Regina Brinkmann: Die BAföG-Erhöhung hängt also weiter in der Warteschleife. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die Bedeutung der Studienfinanzierung durch das BAföG immer betont, sich gleichzeitig aber auch stark gemacht für das umstrittene Deutschland-Stipendium. Andreas Schlüter ist Generalsekretär des Stifterverbandes. Herr Schlüter, das Deutschland-Stipendium hatte im Bundesrat ja im Juni Vorfahrt, weil der Bund den Kostenanteil der Länder übernehmen wird. Die BAföG-Erhöhung lässt dagegen auf sich warten und wird weiterhin eher stiefmütterlich behandelt. Wie bewerten Sie das?
Andreas Schlüter: Es ist schade für die Studenten, dass die BAföG-Erhöhung jetzt hinausgezögert wird. Ich hoffe nicht, dass sie endgültig scheitert. Sie wird kommen und sie muss am Ende auch kommen, um wirklich die bildungsfernen Schichten noch stärker zu erreichen. Hier zeigt sich aber wieder mal eine Frage zum Föderalismus: Macht es Sinn, die Kompetenzen vollständig bei den Ländern anzusiedeln, den Bund aber aus seiner Finanzierungsverpflichtung nicht zu entlassen, oder umgekehrt formuliert, ihm nur dann die Möglichkeit zugeben, zu finanzieren, wenn alle Länder mitmachen? Das scheint ein Hinweis zu sein, dass das noch nicht die richtige Lösung ist, die wir da gefunden haben in der Abstimmung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.
Brinkmann: Wer sollte sich denn jetzt bewegen?
Schlüter: Beide am besten. Aber in erster Linie scheint es ja bei den Ländern zu liegen. Der Bund ist bereit, seinen Anteil zu erbringen, einen deutlich höheren Anteil an die Länder. Er hat auch bei dem Stipendienmodell am Ende die vollständige Finanzierung übernommen. Trotz der Schwierigkeit in den Haushalten vieler Länder sollten jetzt die Länder ihre Verantwortung für Bildung, Hochschulbildung – und die liegt nun mal bei ihnen – wahrnehmen und sich auf den Bund zubewegen.
Brinkmann: Blicken wir aus aktuellem Anlass noch nach NRW. Dort hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft heute ihre Regierungserklärung abgegeben und sie plant die Abschaffung der Studiengebühren. Diese Abschaffung bereitet dem Stifterverband aber Bauchschmerzen. Warum?
Schlüter: Ich glaube, wir waren mit den Studiengebühren auf einem wirklich guten Weg. Wir haben mehrfach untersucht mit dem Studentenwerk, was in Nordrhein-Westfalen mit den Studiengebühren passiert, und da sind zwei Sachen rausgekommen. Kurz gefasst, das Erste: Die Akzeptanz bei den Studenten ist deutlich gestiegen, zumindest dort, wo erkennbar wurde, was damit passiert. Und das Zweite ist: Es gibt eine hohe Kreativität, wie man die Lehre verbessern kann. Natürlich liegt das größte Verbesserungspotenzial in der Betreuungsrelation, also in der Bereitstellung von Lehrkapazitäten, aber es gibt daneben eine ganze Reihe von hochspannenden Aktivitäten, wo man die Lehre verbessern kann. Wenn dieser Prozess gestoppt würde, wäre das schade. Das Zweite ist: Am Ende profitieren von der Abschaffung der Studiengebühren überwiegend ja die leistungsstarken Bereiche unserer Gesellschaft. Die bilden – das ist nun mal leider so – den größten Teil der Studierenden. Es ist jetzt fast eine Umverteilung von unten nach oben, wenn man diejenigen entlastet durch die Abschaffung der Studiengebühren, die eigentlich zu den stärkeren Gruppen in unserer Bevölkerung zählen. Von daher bedauern wir das, was da passiert.
Brinkmann: Ja. Sie machen sich aber auch ganz konkret Sorgen um die Hochschulstiftungen. Wie sieht die Sorge aus?
Schlüter: Es gab eine Reihe von Universitäten, die sich entschieden haben, einen Teil der Studienbeiträge langfristig anzulegen, um aus den Zinsen dann die Situation zu verbessern, aber gleichzeitig – und das war das Hauptargument, der Hauptgrund – andere mit ins Boot zu nehmen bei der Finanzierung. Das ist in vielen Fällen in erfreulichem Ansatz gelungen, nicht nur über die Beiträge der aktuell Studierenden Vermögen aufzubauen, sondern auch Alumnis, Unternehmen, private Freundeskreise daran zu beteiligen. Und dieses Modell, das ein bisschen nach Amerika geschielt hat, wo die großen Universitäten ja maßgeblich über solche Ansätze finanziert sind, scheint jetzt ins Stocken zu geraten. Wir glauben, dass damit ein wirklich hoffnungsvoller Spross in der zukünftigen Finanzierung unserer Hochschullandschaft wieder ein bisschen zurückgeschnitten wird.
Brinkmann: Ministerpräsidentin Kraft hat versprochen, für finanziellen Ausgleich zu sorgen, und so sehen die Pläne der neuen NRW-Regierung aus, wir hören einen Auszug aus der heutigen Regierungserklärung:
"Wir unterstützen unsere Hochschulen bei ihren Anstrengungen für ein qualitätsvolles Studium und den Erfolg des Bologna-Prozesses. Die künftig wegfallenden Studienbeiträge werden von uns in voller Höhe kompensiert, aber daran knüpfen wir die Erwartung, dass die Hochschulen die Studierenden bei ihren Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre umfassend beteiligen. Wir kürzen nicht an anderer Stelle, das ist auch wichtig, zum Beispiel nicht bei der Grundfinanzierung. Nach fünf Milliarden Euro bis 2015 werden wir bis 2020 weitere drei Milliarden Euro für die Modernisierung unserer Hochschullandschaft zur Verfügung stellen."
Moderatorin: Herr Schlüter, inwieweit entschärft denn das Ihre Sorge um die Hochschulstiftungen, diese Ausführungen von Hannelore Kraft?
Schlüter: Ja, kurzfristig auf jeden Fall, weil dieser Betrag von 250 Millionen knapp, um den es da geht, jetzt weiterhin den Hochschulen zur Verfügung steht und der auch für Hochschulstiftungen genutzt werden kann. Es bleibt aber die bange Frage – Frau Kraft hat sie beantwortet, zumindest ansatzweise –, dass in Zukunft an der Grundfinanzierung nichts geändert wird, und das ist unsere Befürchtung, dass jetzt zwar der Anteil der Studierenden, 250 Millionen Studienbeiträge weiter den Hochschulen zur Verfügung stehen, das bedeutet aber nicht automatisch, dass in jedem Jahr wieder neu entschieden wird, wie hoch die Grundfinanzierung ist. Und wir haben die leise Befürchtung, dass möglicherweise da dann am Ende doch veränderte Zahlen auftauchen, die zwar unverändert lassen die Beiträge, also das, was für Lehre aufgewendet wird, aber die Grundfinanzierung dann verändern. Und wenn beides in Zukunft fortgesetzt wird, dann ist das sicherlich eine gute Lösung für die Hochschulen.
Andreas Schlüter: Es ist schade für die Studenten, dass die BAföG-Erhöhung jetzt hinausgezögert wird. Ich hoffe nicht, dass sie endgültig scheitert. Sie wird kommen und sie muss am Ende auch kommen, um wirklich die bildungsfernen Schichten noch stärker zu erreichen. Hier zeigt sich aber wieder mal eine Frage zum Föderalismus: Macht es Sinn, die Kompetenzen vollständig bei den Ländern anzusiedeln, den Bund aber aus seiner Finanzierungsverpflichtung nicht zu entlassen, oder umgekehrt formuliert, ihm nur dann die Möglichkeit zugeben, zu finanzieren, wenn alle Länder mitmachen? Das scheint ein Hinweis zu sein, dass das noch nicht die richtige Lösung ist, die wir da gefunden haben in der Abstimmung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.
Brinkmann: Wer sollte sich denn jetzt bewegen?
Schlüter: Beide am besten. Aber in erster Linie scheint es ja bei den Ländern zu liegen. Der Bund ist bereit, seinen Anteil zu erbringen, einen deutlich höheren Anteil an die Länder. Er hat auch bei dem Stipendienmodell am Ende die vollständige Finanzierung übernommen. Trotz der Schwierigkeit in den Haushalten vieler Länder sollten jetzt die Länder ihre Verantwortung für Bildung, Hochschulbildung – und die liegt nun mal bei ihnen – wahrnehmen und sich auf den Bund zubewegen.
Brinkmann: Blicken wir aus aktuellem Anlass noch nach NRW. Dort hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft heute ihre Regierungserklärung abgegeben und sie plant die Abschaffung der Studiengebühren. Diese Abschaffung bereitet dem Stifterverband aber Bauchschmerzen. Warum?
Schlüter: Ich glaube, wir waren mit den Studiengebühren auf einem wirklich guten Weg. Wir haben mehrfach untersucht mit dem Studentenwerk, was in Nordrhein-Westfalen mit den Studiengebühren passiert, und da sind zwei Sachen rausgekommen. Kurz gefasst, das Erste: Die Akzeptanz bei den Studenten ist deutlich gestiegen, zumindest dort, wo erkennbar wurde, was damit passiert. Und das Zweite ist: Es gibt eine hohe Kreativität, wie man die Lehre verbessern kann. Natürlich liegt das größte Verbesserungspotenzial in der Betreuungsrelation, also in der Bereitstellung von Lehrkapazitäten, aber es gibt daneben eine ganze Reihe von hochspannenden Aktivitäten, wo man die Lehre verbessern kann. Wenn dieser Prozess gestoppt würde, wäre das schade. Das Zweite ist: Am Ende profitieren von der Abschaffung der Studiengebühren überwiegend ja die leistungsstarken Bereiche unserer Gesellschaft. Die bilden – das ist nun mal leider so – den größten Teil der Studierenden. Es ist jetzt fast eine Umverteilung von unten nach oben, wenn man diejenigen entlastet durch die Abschaffung der Studiengebühren, die eigentlich zu den stärkeren Gruppen in unserer Bevölkerung zählen. Von daher bedauern wir das, was da passiert.
Brinkmann: Ja. Sie machen sich aber auch ganz konkret Sorgen um die Hochschulstiftungen. Wie sieht die Sorge aus?
Schlüter: Es gab eine Reihe von Universitäten, die sich entschieden haben, einen Teil der Studienbeiträge langfristig anzulegen, um aus den Zinsen dann die Situation zu verbessern, aber gleichzeitig – und das war das Hauptargument, der Hauptgrund – andere mit ins Boot zu nehmen bei der Finanzierung. Das ist in vielen Fällen in erfreulichem Ansatz gelungen, nicht nur über die Beiträge der aktuell Studierenden Vermögen aufzubauen, sondern auch Alumnis, Unternehmen, private Freundeskreise daran zu beteiligen. Und dieses Modell, das ein bisschen nach Amerika geschielt hat, wo die großen Universitäten ja maßgeblich über solche Ansätze finanziert sind, scheint jetzt ins Stocken zu geraten. Wir glauben, dass damit ein wirklich hoffnungsvoller Spross in der zukünftigen Finanzierung unserer Hochschullandschaft wieder ein bisschen zurückgeschnitten wird.
Brinkmann: Ministerpräsidentin Kraft hat versprochen, für finanziellen Ausgleich zu sorgen, und so sehen die Pläne der neuen NRW-Regierung aus, wir hören einen Auszug aus der heutigen Regierungserklärung:
"Wir unterstützen unsere Hochschulen bei ihren Anstrengungen für ein qualitätsvolles Studium und den Erfolg des Bologna-Prozesses. Die künftig wegfallenden Studienbeiträge werden von uns in voller Höhe kompensiert, aber daran knüpfen wir die Erwartung, dass die Hochschulen die Studierenden bei ihren Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre umfassend beteiligen. Wir kürzen nicht an anderer Stelle, das ist auch wichtig, zum Beispiel nicht bei der Grundfinanzierung. Nach fünf Milliarden Euro bis 2015 werden wir bis 2020 weitere drei Milliarden Euro für die Modernisierung unserer Hochschullandschaft zur Verfügung stellen."
Moderatorin: Herr Schlüter, inwieweit entschärft denn das Ihre Sorge um die Hochschulstiftungen, diese Ausführungen von Hannelore Kraft?
Schlüter: Ja, kurzfristig auf jeden Fall, weil dieser Betrag von 250 Millionen knapp, um den es da geht, jetzt weiterhin den Hochschulen zur Verfügung steht und der auch für Hochschulstiftungen genutzt werden kann. Es bleibt aber die bange Frage – Frau Kraft hat sie beantwortet, zumindest ansatzweise –, dass in Zukunft an der Grundfinanzierung nichts geändert wird, und das ist unsere Befürchtung, dass jetzt zwar der Anteil der Studierenden, 250 Millionen Studienbeiträge weiter den Hochschulen zur Verfügung stehen, das bedeutet aber nicht automatisch, dass in jedem Jahr wieder neu entschieden wird, wie hoch die Grundfinanzierung ist. Und wir haben die leise Befürchtung, dass möglicherweise da dann am Ende doch veränderte Zahlen auftauchen, die zwar unverändert lassen die Beiträge, also das, was für Lehre aufgewendet wird, aber die Grundfinanzierung dann verändern. Und wenn beides in Zukunft fortgesetzt wird, dann ist das sicherlich eine gute Lösung für die Hochschulen.