Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Satelliten
Vollelektrischer Antrieb im All

Satelliten werden durch eine Unmenge an Treibstoff gesteuert, sie müssen regelmäßig ihre Position korrigieren. Nach vielen erfolglosen Versuchen sind nun zwei ins All geschickt worden, die sich komplett elektrisch bewegen. Das hat Vor- und Nachteile.

Von Guido Meyer | 02.03.2015
    Der ESA-Satellit Gaia in einer Illustration.
    Neuer Versuch: Zwei Satelliten sollen im All elektrisch gesteuert werden - im Bild der noch herkömmlich angetriebene Satellit Gaia. (picture alliance / dpa - European Space Agency)
    Seit 50 Jahren arbeite man nun schon an elektrischen Antrieben, klagt Roger Rusch, der Präsident von TelAstra in Los Angeles, einem Unternehmen, das Satellitenfirmen berät. "Die ersten experimentellen elektrischen Triebwerke wurden schon in den 60er-Jahren getestet. Sie haben aber nicht lange durchgehalten. Zehn Jahre später ist es erneut versucht worden. Und wieder machten die Triebwerke Probleme. So ungefähr alle zehn Jahre gab es einen neuen Versuch. Und jeder ist gescheitert. Jetzt glauben wir endlich, dass elektrische Antriebe dazu in der Lage sind, die entscheidenden Bahnkorrekturen eines Satelliten durchführen zu können."
    Wesentlich weniger Gewicht
    Elektrische Antriebe haben genausoviele Vorteile wie Nachteile. Ihnen kommt zugute, dass Satelliten weniger Hydrazin, also chemischen Raketentreibstoff, mit sich führen müssen, der für die Hälfte ihres Gewichts verantwortlich ist. Ihn benötigen sie zunächst, um ihre endgültige Umlaufbahn zu erreichen, und dann, um auf dieser zu bleiben.
    "Der Nachteil elektrischer Antrieb ist, dass ihr Schub relativ schwach ist. Es dauert nicht ein oder zwei Tage, wie bei herkömmlichen Raketentriebwerken, sondern bis zu einem halben Jahr, ehe der Satellit seine Umlaufbahn erreicht."
    Elektrische Triebwerke führen Xenon-Gas mit sich, das ionisiert wird. Die so erzeugten Ionen werden ausgestoßen und erzeugen einen Rückstoß, der sich zur Steuerung der Satelliten zielgerichtet lenken lässt. Denn auch auf ihrer endgültigen Umlaufbahn müssen ihre Positionen regelmäßig korrigiert werden, erklärt Yves Feltes vom europäischen Satellitenbetreiber SES, der Société Européenne des Satellites in Luxemburg.
    "In der Praxis bedeutet das, dass dieser Satellit, der im Prinzip geostationär ist, aus der ihm zugeteilten Orbitalposition abdriftet. 19,2° Ost ist ungefähr sagen wir mal über der Republik Kongo. Tatsache ist, dass die Satelliten in dieser Orbitalposition rein physisch gesehen von der Masse des Himalaja-Gebirges im Osten angezogen werden, das heißt, die haben eine bemerkbare Drift nach Osten, der wir durch Aktivierung der Steuerdüsen an Bord des Satelliten entgegen wirken müssen."
    Versuche scheiterten bisher immer
    Diese Steuerdüsen sollen künftig von Ionentriebwerken kontrolliert werden. Versucht worden ist das schon oft, nicht zuletzt vom US-Militär, aber nie zur vollen Zufriedenheit. Auch SES war über die bisherigen Praxistests unzufrieden.
    "Die meisten von diesen Dingern haben über die Jahre versagt, sodass wir auf den herkömmlichen Treibstoffantrieb zurückgreifen mussten."
    Doch nun unternimmt der amerikanische Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing erstmals den Versuch, gleich zwei Satelliten komplett elektrisch zu steuern. Die Firma SpaceX hat die beiden heute früh an Bord einer Falcon-9-Rakete ins All geschickt, und zwar im Auftrag der Unternehmen Eutelsat und Asia Broadcast Satellite. Auch Europas SES kündigt an, in zwei Jahren mit einem Prestigeobjekt nachziehen zu wollen.
    "SES-12 ist einer der größten Satelliten, die wir je gebaut haben, mit vollelektrischem Antrieb. Das heißt, das elektrische Triebwerk wird bis zu sechs Monate brauchen, um ihn von 350 Kilometern Höhe in 36.000 Kilometern geostationäre Umlaufbahn zu bringen. Und daraufhin werden sämtliche Manöver, um den Satelliten in der Umlaufbahn zu behalten, mit elektrischem Antrieb gemacht werden."
    Sollten sowohl die europäischen wie die amerikanischen Projekte funktionieren, könnte dies zu einer Kostensenkung im Bereich der unbemannten, kommerziellen Raumfahrt führen.