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Saudi-Arabien und der Fußball
Brisanter Deal um Newcastle United

Der Besitzer von Manchester City kommt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Paris St. Germain gibt viel Geld aus Katar aus. Jetzt drängt Saudi-Arabien auf die Fußballbühne: Kronprinz Mohammed bin Salman plant den Kauf von Newcastle United.

Von Robert Kempe | 31.05.2020
Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien, am 14. Oktober 2019 bei Gesprächen zwischen Russland und Saudi-Arabien.
Mohammed bin Salman, saudischer Kronprinz, möchte den Premier-League-Klub Newcastle United kaufen. (imago images / Russian Look)
Es ist ein riesiges Geschäft - und eine neue Dimension in der britischen Premier League. Eine Investorengruppe will den Verein Newcastle United übernehmen für angeblich 330 Millionen Euro.
Brisant: 80% der Kaufsumme sollen von einem milliardenschweren saudi-arabischen Staatsfonds kommen. Dem steht der saudische Thronfolger, Kronprinz Mohammed bin Salman vor.
Für James Dorsey, einem der führenden Experten für Politik des Nahen Ostens, ist das Geschäft ein Politikum: "Saudi-Arabien will unbedingt ein wichtiger Akteur im internationalen Fußball sein. Es möchte in dieser Welt als wichtig angesehen werden. Das ist Teil einer umfassenderen Strategie. Und wenn man auf Mohammed bin Salmans Entwicklungspläne für die saudische Wirtschaft blickt, ist Sport dabei ein wichtiges Element."
Unter dem saudischen Kronprinzen gibt es Sportveranstaltungen
Seit 2017 ist Mohammed bin Salman Kronprinz von Saudi-Arabien, eine streng konservativen islamischen Monarchie, und der heimliche Herrscher. Er führte mehrere liberale Reformen ein: so können Frauen ohne männliche Begleitung reisen und seit zwei Jahren Autofahren, es gibt Konzerte mit westlichen Musikern. Und auch Sportveranstaltungen: zum Beispiel Wrestling, Boxen, regelmäßig die Formel E und sogar das italienische und spanische Pokalfinale im Fußball wurden in Saudi-Arabien ausgetragen. Doch der Kronprinz ist keinesfalls ein Erneuerer, betont James Dorsey:
"Die Menschenrechte in Saudi-Arabien waren nie gut, aber sie haben sich seit dem Amtsantritt von Mohammed bin Salman sicherlich erheblich verschlechtert." Jeder, der den Prinzen kritisiert oder in manchen Fällen eher schweigt, anstatt den Prinzen zu loben, läuft Gefahr, inhaftiert zu werden.
2019 so viele Hinrichtungen wie nie zuvor in Saudi-Arabien
Im Land gibt es weder Meinungs- noch Pressefreiheit. Aktivisten, wie die Frauenrechtlerin Loujain al Hathloul, sitzen im Gefängnis. Ihre Familie berichtet über Missbrauch und Folter mit Elektroschocks. 2019 zählte Amnesty International 184 Hinrichtungen, so viel wie noch nie in Saudi-Arabien. Zudem führt das Königreich seit 5 Jahren einen brutalen Krieg im Jemen: Laut den Vereinten Nationen die größte humanitäre Krise der Gegenwart.
Für weltweites Aufsehen sorgte 2018 der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi - einen Kritiker des Kronprinzen. Khashoggi wurde im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando getötet, als er Unterlagen für seine Hochzeit holen wollte. Seine Verlobte Hatice Cengiz wartete draußen auf ihn.
"Das ist für mich ein Trauma. Dieser Mord ist etwas, was außerhalb der Menschlichkeit ist, was man in keiner Sprache erklären kann. Und wenn Menschen davon erfahren, sträuben sich ihnen die Haare. Es ist ein gnadenloser Vorfall."
Im Fall Khashoggi Verhandlungen hinter verschlossenen Türen
Zwar räumte Saudi Arabien den Mord ein, es gab Gerichtsverfahren mit fünf Todesurteilen, doch fanden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen statt. Für Hatice Cengiz geht es Saudi-Arabien statt um Aufklärung eher um die eigene Reputation.
"Der Kauf des englischen Clubs wird gemacht, um das angeschlagene Image aufzupolieren. Falls er zustande kommen sollte, wäre das ein falscher Schritt, denn das würde bedeuten: Egal was passiert, wer Macht und Geld hat, kann alles unter den Teppich kehren."
UN-Sonderberichterstatterin: Kauf von Newcastle United wäre Inszenierung
Der Mord an Khashoggi war von hohen Stellen geplant und organisiert, so steht es in einem UN-Bericht. Die ermittelnde Sonderberichterstatterin, Agnès Callamard, fordert weitere Ermittlungen, um die Auftraggeber zu finden. Auch gegen Kronprinz Mohammed bin Salman, der bestreitet Kenntnis vom Mord gehabt zu haben. Doch für Callamard ist klar, die Verantwortlichen sind ganz oben im saudischen Staat zu suchen. Mit der Übernahme will sich Saudi-Arabien nun als moderne Sportnation inszenieren.
"Geld von einem Land zu akzeptieren, das bereit ist, Journalisten ins Gefängnis zu stecken, friedliche Aktivisten einzusperren, Frauen einzusperren. Ich glaube, der Widerspruch ist offensichtlich. Was bleibt vom Sport übrig? Wenn der britische Fußball und die Fans dem Kauf des Klubs zustimmen, wenn sie so vorgehen, werden sie den Sport um seine Werte berauben und der Welt ein Bild vom Fußball vermitteln, das nichts anderes ist als Geld."
Die Premier League muss entscheiden
In Newcastle wird über die möglichen saudischen Investoren ausgiebig diskutiert. Nach Jahren der Erfolglosigkeit verleitet die Aussicht auf saudische Öl-Millionen die Fans zum träumen, erklärt Alex Hurst, Vorsitzender einer der größten Fanorganisationen des Klubs:
"Wer auch immer den Klub übernehmen würde, würde mit offenen Armen empfangen werden. Die Tatsache, dass es eine so ehrgeizige Übernahme ist, so viel Reichtum dahinter steht, begeistert die Fans offensichtlich noch mehr."
Seit mehreren Wochen liegt das saudische Angebot bei der Premier League. Die muss letztlich entscheiden. Die geplante Übernahme ist schon jetzt eine der kontroversesten in der Sportgeschichte.