sie über großen Observatorien automatisch so auszurichten, dass sie die Teleskope möglichst wenig blenden. Bruno Leibundgut ist skeptisch.
"Da ist die Erfahrung so, dass die Industrie sich sehr gerne zu solchen Dingen äußert, aber die Umsetzung dann meistens nicht so einfach ist und auch nicht immer klappt."
Am Ende bleiben die Megakonstellationen aus der Sicht der Astronomen ein riskantes Experiment, das den Nachthimmel für immer verändern dürfte.
Natürlicher Nachthimmel in Städten bereits verloren
"In den hellen Städten haben wir den Nachthimmel bereits verloren. Und jetzt sollen wir ihn auch noch auf dem dunklen Land verlieren, wenn man an den Himmel blickt und nur noch bewegte Punkte sieht?"
Ihnen geht es längst nicht nur um die professionelle Astronomie – sondern den Verlust des Nachthimmels für alle Menschen.
"Die nächste Generation von Menschen könnte durchaus damit leben müssen, dass ein Großteil der Himmelskörper, die sie sehen werden, künstlich sind und nicht mehr natürlich."