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Schäuble sieht Irakpolitik auf gutem Weg

Dirk Müller: George Bush hat die D-Day-Feierlichkeiten an diesem Wochenende auch genutzt, um für die neue Irak-Resolution zu werben. Ein Thema, wo der amerikanische Präsident auch aus innenpolitischen Gründen darauf angewiesen ist, dass die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich schließlich einlenken. Die Feiern in der Normandie sind gestern mit einer deutsch-französischen Zeremonie zu Ende gegangen.

Moderation: Dirk Müller |
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Wolfgang Schäuble, stellvertretender Fraktionschef der Union im Bundestag. Guten Morgen!

    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen Herr Müller.

    Müller: Herr Schäuble, George Bush bittet die Kriegsgegner um Hilfe. Eine späte Genugtuung für Jacques Chirac und Gerhard Schröder?

    Schäuble: Ach, ich glaube Genugtuung ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, wenn sich jetzt die Chancen verbessern, dass die Entwicklung im Irak zum Guten verläuft. Darauf kommt es an, denn was immer im Irak schief läuft betrifft uns ja in Europa genauso mit. Insofern geht es nicht um Genugtuung, sondern darum, dass nach vielen Fehlern nun hoffentlich die Dinge sich eher in die richtige Richtung bewegen. Wollen wir hoffen, dass das auch die Menschen im Irak so verstehen und dass sich auch die friedlichen Kräfte im Irak durchsetzen.

    Müller: Welche Fehler hat die Bush-Regierung gemacht?

    Schäuble: Die einfältige Entscheidung war natürlich ein Fehler. Dass es nicht zu einer Entscheidung durch den Weltsicherheitsrat gekommen ist, war wahrscheinlich der Ausgangspunkt für viele falsche Entwicklungen, aber dass es nicht zu einer gemeinsamen Entscheidung im Weltsicherheitsrat gekommen ist, war eben nicht nur der Fehler der amerikanischen Regierung, sondern war auch der Uneinigkeit der Europäer zuzuschreiben.

    Müller: Welche Fehler hat die Union im Vorfeld des Krieges gemacht?

    Schäuble: Die Union war leider in dieser Frage in dieser Zeit in Opposition und außenpolitische Entscheidungen werden nun mal in erster Linie von der Regierung getroffen. Die Regierungen müssen zusammenarbeiten. Oppositionen im Parlament können Ratschläge geben, können Kritik üben und Alternativen aufzeigen, aber sie können letzten Endes nicht entscheiden.

    Müller: Hatten Sie nicht damals auch den Eindruck, als Angela Merkel im Vorfeld des Irak-Krieges nach Washington gereist ist, dass die CDU-Parteichefin dort ein klares Signal beziehungsweise grünes Licht für den amerikanischen Kurs gegeben hat?

    Schäuble: Die CDU hat immer zwei Dinge gesagt. Wissen Sie, die amerikanische Regierung hat auch für ihre Entscheidung im Irak nicht das grüne Licht der deutschen Opposition gebraucht. Die CDU hat immer zwei Dinge klar gesagt. Erstens: wir wünschen eine Entscheidung durch den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen und nicht eine unilaterale Entscheidung. Wir haben auch bedauert, dass es dazu nicht gekommen ist. Und zweitens: wir stehen natürlich an der Seite der Amerikaner. Das ist ja auch völlig unbestritten; das sagen ja auch inzwischen Präsident Chirac und Kanzler Schröder. Die beiden Dinge miteinander richtig zu verbinden war das Problem gewesen.

    Müller: Herr Schäuble, hat sich Ihre Position gegenüber Amerika, ganz konkret gegenüber der Bush-Regierung im Laufe der Jahre verändert?

    Schäuble: Meine Grundhaltung ist, dass wir immer akzeptieren sollten, respektieren müssen, was andere Völker, andere Nationen an demokratischen Regierungen wählen. Wir würden es ja auch in Deutschland nicht gerne haben, wenn die Menschen in China oder die Amerikaner entscheiden wollten wer bei uns regiert. Deswegen müssen wir mit jeder französischen, mit jeder englischen und mit jeder amerikanischen Regierung vernünftig zusammenarbeiten.
    Natürlich hat mich auch erschreckt, was im Irak alles schief gelaufen ist bis hin zu den Meldungen von den Foltern. Das ist eine Schande für den ganzen Westen, denn das betrifft uns ja letzten Endes genauso mit. Aber wir müssen doch vor allen Dingen in Deutschland uns darum kümmern, dass wir unsere Beiträge so gut wie möglich und so zielführend wie möglich machen. Manchmal habe ich die Sorge, dass wir uns in Deutschland zu sehr damit beschäftigen, was andere falsch machen und was andere machen sollten. Die Amerikaner sagen ja, die Europäer möchten immer entscheiden was wir Amerikaner tun sollen. Die Europäer sollen mehr Beiträge leisten. Das wäre das, was wir tun können, um die atlantische Partnerschaft, die nicht so gut funktioniert hat wie wir das brauchen, wieder zu verbessern.

    Müller: Demokratie impliziert, Herr Schäuble, ja auch Kritik. Heißt das aus Ihrer Sicht, dass die Kritik am amerikanischen Präsidenten, am amerikanischen Vorgehen aus europäischer Sicht, namentlich aus Frankreich, aus Deutschland, überzogen war?

    Schäuble: Ich habe es ja gerade gesagt. Die unilaterale Entscheidung war falsch. Ich hatte übrigens vor dem Krieg schon gesagt: den Krieg können die Amerikaner vielleicht alleine gewinnen; den Frieden werden sie nicht alleine gewinnen können. Das hat sich ja nicht als falsch erwiesen. Aber wir müssen doch vor allen Dingen fragen, was können wir dazu tun, dass sich Fehler, die gemacht worden sind, beim nächsten Mal nicht wiederholen. Und ich nenne einen Punkt: wenn man sagt, die Vereinten Nationen sollen entscheiden, dann darf man eben nicht wie der deutsche Bundeskanzler damals gleichzeitig sagen, wir beteiligen uns aber auch bei einer Entscheidung der Vereinten Nationen unter gar keinen Umständen. Das macht keinen Sinn. Wer multilaterale Entscheidungen wirklich will, muss auch bereit sein, einen fairen Anteil an Verantwortung mit zu übernehmen.

    Müller: Gehört zu diesem fairen Anteil potenziell, wenn wir nach vorne blicken - die neue Irak-Resolution ist ja offenbar unter Dach und Fach -, bedeutet das gegebenenfalls für Deutschland auch eine militärische Beteiligung?

    Schäuble: Ich glaube, dass dies jetzt überhaupt nicht zur Diskussion steht. Die Herren waren ja nun gerade zusammen; ich war nicht dabei. Sie werden nicht darüber gesprochen haben und die Soldaten der Bundeswehr sind ja nun wirklich in einem Maße, das ihre Möglichkeiten fast überfordert, in Afghanistan und auf dem Balkan engagiert. Wir sollten nicht die falschen Themen diskutieren. Wir sollten nicht spekulieren, sondern wir sollten sagen was können wir lernen, dass das nächste Mal die Dinge nicht so schief laufen, wie sie im Irak schief gelaufen sind. Was wir daraus lernen können ist, dass wir früher zu mehr Gemeinsamkeit in Europa und im atlantischen Bündnis kommen müssen.

    Müller: Aber Herr Schäuble, dann müssen Sie uns noch erklären, was Sie denn unter einem deutschen Beitrag verstehen?

    Schäuble: Wir haben von Anfang an gesagt, was immer die Vereinten Nationen entscheiden, wir werden uns nicht beteiligen. Das war der Fehler gewesen. Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen. Wir sollten auf der anderen Seite nicht ständig virtuelle Diskussionen darüber führen, wo noch Soldaten eingesetzt werden können.
    Ich sage ein anderes Beispiel. Vor einem Jahr war die Aktion kurzfristig im Nordosten des Kongo. Heute redet kein Mensch davon, was im Kongo stattfindet, und die dortige Regierung redet davon, dass gerade wieder die Gefahr eines neuen Krieges besteht. Die Entwicklung im Sudan haben wir seit Monaten auf uns zukommen sehen. Jetzt haben wir Meldungen, dass wir befürchten müssen, dass bis zu einer Million Menschen sterben müssen. Der Westen, die Völkergemeinschaft, die Vereinten Nationen haben zu lange gewartet und jeder muss sich doch dann fragen, nicht nur was hätten die Amerikaner tun sollen, sondern können wir Europäer nicht einen stärkeren Beitrag leisten.

    Müller: Die Vereinten Nationen sind demnach gelähmt im Zeichen des Irak-Krieges?

    Schäuble: Nein, aber die Vereinten Nationen sind immer nur so stark und so handlungsfähig, wie die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ihnen die Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Die Vereinten Nationen haben keine eigenen Flugzeuge, haben keine eigene Armee. Deswegen sind ja die Mitgliedsstaaten aufgefordert, ihre Beiträge zu leisten. Das steht ja vermutlich auch in der neuen Resolution des Weltsicherheitsrates für den Irak. Da muss man dann eben bereit sein, einen fairen Anteil auch zu übernehmen, aber das kann man nicht abstrakt diskutieren, sondern man muss eben sagen, dann muss jeder das, was in seinen Möglichkeiten liegt, auch dazu beitragen.

    Müller: Herr Schäuble, aber die Frage war ja nicht abstrakt gemeint, sondern was kann dies in der Praxis bedeuten? Gegebenenfalls ein Einsatz, eine Einbindung der NATO?

    Schäuble: Das ist jetzt glaube ich nicht mehr aktuell, aber das hat übrigens der Bundeskanzler vor einiger Zeit in die deutsche Debatte gebracht. Es hätte natürlich bedeuten können, dass man, wenn man sieht, dass die Amerikaner und die Briten, die Koalitionsstreitkräfte im Irak in den Augen der Bevölkerung weniger Möglichkeiten haben, Frieden und Stabilität zu vermitteln, dann stärker auf eine multinationale Sicherungstruppe setzt, dass man sagt Europäer und arabische Staaten engagieren sich stärker, um das zu Stande zu bringen, das Vertrauen zu gewinnen, das offenbar die Amerikaner in dem Maße im Augenblick im Irak nicht gewinnen können.

    Müller: Blicken wir noch einmal auf die Irak-Resolution. Es geht ja dort in erster Linie um die Diskussion, wie schnell werden die Iraker souverän, im politischen Sinne wie später ja auch im militärischen Sinne. Ist das bisher diskutierte Übergangsszenario, Machtwechsel 30. Juni, anschließend Verfassung sowie auch dann freie Wahlen, auch mit der militärischen Kontrolle, ein wenig verfrüht?

    Schäuble: Das müssen letzten Endes die Verantwortlichen im Irak selber wissen. Auch bei der Resolution haben wir wieder zwei sich ein Stück weit entgegengesetzte Probleme. Auf der einen Seite sagt jeder, wir brauchen eine möglichst souveräne irakische Regierung, damit die Menschen im Irak sehen und verstehen, es ist ihre eigene Sache. Niemand will sie besetzen, niemand will sie beherrschen. Jeder will ihnen nur helfen, dass sie eine stabile Freiheitsordnung aufbauen können. Auf der anderen Seite sagt die irakische Übergangsregierung ja selber bitte, ihr dürft uns jetzt nicht kurzfristig die Koalitionsstreitkräfte aus dem Irak zurückziehen, denn wir sind noch nicht in der Lage, die Sicherheit im Lande garantieren zu können, was ja die Voraussetzung dafür ist, dass ein friedlicher Aufbau gelingt. Diese beiden Dinge, die Notwendigkeit, der irakischen Übergangsregierung zu helfen, aber zugleich auch ihre Souveränität möglichst rasch möglichst vollständig herzustellen, die muss man vernünftig in Übereinstimmung bringen. Aber nach dem, was wir eben gehört haben, scheint das ja nun auf einem guten Weg zu sein.

    Müller: Wolfgang Schäuble war das, der stellvertretende Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Schäuble: Auf Wiederhören Herr Müller!