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Saubere Mobilität
Neue Akku-Züge für den Norden

Weil der Ausbau von Oberleitungen stockt, fahren bisher viele Züge nicht elektrisch, sondern nach wie vor mit Dieselantrieb. Das Land Schleswig-Holstein setzt nun auf eine neue Art der Elektrifizierung: mit Batterie-Antrieb.

Von Johannes Kulms | 14.10.2019
nicht überall im Land sind die Züge sauber unterwegs - nämlich dort, wo die Oberleitungen fehlen und die Loks und Triebwagen mit Dieselantrieb fahren und viel Stickoxid ausstoßen. Schleswig-Holstein ist dafür ein gutes Beispiel, gerade mal 29 Prozent der Bahnstrecken sind dort elektrifiziert. Doch schon in wenigen Jahren soll ein Zug mit Batterie-Antrieb Abhilfe schaffen.
So sehen sie aus: die neuen Akku-Züge für Schleswig-Holstein. (Johannes Kulms)
Auf Gleis 1 des Kieler Hauptbahnhofs wartet an diesem Vormittag die Regionalbahn nach Lübeck. Der knallrote DB-Zug brummt kräftig vor sich hin. Kein Wunder. Weniger als ein Drittel aller Bahnstrecken hohen Norden sind elektrifiziert. Der Großteil der Züge fährt wie dieser mit Dieselantrieb.
Auf dem Nachbargleis setzt sich nun ein blau-weißer Zug mit der Aufschrift "Flirt Akku" in Bewegung. Er soll schon in wenigen Jahren eine deutlich umweltfreundlichere Ära im norddeutschen Bahnverkehr einläuten. Auch wenn er auf eine Technologie setzt, die gar nicht so neu ist, wie auch Steffen Obst einräumt…
Technologie hat sich weiterentwickelt
"Also, es gab schon vor 100 Jahren Batteriefahrzeuge…"
Steffen Obst ist Vertriebschef für die Deutschlandgeschäfte von Stadler. Das Schweizer Unternehmen hat den "Flirt Akku" entwickelt. Der Zug kann einerseits mit seinem Abnehmer den Strom aus der Oberleitung nutzen…
"... und da, wo kein Fahrdraht ist, da nutzen wir die Energie aus der Batterie. Und bevor diese Batterietechnologie soweit war, dass wir sie für die großen Leistungen, die wir hier bei der Bahn brauchen – wir haben ein großes Gewicht der Fahrzeuge, das wir beschleunigen müssen – bevor die verfügbar waren, haben wir in der Vergangenheit dafür Dieselmotoren eingesetzt."
Die Batterien sind bei dem Prototypen auf dem Zugdach und in einem kleinen Extraraum untergebracht. Später sollen sie auch unter dem Fahrzeug verbaut werden. Mindestens 80 Kilometer Strecke schaffe der Triebwagen bisher alleine mit Akku-Antrieb, sagt Steffen Obst.
Nur ein Drittel der Bahnstrecken mit Oberleitung
Der Zug zuckelt inzwischen in Richtung Oppendorf. Die eingleisige Strecke ist nicht elektrifiziert. Mit an Bord ist auch Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz. Er hat kurz vor der Abfahrt die Bestellung von 55 Zügen dieses Typs mit dem Hersteller Stadler unterschrieben.
"Es löst nicht alle Probleme. Aber es schafft Möglichkeiten, einer, ich sag' mal, einer fehlenden Dynamik bei der Elektrifizierung der Schienenstrecken entgegenzuwirken. Nicht darauf warten zu müssen, dass der Bund das ganze Schienennetz in Schleswig-Holstein elektrifiziert. Was im Zweifel für bestimmte Schienenteile auch gar nicht wirtschaftlich darstellbar ist."
Tatsächlich ist Schleswig-Holstein mit seinem Anteil von 29 Prozent bundesweit das Schlusslicht bei der Elektrifizierung des Bahnverkehrs. Mit den Akku-Zügen werden zwar nicht die Strecken elektrifiziert. Aber immerhin die Züge.
Auf sechs Verbindungen sollen sie ab Ende 2022 rollen. Zum Beispiel von Kiel nach Flensburg. Oder von Bad Oldesloe nach Neumünster und von dort weiter nach Büsum.
Eine Elektrifizierung aller Bahnstrecken sei wünschenswert, doch leider komme die DB Netz dabei nicht hinterher, sagt Professor Markus Hecht. Er leitet das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin. Für die Finanzierung der Oberleitungen sei letztendlich der Bund als Eigentümer der Bahn zuständig. Allerdings wälze Berlin die Verantwortung auf die Länder ab, weil die Bundesregierung wüsste, dass die eben für die Beschaffung der Fahrzeuge zuständig seien. Zwar sei der Einsatz eines Akku-Zugs wie der des Herstellers Stadler gut für die Umwelt. Aber die Triebwagen kosteten eben auch rund 50 Prozent mehr als ein konventioneller Elektrozug, so Hecht.
Doch das Geld sei gut angelegt, meint Schleswig-Holsteins Landesregierung. Denn langfristig sei der bestellte Akku-Zug günstiger als ein Dieseltriebwagen. Die Verträge sehen vor, dass der Hersteller Stadler über 30 Jahre auch die Wartung der Züge organisiert.
CO2-Ausstoß sinkt um ein Viertel
Burkhard Schulze arbeitet beim Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH im Bereich Verkehrswirtschaft. Er ist überzeugt, dass sich die Bahnstrecken zwischen Nord- und Ostsee gut für den neuen Akku-Zug eignen. Andererseits weiß Schulze auch: Für die Höchstgeschwindigkeit von rund 160 Stundenkilometern sind nur die wenigsten Abschnitte der meist eingleisigen Strecken im Land ausgelegt. Auch nicht zwischen den beiden größten Städten des Landes.
"Wenn man wirklich schneller werden will zwischen Kiel und Lübeck, dann brauchen wir da einen Ausbau, einen weiteren."
Sind die 55 Stadler-Züge einmal auf der Schiene würde der CO2-Ausstoß im Schleswig-Holsteinischen Bahnverkehr um ein Viertel sinken, so Schulze. Auf einigen anderen Strecken – wie zum Beispiel zwischen Hamburg und Sylt - werden die Züge wohl noch länger mit Dieselantrieb fahren. Und auch der Strom für die Oberleitungen sei eben noch über einen längeren Zeitraum nicht hundertprozentig sauber. Weil er auch weiterhin mit Kohle erzeugt wird.