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Schaar gegen zentrale Einsicht in biometrische Daten

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat vor einer zentralen Verfügbarkeit biometrischer Daten gewarnt. Wenn zum Beispiel digitale Gesichtsbilder gesammelt würden, wäre es möglich, die bei einer öffentlichen Videoüberwachung aufgezeichneten Personen mit diesen Daten zu identifizieren. "So weit darf es nicht kommen", sagte Schaar.

Moderation: Elke Durak | 25.04.2006
    Elke Durak: Wie sicher sind wir mit dem digitalen Personalausweis, der 2008 eingeführt werden soll? Diese Frage bezieht sich vor allem auf den Schutz unserer biometrischen Daten vor unberechtigtem Zugriff. Aber selbst wenn ein Berechtigter zugreifen darf, wollen Sie das? Wollen Sie überhaupt, dass alles entschlüsselt werden kann per Computer? Und wir wissen ja: Es gibt für bestimmte Spezialisten nichts, was sie nicht entschlüsseln können. Darum werden jetzt Debatten geführt, derzeit zwischen und im Bundesinnenministerium mit diversen Experten und auch anderen Behörden.

    Wir wollen jetzt wissen, was der Bundesbeauftragte für den Datenschutz von all dem hält. Peter Schaar ist es, jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Peter Schaar: Guten Morgen!

    Durak: Sagen Sie, Herr Schaar, sollen denn Unternehmen überhaupt biometrische Daten zweckgebunden kaufen oder auch dann auswerten können, denn das ist ja wohl vorgesehen?

    Schaar: Das lehne ich entschieden ab. Wenn biometrische Daten in Personalausweise hineinkommen sollen, dann ausschließlich zum Zweck der so genannten Verifikation. Das ist eine Aufgabe, die den Behörden obliegt und nicht irgendwelchen Privaten. Und von Verkaufen kann hier schon gar keine Rede sein. Es sind personenbezogene Daten, die im staatlichen Auftrag durch den Staat gespeichert werden für bestimmte Aufgaben, die der Staat zu erfüllen hat. Solche Daten können natürlich jetzt nicht von Privaten gekauft werden.

    Durak: Das will ja das Bundesinnenministerium offenbar auch nicht, dass irgendwelche privaten Unternehmen oder auch andere Kreise einfach kaufen und auswerten können. Man will zweckgebundene Daten erheben und auch auswerten lassen. Auch das halten Sie für nicht richtig?

    Schaar: Na ja, es kommt immer darauf an: Welche Daten werden für welche Zwecke dann erhoben? Wir haben ja von den biometrischen Daten gesprochen. Da lehne ich es komplett ab, dass das jetzt an irgendwelche Privaten gelangt. Da wäre dann die beste Basis gegeben gerade für das, was man vermeiden will, für den Identitätsdiebstahl. Wir haben das auch schon in den USA. Wenn zum Beispiel jetzt jedes Unternehmen in der Lage wäre, den Personalausweis auszulesen und dabei den Fingerabdruck, wenn er dann dort gespeichert ist, auch zur Kenntnis zu nehmen, dann würde ja ein System, das zum Beispiel eine elektronische Zugangskontrolle gewährleisten soll, gerade mittels solcher Daten dann auch leicht überspielt werden können, weil diese Daten dann überall verfügbar wären.

    Durak: Wenn nun aber beispielsweise Unternehmen eine begrenzte Zugangsberechtigung bekämen, also beispielsweise nur das Alter auslesen könnten aus diesem Ausweis, am Zigarettenautomaten oder anderswo, das würde doch gehen?

    Schaar: Wir haben ja auch heute schon die Möglichkeit, an Zigarettenautomaten etwa über das Zahlungsmittel, also über die EC-Karte, das Alter auszulesen. Das ist ja jetzt gerade ermöglicht worden und wird jetzt überall auch eingeführt. Die Frage ist: Wozu besteht die Notwendigkeit, hier eine automatische Auslesbarkeit zu gewährleisten? Es sieht sicherlich anders aus, wenn es darum geht, so etwas wie elektronische Signaturen in einem solchen Ausweis auch bereitzustellen, solche Signaturdaten, die praktisch einer Unterschrift des Betroffenen gleich kommen. Solche Signaturdaten könnten dann gegebenenfalls auch elektronisch verfügbar gemacht werden. Das sind aber ganz andere Daten, als sie ansonsten in dem Ausweis drin sind.

    Durak:! Was halten Sie überhaupt davon, dass auf dem digitalen Personalausweis biometrische Daten aufgebracht werden?

    Schaar: Der Bundestag hat ja grundsätzlich entschieden, es sollen biometrische Daten aufgebracht werden. Aber über das Datum selbst will er selbst entscheiden. Ich habe große Bedenken dagegen, auch den Fingerabdruck aufzunehmen. Wenn das elektronische Gesichtsbild bloß aufgenommen wird, dann ist die Missbrauchsgefahr ein Stück geringer. Deshalb sind meine Bedenken hier auch geringer. Wichtig ist mir allerdings, dass diese Daten nur auf dem Personalausweis selbst gespeichert werden und nicht in irgendwelchen zentralen oder auch regionalen Dateien und insofern dann miteinander weiter abgeglichen werden könnten. Diese biometrischen Daten dienen, wie ich vorhin schon gesagt habe, der Verifikation, dass derjenige, der den Ausweis vorzeigt, auch die Person ist. Dazu reicht es aus, dass die Daten auf dem Ausweis selbst gespeichert werden.

    Durak: Herr Schaar, damit sprechen Sie ein weiteres Problem an. Also diese biometrischen Daten sollen in die Melderegister. Die Melderegister sind bisher in kommunaler Hand, werden jetzt von einigen Ländern in ein gemeinsames Medienportal eingestellt und - so ist zu hören von Fachleuten - es soll Möglichkeiten geben, über das Internet ganz schnell diese Meldedateien zusammenzuschließen, und schwupps hätte man ein bundeseinheitliches Melderegister. Erste Frage: Wie finden Sie das? Und zweitens: Wenn dann die biometrischen Daten dort gespeichert sind, sind wir alle erfasst. Wie finden Sie das?

    Schaar: Also ich denke, man muss hier wirklich unterscheiden zwischen den Stammdaten, den Grunddaten, die eine Person hat, also Name, Anschrift und auch Geburtsdatum, und weiteren Daten. Dazu gehören gegebenenfalls auch biometrische Daten, also das Gesichtsbild oder, wenn das denn kommen sollte, der Fingerabdruck.

    Für die erste Kategorie von Daten gibt es ja auch bereits jetzt schon Wege, dass öffentliche Stellen auf diese Daten zugreifen dürfen. Das ist nämlich auch das Entscheidende: Wie wird gewährleistet, dass nur diejenigen Stellen darauf zugreifen, die diese Daten wirklich benötigen, und wie wird ein Missbrauch ausgeschlossen, und wie wird eine generelle Überwachung ausgeschlossen? Und wenn jetzt alle biometrischen Daten auch zentral verfügbar sind, egal ob sie nun dezentral gespeichert werden oder zentral gespeichert werden, dann bestehen ja Überwachungsmöglichkeiten über alles hinausgehend, was wir bisher kennen. Es könnten diese Daten zum Beispiel mit Videoüberwachungssystemen zusammengeschaltet werden. Dann könnte man herausfinden nicht nur, dass da eine Person die Straße entlanggeht, sondern um wen es sich handelt. So weit darf es nicht kommen.

    Durak: Dankeschön. Das war Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Herzlichen Dank, Herr Schaar, für das Gespräch.

    Schaar: Dankeschön.