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Schärfere Regeln für Ratingagenturen

Die Europäische Union fordert künftig mehr Transparenz von den Ratingagenturen. Außerdem sollen sie für falsche Bewertungen haften. Finanzexperten zweifeln jedoch an der Praxistauglichkeit der neuen EU-Regeln.

Von Brigitte Scholtes | 28.11.2012
    Die Ratingagenturen müssen sich auf schärfere Regeln einstellen: Sie sollen nach dem Willen der EU jetzt bei groben Fehlentscheidungen haftbar sein und ihre Urteile besser begründen. Diese bessere Transparenz soll Klagen gegen die Urteile der Bonitätsprüfer erleichtern. Und sie sollen nur noch zu bestimmten Zeiten ihre Urteile veröffentlichen, damit eine mögliche Unruhe an den Märkten durch überraschende Zeitpunkte der Veröffentlichung wie in der Vergangenheit möglichst vermieden werde.

    Die Ratingagenturen selbst wollen sich noch nicht zu den neuen Regulierungsvorschriften äußern, noch läge der Wortlaut nicht vor, meint etwa Standard & Poor’s. Markus Krall, der eine europäische Ratingagentur aufbauen möchte, kritisiert jedoch, die Pläne seien nicht ganz stimmig: Wie solle denn die Haftung mit der Vorschrift zusammengehen, nur zu bestimmten Zeiten zu veröffentlichen, fragt er und nennt ein Beispiel:

    "Stellen Sie sich mal folgende Situation vor: Sie haben eine Information, die Sie als Ratingagentur eigentlich zum Anlass nehmen müssten, ein deutliches Herunterstufen zu veranlassen in ihrem Rating, und Sie dürfen das aber nicht, und dann kommt es anschließend zu Kreditverlusten, weil Sie dieses Veröffentlichen nicht durchführen durften, obwohl Sie es besser wussten. Wer haftet denn eigentlich dann dafür? Hier haben wir ein Konsistenz-Problem in den Vorschlägen."

    In der Vergangenheit waren die Reaktionen auf Bonitätsherabstufungen häufig heftig ausgefallen. Ob daran ein fester Zeitplan etwas ändern würde, bezweifelt Krall jedoch:

    "Würde das nicht möglicherweise gerade dazu führen, dass gerade diese Tage sozusagen den Sprengstoff aufsparen und dann alles auf einmal hochgeht und die Volatilität in den Märkten durch die neue Information, die dann in die Märkte reinkommt, noch größer wird, und die Schockwirkungen von einigen Themen, weil sie sich dann aufkumulieren, noch größer werden? Ich wage jetzt nicht eine Prognose, wie groß die Wirkung dieser Maßnahme sein wird. Aber ob sie in die richtige Richtung geht, was die Begründung der Volatilität der Märkte betrifft, da kann man seine Zweifel haben."

    Die Marktturbulenzen seien aber meist nur von kurzer Dauer gewesen, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. In der Zukunft werde die Bedeutung der Ratingagenturen eher abnehmen, glaubt er:

    "Ich glaube, dass die Ratingagenturen, was die Länderbeurteilung angeht, in Zukunft auch nicht mehr so die Durchschlagskraft haben werden, weil ein großer Teil der Überraschungen am Markt darauf zurückzuführen ist, dass die Industrieländer die lang geglaubte Bestbonität nicht mehr haben. Die Ratingagenturen haben darauf hingewiesen. Und diese Veränderung hat sehr deutlich die Preise an den Märkten bewegt."

    Das sieht Ratingexperte Markus Krall anders: Der Gründungschef der Europäischen Ratingagentur hält den Druck auf die Bonitätsprüfer durch die EU aber für gesund:

    "Dieser Druck ist deswegen gesund, weil die Ratingindustrie einen ganz zentralen Punkt einnimmt, einen Punkt von systemischer Risikorelevanz in den Kapitalmärkten. Sie muss funktionieren, sonst werden immer neue systemische Risiken entstehen. Deswegen ist dieser Druck gesund, und eigentlich hat es weniger mit einer Schwächung zu tun als mit der Frage, werden die Rating-Agenturen ihrer Aufgabe gerecht, und was müssen sie tun, um ihr besser gerecht zu werden als in den letzten Jahren."

    Die verschärfte Regulierung soll frühestens im kommenden Jahr eingeführt werden.