Strecker: Guten Morgen Herr Gerner!
Gerner: Herr Strecker, haben die Pläne der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung Sie überrascht?
Strecker: Ja, zugegebenermaßen total, und ich muß ganz ehrlich sagen, wir wundern uns, auf was die deutsche Regierung eigentlich hier hinaus will, denn selbst wenn man nur einmal unterstellt, daß aus der Kernenergie ausgestiegen werden soll, dann ist das ganze leider aus Sicht der Fachleute, zu denen wir gehören, aber dazu gehören natürlich vor allen Dingen auch die deutschen EVUs, absolut kontraproduktiv. Diese Maßnahmen werden nicht zu den von dem Herrn Umweltminister angestrebten Zielen führen, daß man möglichst wenig Transporte von nuklearem Material durch Deutschland haben will, daß man möglichst wenig in Deutschland zu lagernde nukleare Abfälle haben will, all die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Beendigung der Wiederaufarbeitung per Ende dieses Jahres.
Gerner: Wie ist die Vertragslage und was werfen Sie der Bundesregierung vor?
Strecker: Was wir der Bundesregierung vorwerfen oder worüber wir einfach überrascht und wenn man so will auch total enttäuscht sind das ist, daß sie hier in mehrfacher Weise nicht Wort hält. Es ist üblich, solche privatwirtschaftlichen Verträge, die diese teilweise schwierigen Fragen beinhalten, durch staatliche Vereinbarungen abzusichern. Das ist in diesem Fall hier auch durch Notenwechsel, die völkerrechtlich verbindlichen Charakter haben, zuletzt aus dem März 1991, so geschehen, die letztendlich verbindlich für beide Regierungen sind. Außerdem sind wir überrascht und enttäuscht, denn der Bundeskanzler hat ja in der Regierungserklärung vom 10. November gesagt, daß diese international verbindlichen Vereinbarungen mit Frankreich und mit Großbritannien beachtet würden.
Gerner: Um es auf den Punkt zu bringen, Herr
Strecker: Sie werfen der Bundesregierung Vertragsbruch vor?
Strecker: So sieht es aus.
Gerner: Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Strecker: Unser gerade vor wenigen Tagen geadelte Sir John Guinnes hat gestern abend - das wird heute in der deutschen Presse erscheinen und auch den Regierungsstellen zugeleitet werden - erklärt, daß wir uns darauf verlassen, daß diese Verträge zur Gänze eingehalten werden. Die Briten sind ja Leute, die all diese Dinge ein wenig vorsichtiger und diplomatischer angehen. Das haben wir auch bis jetzt getan. Doch wir müssen uns jetzt leider hier der Strategie der Gegenseite anpassen und müssen doch härteres Geschütz auffahren. Wir werden klarmachen, daß wir unsere Verträge, nicht zuletzt im absoluten Interesse der deutschen EVUs, erfüllen möchten. Und wenn man uns dies nicht tun läßt, dann werden wir vor den einschlägigen Gerichten unsere Vertragserfüllung durchsetzen, respektive wenn das nicht geht Schadensersatzklagen vorbringen.
Gerner: Wie hoch könnten die sein?
Strecker: Da bitte ich um Ihr Verständnis, daß ich hier teilweise kommerziellen Aspekten vorgreifen würde, aber Herr Dr. Haarig, der Vorstandsvorsitzende von Preußen Elektra, hat ja für Frankreich, für England und für sämtliche deutschen EVUs zusammen am vorigen Freitag Zahlen genannt, die ich bebstätigen kann. Danach beläuft sich der gesamte Schaden auf fünf bis sieben Milliarden D-Mark.
Gerner: Eine Form der Kompensation, von der die Rede ist, heißt, Sellafield könnte zum Endlager umfunktioniert werden. Können Sie sich das vorstellen?
Strecker: Nein! Es ist ja unter Dienstleistungsverträgen allgemein üblich, daß man die zu erbringenden Dienstleistungen vornimmt, und hier ist es in den staatsrechtlichen Notenwechseln vereinbart, daß die nuklearen Abfälle nach Deutschland zurückzuverbringen sind. Das ist übrigens im Fall der Briten rein mengenmäßig äußerst wenig, wenn man mal von den abgebrannten Brennelementen ausgeht. Es kommen ganze zirka 16 Prozent letztendlich nach Deutschland zurück, wobei von diesen zirka 16 Tonnen auf 100 Tonnen Ausgangsmenge ungefähr ein Prozent auf hoch radioaktive Abfälle entfällt, die man in sogenannte Glaskokillen gießt zwecks Endlagerung. Die anderen 15 Prozent sind sogenannte Vox-Elemente, wo man Uran und Plutonium mischt, die man wiederum in deutschen Reaktoren einsetzt, was zum großen Teil auf französischer Basis und zum gewissen Teil auf britischer Basis auch bereits geschehen ist. Ich befürchte, daß es hier auf einen "kurzfristigen Erfolg" für die Grünen hinauslaufen soll, aber ich warne auch als deutscher Bürger, der hier eine britische Gesellschaft vertritt und versucht, Brücken zu schlagen, davor, diesen Weg zu verfolgen, weil er für Deutschland absolut kontraproduktiv ist, auch wenn man, wie eine Minderheit in diesem Land, aus der Kernenergie aussteigen will.
Gerner: Eckhard Strecker war das, der Präsident von British Nuclear Fuels Deutschland. Herzlichen Dank! - Mitgehört hat Kanzleramtsminister Bodo Hombach, die rechte Hand von Gerhard Schröder. Schönen guten Morgen!
Hombach: Guten Morgen!
Gerner: Herr Hombach, Sie haben es gehört: Die britische Atomindustrie wirft Ihnen, wirft der Bundesregierung völkerrechtlichen Wort- und Vertragsbruch vor. Was sagen Sie?
Hombach: Ich kann Ihnen dazu nur sagen, daß das zum Säbelrasseln gehört, was am Anfang von Verhandlungen nicht unüblich ist, aber den Kern der Sache nicht trifft. Wir stehen natürlich in Gesprächen mit der britischen Regierung, und wir werden sicherstellen, daß eine solche Auslegung der Verträge erfolgt, an deren Ende keine Schadensersatzansprüche gegen Deutschland und gegen die Bundesregierung geltend gemacht werden kann. Das ist eine der formulierten Kernbedingungen.
Gerner: Wie ist denn die Vertragslage aus Sicht der Bundesregierung?
Hombach: Die Vertragslage ist so, daß die Unternehmen klugerweise Veränderungen durch das gesellschaftliche und politische Klima in den Verträgen implizit formuliert haben. Das gibt der demokratischen Entscheidung in Deutschland Spielraum. Das ist auch richtig so gewesen.
Gerner: Was aber, wenn British Nuclear Fuels Schadenersatz erhebt, wie eben angeklungen ist? Sie riskieren damit, unter Umständen vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt zu werden.
Hombach: Daß es sich hierbei um einen Interessensgegensatz zwischen gesellschaftlichen Interessen handelt, die ja in Wahlen ihre Zustimmung gefunden haben - und die Politiker, die dort agieren, tun dies ja nicht aus eigener Machtvollkommenheit oder aus eigener Überlegung, sondern sie haben einen demokratischen Auftrag von der Gesellschaft mit auf den Weg bekommen, diesen Ausstiegspfad zu gehen -, und daß auf der anderen Seite der Interessensausgleich mit der Wirtschaft gesucht werden muß, damit die ökonomische Situation in Deutschland nicht befrachtet wird, damit aus dem Ausstieg aus dieser nicht gewollten Technologie gleichzeitig ein Einstieg in eine andere Form preisgünstiger und ökologisch vertretbarer Energieerzeugung wird, daß das nicht ohne Diskussionen abgeht, das ist völlig klar. Daß es dabei auch Reibungen gibt mit unterschiedlichen Interessen, das versteht sich auch. Ich bin aber sehr zuversichtlich, daß das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich den Ausstieg und den Einstieg in eine andere Energie und den Konsens mit der Wirtschaft, daß wir das erreichen können. Sie wissen, daß der Kanzler am Ende dieser Woche seine Gespräche wieder aufnimmt.
Gerner: Herr Hombach, die britischen Partner sind verärgert. Das haben wir eben hören können. Die deutschen Energieversorger sind es auch. Die Konsensgespräche stehen unter keinem guten Stern. Die Energieversorger sagen, der Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung bis Jahresende ist unmöglich. Wird es in den Konsensgesprächen beziehungsweise in der Montagsrunde, die Sie eben angesprochen haben, noch einmal darum gehen? Wird das nachverhandelt werden?
Hombach: Was in dieser Woche ansteht, ist noch einmal ein Vorgespräch des Kanzlers mit der Wirtschaft, wo er die Basis für die Konsensgespräche wiederum festigt. Es wird dann ab nächste Woche Konsensgespräche unter Einbeziehung aller Beteiligten geben. Ich bin sehr zuversichtlich, daß man sich dann auf einen gemeinsamen Weg macht, bei dem wir sowohl das energiepolitische Wollen der Bundesregierung wie die ökonomischen Interessen in Einklang bringen. Das war von Anfang an geplant. Wissen Sie, die Bundesregierung sucht keine Auseinandersetzung mit der Wirtschaft; ganz im Gegenteil. Sie möchte sehr vertrauensvoll und kooperativ arbeiten, gemeinsame Verantwortung für die Energieversorgung wahrnehmen, aber gleichzeitig müssen Sie schon sehen, daß der politische Auftrag, den diese Bundesregierung hat, deshalb nicht aufgegeben werden darf, nur weil sich jetzt erste Widerstände auf klar definierter Interessenslage zeigen. Die Härte der Wortwahl irritiert mich gar nicht. Am Ende wird stehen - und das haben wir ja in den Gesprächen schon gemerkt - ein nüchterner Ausgleich von Interessen. Da wird gerechnet, da wird abgewogen, da wird man auch in anderen Tönen miteinander reden. Das ist eine verbale Aufrüstung, die im Augenblick der Sache nicht dient.
Gerner: Das heißt, Sie werden auf die Bedenken der Energieversorger eingehen?
Hombach: Daß bei solchen Gesprächen, die den Anspruch haben, Konsens zu bilden, die Bedenken aller Seiten auf den Tisch kommen, daß sie abgeglichen werden, daß sie vor allen Dingen mit den harten Fakten abgeglichen werden, das ist doch wohl selbstverständlich. Zur Zeit regiert etwas viel Stimmung und Stimmungsmache. Nicht alles von dem, was gegenwärtig in schrillen Tönen in der Öffentlichkeit vertreten wird, läßt sich vor dem Hintergrund der tatsächlichen Abläufe auch halten. Wer jetzt behauptet, er sei überrascht davon, daß diese Bundesregierung die Wiederaufbereitung nicht möchte, der kann entweder in den letzten 15 Jahren keine Zeitung gelesen haben oder muß angenommen haben, daß diese Bundesregierung aus ihren Absichten, aus ihren politischen Programmen niemals ernst macht. Diese Bundesregierung hat vorgemacht, daß sie ihre Zusagen und Versprechen vor der Wahl einhält, daß sie das, womit sie politisch beauftragt ist, auch in Realpolitik umsetzt. Das kann niemanden überraschen. Ich kenne auch die Vertreter der Energiewirtschaft aus vielen Gesprächen persönlich. Das hat mir noch keiner ins Gesicht zu sagen gewagt, daß er überrascht ist über die Haltung der Bundesregierung zur Wiederaufbereitung.
Gerner: Das heißt in einem Wort, es wird beim Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung Ende des Jahres bleiben?
Hombach: Das Postulat der Bundesregierung, daß man diese Form der Wiederaufbereitung nicht möchte, ist völlig klar. Das politische Ziel ist definiert, und wir nehmen an, daß ein Jahr ausreicht, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Zu den Voraussetzungen gehört allemal, daß es zu einem solchen Interessensausgleich kommt und das Schadensersatzzahlungen vermieden werden und daß die Verträge vernünftig interpretiert werden. Der Wortlaut der Verträge ist aus meiner Sicht ganz eindeutig. Ich glaube, daß Herr Trittin dort eine vernünftige Interpretation hat.
Gerner: Herr Hombach, eine Frage möchte ich Ihnen noch stellen. Es werden wieder Castor-Transporte durch Deutschland rollen. So viel scheint festzustehen. Der letzte Castor-Transport hat 30 000 Polizisten mobilisiert. Jetzt ist von 100 Rücktransporten in vier Jahren die Rede, hochgerechnet sechs Millionen Polizistenbeine, die dann in Bewegung sein müßten. Ist die Bundesrepublik darauf vorbereitet?
Hombach: Ich muß Ihnen ganz offen sagen, ich bin auf dieses Schreckensszenario, was Sie hier malen und was Sie gerade hochrechnen, heute morgen noch nicht vorbereitet. Das ist etwas sehr gruselig. Ich glaube, nachdem jetzt klar ist und man am Ende genau weis, welche Kontaminationsprobleme die Behälter hatten, daß dann nichts mehr dagegen spricht, die Castor-Transporte wieder in Gang zu setzen, weil das zur geregelten Entsorgung notwendig ist. Ich weis auch, daß mit dem, was Herr Trittin gegenwärtig in Frankreich und Großbritannien verhandelt, Rücktransporte verbunden sind. Die Menschen, die sich damals gegen diese Transporte gewandt haben, verstehen allerdings - da bin ich ganz sicher, denn sie sind gut informiert über die Zusammenhänge -, daß das Bestandteil einer veränderten Atompolitik ist, die sie sich ja immer gewünscht haben.
Gerner: Das war die Einschätzung von Kanzleramtsminister Bodo Hombach. Ganz herzlichen Dank, daß Sie uns mit Ihrem Funktelefon aus dem Auto zur Verfügung standen, und einen schönen Tag noch.
Gerner: Herr Strecker, haben die Pläne der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung Sie überrascht?
Strecker: Ja, zugegebenermaßen total, und ich muß ganz ehrlich sagen, wir wundern uns, auf was die deutsche Regierung eigentlich hier hinaus will, denn selbst wenn man nur einmal unterstellt, daß aus der Kernenergie ausgestiegen werden soll, dann ist das ganze leider aus Sicht der Fachleute, zu denen wir gehören, aber dazu gehören natürlich vor allen Dingen auch die deutschen EVUs, absolut kontraproduktiv. Diese Maßnahmen werden nicht zu den von dem Herrn Umweltminister angestrebten Zielen führen, daß man möglichst wenig Transporte von nuklearem Material durch Deutschland haben will, daß man möglichst wenig in Deutschland zu lagernde nukleare Abfälle haben will, all die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Beendigung der Wiederaufarbeitung per Ende dieses Jahres.
Gerner: Wie ist die Vertragslage und was werfen Sie der Bundesregierung vor?
Strecker: Was wir der Bundesregierung vorwerfen oder worüber wir einfach überrascht und wenn man so will auch total enttäuscht sind das ist, daß sie hier in mehrfacher Weise nicht Wort hält. Es ist üblich, solche privatwirtschaftlichen Verträge, die diese teilweise schwierigen Fragen beinhalten, durch staatliche Vereinbarungen abzusichern. Das ist in diesem Fall hier auch durch Notenwechsel, die völkerrechtlich verbindlichen Charakter haben, zuletzt aus dem März 1991, so geschehen, die letztendlich verbindlich für beide Regierungen sind. Außerdem sind wir überrascht und enttäuscht, denn der Bundeskanzler hat ja in der Regierungserklärung vom 10. November gesagt, daß diese international verbindlichen Vereinbarungen mit Frankreich und mit Großbritannien beachtet würden.
Gerner: Um es auf den Punkt zu bringen, Herr
Strecker: Sie werfen der Bundesregierung Vertragsbruch vor?
Strecker: So sieht es aus.
Gerner: Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Strecker: Unser gerade vor wenigen Tagen geadelte Sir John Guinnes hat gestern abend - das wird heute in der deutschen Presse erscheinen und auch den Regierungsstellen zugeleitet werden - erklärt, daß wir uns darauf verlassen, daß diese Verträge zur Gänze eingehalten werden. Die Briten sind ja Leute, die all diese Dinge ein wenig vorsichtiger und diplomatischer angehen. Das haben wir auch bis jetzt getan. Doch wir müssen uns jetzt leider hier der Strategie der Gegenseite anpassen und müssen doch härteres Geschütz auffahren. Wir werden klarmachen, daß wir unsere Verträge, nicht zuletzt im absoluten Interesse der deutschen EVUs, erfüllen möchten. Und wenn man uns dies nicht tun läßt, dann werden wir vor den einschlägigen Gerichten unsere Vertragserfüllung durchsetzen, respektive wenn das nicht geht Schadensersatzklagen vorbringen.
Gerner: Wie hoch könnten die sein?
Strecker: Da bitte ich um Ihr Verständnis, daß ich hier teilweise kommerziellen Aspekten vorgreifen würde, aber Herr Dr. Haarig, der Vorstandsvorsitzende von Preußen Elektra, hat ja für Frankreich, für England und für sämtliche deutschen EVUs zusammen am vorigen Freitag Zahlen genannt, die ich bebstätigen kann. Danach beläuft sich der gesamte Schaden auf fünf bis sieben Milliarden D-Mark.
Gerner: Eine Form der Kompensation, von der die Rede ist, heißt, Sellafield könnte zum Endlager umfunktioniert werden. Können Sie sich das vorstellen?
Strecker: Nein! Es ist ja unter Dienstleistungsverträgen allgemein üblich, daß man die zu erbringenden Dienstleistungen vornimmt, und hier ist es in den staatsrechtlichen Notenwechseln vereinbart, daß die nuklearen Abfälle nach Deutschland zurückzuverbringen sind. Das ist übrigens im Fall der Briten rein mengenmäßig äußerst wenig, wenn man mal von den abgebrannten Brennelementen ausgeht. Es kommen ganze zirka 16 Prozent letztendlich nach Deutschland zurück, wobei von diesen zirka 16 Tonnen auf 100 Tonnen Ausgangsmenge ungefähr ein Prozent auf hoch radioaktive Abfälle entfällt, die man in sogenannte Glaskokillen gießt zwecks Endlagerung. Die anderen 15 Prozent sind sogenannte Vox-Elemente, wo man Uran und Plutonium mischt, die man wiederum in deutschen Reaktoren einsetzt, was zum großen Teil auf französischer Basis und zum gewissen Teil auf britischer Basis auch bereits geschehen ist. Ich befürchte, daß es hier auf einen "kurzfristigen Erfolg" für die Grünen hinauslaufen soll, aber ich warne auch als deutscher Bürger, der hier eine britische Gesellschaft vertritt und versucht, Brücken zu schlagen, davor, diesen Weg zu verfolgen, weil er für Deutschland absolut kontraproduktiv ist, auch wenn man, wie eine Minderheit in diesem Land, aus der Kernenergie aussteigen will.
Gerner: Eckhard Strecker war das, der Präsident von British Nuclear Fuels Deutschland. Herzlichen Dank! - Mitgehört hat Kanzleramtsminister Bodo Hombach, die rechte Hand von Gerhard Schröder. Schönen guten Morgen!
Hombach: Guten Morgen!
Gerner: Herr Hombach, Sie haben es gehört: Die britische Atomindustrie wirft Ihnen, wirft der Bundesregierung völkerrechtlichen Wort- und Vertragsbruch vor. Was sagen Sie?
Hombach: Ich kann Ihnen dazu nur sagen, daß das zum Säbelrasseln gehört, was am Anfang von Verhandlungen nicht unüblich ist, aber den Kern der Sache nicht trifft. Wir stehen natürlich in Gesprächen mit der britischen Regierung, und wir werden sicherstellen, daß eine solche Auslegung der Verträge erfolgt, an deren Ende keine Schadensersatzansprüche gegen Deutschland und gegen die Bundesregierung geltend gemacht werden kann. Das ist eine der formulierten Kernbedingungen.
Gerner: Wie ist denn die Vertragslage aus Sicht der Bundesregierung?
Hombach: Die Vertragslage ist so, daß die Unternehmen klugerweise Veränderungen durch das gesellschaftliche und politische Klima in den Verträgen implizit formuliert haben. Das gibt der demokratischen Entscheidung in Deutschland Spielraum. Das ist auch richtig so gewesen.
Gerner: Was aber, wenn British Nuclear Fuels Schadenersatz erhebt, wie eben angeklungen ist? Sie riskieren damit, unter Umständen vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt zu werden.
Hombach: Daß es sich hierbei um einen Interessensgegensatz zwischen gesellschaftlichen Interessen handelt, die ja in Wahlen ihre Zustimmung gefunden haben - und die Politiker, die dort agieren, tun dies ja nicht aus eigener Machtvollkommenheit oder aus eigener Überlegung, sondern sie haben einen demokratischen Auftrag von der Gesellschaft mit auf den Weg bekommen, diesen Ausstiegspfad zu gehen -, und daß auf der anderen Seite der Interessensausgleich mit der Wirtschaft gesucht werden muß, damit die ökonomische Situation in Deutschland nicht befrachtet wird, damit aus dem Ausstieg aus dieser nicht gewollten Technologie gleichzeitig ein Einstieg in eine andere Form preisgünstiger und ökologisch vertretbarer Energieerzeugung wird, daß das nicht ohne Diskussionen abgeht, das ist völlig klar. Daß es dabei auch Reibungen gibt mit unterschiedlichen Interessen, das versteht sich auch. Ich bin aber sehr zuversichtlich, daß das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich den Ausstieg und den Einstieg in eine andere Energie und den Konsens mit der Wirtschaft, daß wir das erreichen können. Sie wissen, daß der Kanzler am Ende dieser Woche seine Gespräche wieder aufnimmt.
Gerner: Herr Hombach, die britischen Partner sind verärgert. Das haben wir eben hören können. Die deutschen Energieversorger sind es auch. Die Konsensgespräche stehen unter keinem guten Stern. Die Energieversorger sagen, der Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung bis Jahresende ist unmöglich. Wird es in den Konsensgesprächen beziehungsweise in der Montagsrunde, die Sie eben angesprochen haben, noch einmal darum gehen? Wird das nachverhandelt werden?
Hombach: Was in dieser Woche ansteht, ist noch einmal ein Vorgespräch des Kanzlers mit der Wirtschaft, wo er die Basis für die Konsensgespräche wiederum festigt. Es wird dann ab nächste Woche Konsensgespräche unter Einbeziehung aller Beteiligten geben. Ich bin sehr zuversichtlich, daß man sich dann auf einen gemeinsamen Weg macht, bei dem wir sowohl das energiepolitische Wollen der Bundesregierung wie die ökonomischen Interessen in Einklang bringen. Das war von Anfang an geplant. Wissen Sie, die Bundesregierung sucht keine Auseinandersetzung mit der Wirtschaft; ganz im Gegenteil. Sie möchte sehr vertrauensvoll und kooperativ arbeiten, gemeinsame Verantwortung für die Energieversorgung wahrnehmen, aber gleichzeitig müssen Sie schon sehen, daß der politische Auftrag, den diese Bundesregierung hat, deshalb nicht aufgegeben werden darf, nur weil sich jetzt erste Widerstände auf klar definierter Interessenslage zeigen. Die Härte der Wortwahl irritiert mich gar nicht. Am Ende wird stehen - und das haben wir ja in den Gesprächen schon gemerkt - ein nüchterner Ausgleich von Interessen. Da wird gerechnet, da wird abgewogen, da wird man auch in anderen Tönen miteinander reden. Das ist eine verbale Aufrüstung, die im Augenblick der Sache nicht dient.
Gerner: Das heißt, Sie werden auf die Bedenken der Energieversorger eingehen?
Hombach: Daß bei solchen Gesprächen, die den Anspruch haben, Konsens zu bilden, die Bedenken aller Seiten auf den Tisch kommen, daß sie abgeglichen werden, daß sie vor allen Dingen mit den harten Fakten abgeglichen werden, das ist doch wohl selbstverständlich. Zur Zeit regiert etwas viel Stimmung und Stimmungsmache. Nicht alles von dem, was gegenwärtig in schrillen Tönen in der Öffentlichkeit vertreten wird, läßt sich vor dem Hintergrund der tatsächlichen Abläufe auch halten. Wer jetzt behauptet, er sei überrascht davon, daß diese Bundesregierung die Wiederaufbereitung nicht möchte, der kann entweder in den letzten 15 Jahren keine Zeitung gelesen haben oder muß angenommen haben, daß diese Bundesregierung aus ihren Absichten, aus ihren politischen Programmen niemals ernst macht. Diese Bundesregierung hat vorgemacht, daß sie ihre Zusagen und Versprechen vor der Wahl einhält, daß sie das, womit sie politisch beauftragt ist, auch in Realpolitik umsetzt. Das kann niemanden überraschen. Ich kenne auch die Vertreter der Energiewirtschaft aus vielen Gesprächen persönlich. Das hat mir noch keiner ins Gesicht zu sagen gewagt, daß er überrascht ist über die Haltung der Bundesregierung zur Wiederaufbereitung.
Gerner: Das heißt in einem Wort, es wird beim Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung Ende des Jahres bleiben?
Hombach: Das Postulat der Bundesregierung, daß man diese Form der Wiederaufbereitung nicht möchte, ist völlig klar. Das politische Ziel ist definiert, und wir nehmen an, daß ein Jahr ausreicht, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Zu den Voraussetzungen gehört allemal, daß es zu einem solchen Interessensausgleich kommt und das Schadensersatzzahlungen vermieden werden und daß die Verträge vernünftig interpretiert werden. Der Wortlaut der Verträge ist aus meiner Sicht ganz eindeutig. Ich glaube, daß Herr Trittin dort eine vernünftige Interpretation hat.
Gerner: Herr Hombach, eine Frage möchte ich Ihnen noch stellen. Es werden wieder Castor-Transporte durch Deutschland rollen. So viel scheint festzustehen. Der letzte Castor-Transport hat 30 000 Polizisten mobilisiert. Jetzt ist von 100 Rücktransporten in vier Jahren die Rede, hochgerechnet sechs Millionen Polizistenbeine, die dann in Bewegung sein müßten. Ist die Bundesrepublik darauf vorbereitet?
Hombach: Ich muß Ihnen ganz offen sagen, ich bin auf dieses Schreckensszenario, was Sie hier malen und was Sie gerade hochrechnen, heute morgen noch nicht vorbereitet. Das ist etwas sehr gruselig. Ich glaube, nachdem jetzt klar ist und man am Ende genau weis, welche Kontaminationsprobleme die Behälter hatten, daß dann nichts mehr dagegen spricht, die Castor-Transporte wieder in Gang zu setzen, weil das zur geregelten Entsorgung notwendig ist. Ich weis auch, daß mit dem, was Herr Trittin gegenwärtig in Frankreich und Großbritannien verhandelt, Rücktransporte verbunden sind. Die Menschen, die sich damals gegen diese Transporte gewandt haben, verstehen allerdings - da bin ich ganz sicher, denn sie sind gut informiert über die Zusammenhänge -, daß das Bestandteil einer veränderten Atompolitik ist, die sie sich ja immer gewünscht haben.
Gerner: Das war die Einschätzung von Kanzleramtsminister Bodo Hombach. Ganz herzlichen Dank, daß Sie uns mit Ihrem Funktelefon aus dem Auto zur Verfügung standen, und einen schönen Tag noch.