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"Schaden für die Bundeswehr ist immens"

In Erwartung des Euro Hawk habe die Bundeswehr ihre bemannten Flugzeuge mit Lauschsensoren für Funkverkehr ausgemustert, erklärt Thomas Wiegold, Fachjournalist für Verteidigungsfragen. Durch die entstandene Lücke werde es der Bundeswehr und dem Bundesnachrichtendienst an Erkenntnissen fehlen.

Thomas Wiegold im Gespräch mit Jasper Barenberg | 22.05.2013
    Silvia Engels: Einen dreistelligen Millionenbetrag muss der Verteidigungsminister als Ausfall verbuchen. Der Grund: Über Jahre hinweg fiel nicht auf, dass die Aufklärungsdrohne Euro-Hawk in Europa keine Flugerlaubnis bekommen kann. Über Gründe und Folgen sprach mein Kollege Jasper Barenberg gestern mit Thomas Wiegold, Verteidigungsexperte und Blogger, und er fragte zu Anfang nach den Ursachen.

    Thomas Wiegold: Die Wurzel liegt eigentlich darin, dass alle Beteiligten – und das sind bei so einem Großprojekt ziemlich viele Beteiligte, die wohl ein bisschen das Projekt Hoffnung hatten – die Hoffnung hatten, man werde eine Lösung dafür finden, dieses unbemannte Flugzeug mit all diesen rechtlichen Problemen in den europäischen Luftraum bringen zu können. Ob das unterschätzt wurde, die Schwierigkeiten, eine solche Drohne zu integrieren, ob man dann gesagt hat, gut, das werden wir schon lösen, das ist im Moment noch relativ offen.

    Jasper Barenberg: Insofern können Sie aus dem, was Sie wissen, auch noch gar nicht sagen, ob da irgendjemand oder das Ministerium als Ganzes geradezu fahrlässig gehandelt hat?

    Wiegold: Nun, man muss schon zumindest die Frage stellen: Ende 2011, November, Dezember 2011 hatten die Warnungen, dass es da Probleme gibt, auch die Spitze des Ministeriums erreicht, und da muss sicherlich auch Minister de Maizière die Frage beantworten, warum wurde die Reißleine, die jetzt gezogen wurde, nicht schon damals gezogen, warum hat man das ganze noch fortgesetzt, hat man Abwägung getroffen, was kostet die Fortsetzung, was kostet ein sofortiger Stopp, gab es auch da wieder das Prinzip Hoffnung, man findet eine Lösung. Aber da würde ich gerne noch abwarten, bis der Minister ein bisschen mehr dazu sagt.

    Barenberg: Der finanzielle Schaden, was die Drohne angeht, ist schon jetzt enorm, noch unklar, wie groß die Zahl insgesamt ist, unklar auch noch, wie groß der politische Schaden sein wird. Wie groß aber ist der Schaden für die Bundeswehr, insbesondere für die Luftwaffe jetzt schon, die jetzt zunächst ja mal auf diese Aufklärungsdrohne wird verzichten müssen?

    Wiegold: Der Schaden für die Bundeswehr ist immens, und zwar einfach deshalb, weil sie in Hoffnung, in Erwartung des Euro-Hawk ihre bemannten Flugzeuge für diesen Zweck ausgemustert hat. Der eine oder andere wird sich vielleicht erinnern: Während der Jugoslawien-Kriege schickte die Bundeswehr bemannte Flugzeuge mit solchen Lauschsensoren für Funkverkehr in Richtung Jugoslawien, die dann über der Adria ihre Schleifen zogen und zum Beispiel serbische Militärfunkfrequenzen abhörten. Ein solches System aus der Luft hat die Bundeswehr nicht mehr. Vor zwei, drei Jahren wurden die letzten dieser bemannten Flugzeuge ausgemustert. Da ist sozusagen eine Lücke.

    Die Bundeswehr hat zwar Schiffe, die solche Dinge tun, die berühmten Flottendienstboote, die zum Beispiel vor der syrischen Küste kreuzen und da Funksignale auffangen. Das ganze kann man auch mit Fahrzeugen von Land aus machen. Aber aus der Luft hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten. Das heißt, es fehlt der Bundeswehr da an Erkenntnissen, und nicht nur der Bundeswehr, sondern, was auch vielen Leuten nicht klar ist, dem deutschen Auslandsgeheimdienst, dem Bundesnachrichtendienst.

    Barenberg: Jetzt wird ja viel darüber geredet, dass zumindest die Sensorik, die entwickelt worden ist für diese Drohne, durchaus auch auf anderen Trägern zum Einsatz kommen könnte. Da ist von bemannten Flugzeugen die Rede. Hat das aus Ihrer Sicht Hand und Fuß, diese Spekulation, diese Pläne?

    Wiegold: Die Frage ist zum einen, in welche Plattform, wie die Militärs sagen, also in welches Flugzeug wird es eingebaut. Da hört man verschiedene Spekulationen von kleineren Airbussen bis hin zu anderen Flugzeugen. Ein Hauptproblem ist allerdings – und das wollte die Luftwaffe ja gerade in den Griff kriegen: Der Euro-Hawk, diese Drohne, die hätte über Stunden, einen Tag lang über einem Ziel kreisen müssen.

    Die muss eigentlich nur zurück, um aufgetankt zu werden. Wenn man eine bemannte Plattform, ein bemanntes Flugzeug auch mit einer solchen Ausstattung, mit solchen Sensoren losschickt, die können nicht so lange bleiben, weil menschliche Piloten an der Stelle dann nicht so ausdauernd sind wie eine Maschine.

    Barenberg: Gelten diese Schwierigkeiten auch eigentlich mit Blick auf die NATO insgesamt? Denn Deutschland ist ja beteiligt auch an einem NATO-Projekt, das mit dem Global-Hawk arbeiten soll, der Drohne also, die quasi verwandt ist mit dem Euro-Hawk.

    Wiegold: Ja das ist sozusagen das Muster, von dem der Euro-Hawk abgeleitet ist. Das ist eine Frage, die im Moment noch völlig unklar ist, und da ist von offizieller Seite erstaunlicherweise gar nichts zu zu hören. Im Grunde genommen: Die Zulassungsprobleme für den Euro-Hawk im deutschen und damit im europäischen Luftraum betreffen natürlich auch den Global-Hawk im europäischen Luftraum, auch wenn wie geplant diese Systeme dann in Italien, am Südrand, direkt am Mittelmeer stationiert werden sollen.

    Da muss sich vielleicht auch die NATO mal erklären, oder diejenigen Länder, die diese Systeme stationieren wollen, wie sie mit diesem Problem, mit diesem Zulassungsproblem umzugehen gedenken.

    Engels: Thomas Wiegold, Fachjournalist für Verteidigungsfragen, im Gespräch mit Jasper Barenberg.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.