Bettina Klein: Das Bundesinnenministerium geht von einer erhöhten Gefährdungslage aus. Am Wochenende wurden zeitgleich mit den Terrordrohungen des Islamisten Bekkay Harrach per Video die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland erhöht. Vor Anschlägen im Umfeld der Bundestagswahlen ist seit Langem gewarnt worden. Ein Thema jetzt im Gespräch mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Guten Morgen, Herr Schäuble.
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Aus der Tatsache, dass Sie uns dieses Interview auch zu diesem Thema geben, schließe ich, Sie halten es nicht ausschließlich für Panikmache, auf diese Videos einzugehen.
Schäuble: Nein, das ist natürlich nicht Panikmache. Wir haben ja seit geraumer Zeit die Drohungen im Internet gegen Deutschland, auch im Zusammenhang mit der Bundestagswahl. Wir haben Hinweise von den Nachrichtendiensten auch vieler befreundeter Länder, dass solche Planungen diskutiert werden, und deswegen müssen wir diese Warnungen ja ernst nehmen. Deswegen haben wir auch nicht aus Anlass dieser Videobotschaft, sondern schon vorab in Absprache mit allen Bundesländern die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Wir können ja nicht sagen, wir hoffen, dass das Spinner sind, sondern wir nehmen die Bedrohungen ernst. Wir sehen ja im Sauerland-Prozess, dass diese Leute tatsächlich entschlossen sind, ohne Rücksicht auf Menschenleben, das heißt gezielt Menschenleben umzubringen.
Klein: Wie konkret sind denn diese Drohungen, Herr Schäuble?
Schäuble: Was heißt "konkret"? Wir haben die Drohungen. Wir wissen, dass sie versuchen, dass sie reden, sie wollen Anschläge machen, aber wir wissen nicht, wir haben keine konkreten Punkte, wo jemand ist oder wo jemand etwas vorbereitet. Sonst hätten wir ihn ja unter Beobachtung. Dann wäre die Gefahr auch wesentlich geringer.
Klein: Also auch keine Eingrenzungen hinsichtlich der Orte oder der Gebiete, die besonders gefährdet sein könnten?
Schäuble: Nein. Die Drohungen gehen ja gegen Deutschland und gegen Deutsche. Das heißt, sie richten sich natürlich auch gegen Deutsche im Ausland, wenn Sie vor diesem Hintergrund die Geschichte mit den zwei gekaperten Tankwagen in Afghanistan auch sehen. Die Drohungen richten sich auch auf die Deutschen in Afghanistan und sie richten sich auf Deutsche in Deutschland. Aber wo, ob nun im Norden oder im Süden, das wissen wir nicht.
Klein: Können Sie darüber sprechen, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung versucht, die Bürger zu schützen, abgesehen davon, dass es jetzt eben verstärkte Patrouillen an Bahnhöfen und Flughäfen gibt?
Schäuble: Wir kontrollieren natürlich so weit wir können - das hat ja alles seine Grenzen – den Reiseverkehr derjenigen, von denen wir wissen, dass sie Gefährder sind. Der, der diese Videobotschaft ins Internet gestellt hat, ist ja ein Mann, den wir aus der Islamistenszene kennen und den wir seit Langem als Gefährder erfasst haben. Da versuchen wir natürlich, alles an Beobachtung zu machen. Im Übrigen kontrollieren wir an den Flughäfen, wer an- und abreist, so weit wir sie kennen, und darüber hinaus versuchen wir natürlich im öffentlichen Raum durch erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei, so viel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten. Es macht auch keinen Sinn, dass wir uns jetzt öffentlich in einen Zustand der Erregung versetzen lassen. Das ist genau das, was die Terroristen wollen. Deswegen sagen wir, es ist eine erhöhte Wachsamkeit angesagt. Aber wir haben nicht den geringsten Grund, uns nun von den Terroristen in Angst und Schrecken versetzen zu lassen. Das genau wollen sie und das genau werden wir nicht tun.
Klein: Müssen wir jetzt auch lernen, Herr Schäuble, dass das eben eine Art von Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist, die wir zu tragen haben wie andere Staaten sie auch zu tragen haben?
Schäuble: Ich sage aber da immer, man darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Der Afghanistan-Einsatz ist eine Folge des Terrorismus, der sich gegen die westliche Welt insgesamt richtet. Es sind ja auch viele Deutsche am 11. September 2001 in New York umgekommen und bei anderen Anschlägen auch, in Afrika, in Asien. Wir sind alle bedroht von einem Terrorismus, der der modernen Welt den Krieg erklärt hat, und um diesen Terrorismus zu bekämpfen – das ist ja die Grundlage des Afghanistan-Einsatzes, wie es die Vereinten Nationen beschlossen haben - - Die Bundeswehr und unser Einsatz in Afghanistan im Kampf gegen den Terror ist nicht die Ursache, sondern es ist eine Folge, dass wir gemeinsam bedroht sind und dass wir auch gemeinsam dieser Bedrohung wehren müssen.
Klein: Und wir müssen jetzt auch diese Bedrohung, angekündigt durch diese Videos im Internet, ertragen?
Schäuble: Die hatten wir ja auch vorher schon. Schauen Sie, wir haben Glück gehabt bei den Kofferbomben-Attentätern, die das schon im Jahr 2006 zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft versucht haben. Wir haben ein Jahr später die Sauerland-Täter, die jetzt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf per Strafprozess abgeurteilt werden und die ja jetzt gestehen, was für schwere Anschläge sie geplant haben. Das ist alles nicht ganz neu. Manche in der Öffentlichkeit haben es nicht ernst nehmen wollen, wenn wir gesagt haben, wir sind auch bedroht. Wir machen uns nicht verrückt, wir machen keine Panik, wir schüren keine Angst, wir nehmen unsere Aufgabe so gut wir können wahr, das mögliche Maß an Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten.
Klein: Herr Schäuble, ganz ohne Terrorbedrohung war das Land in der vergangenen Woche erschüttert von realen Gewalttaten, Gewaltakten in Bayern. Zum einen ein mutiger Bürger, der in der S-Bahn in München andere vor Übergriffen schützen wollte und deswegen brutal totgeschlagen wurde, und ganz anders gelagert nicht weniger emotional aufgenommen ein Gewaltakt an einer Schule in Ansbach, auch dort mit Todesfolge. Lassen Sie uns auf den Fall Dominik Brunner und die erforderlichen Konsequenzen schauen. Ein mutiger Mann, der nicht wegsehen wollte und das mit dem Leben bezahlt hat. Für das Fehlen von Zivilcourage steht dieser Fall ja gerade nicht. Für welches Versäumnis in der Gesellschaft steht er Ihrer Meinung nach dann?
Schäuble: Bei einem Teil der jungen Menschen beobachten wir ja eine wachsende Neigung zu einer unfasslichen Brutalität und dem muss man mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Aber deswegen müssen wir auch da überlegen, können wir etwa im öffentlichen Nahverkehr die Präsenz der Polizei verstärken, gibt es durch mehr Videokameras, wie es der Richterbund und andere fordern, eine stärkere präventive Wirkung. Aber natürlich ist das eigentliche Problem: was können wir tun, um sicherzustellen oder zu erreichen, dass möglichst viele junge Menschen nicht auf einen solchen Weg der kriminellen Karriere geraten und dann in so unfasslicher Brutalität sich austoben. Man steht ja fassungslos vor solchen Ereignissen. Diese Schläger sind was anderes als die Amokläufer, die wir jetzt wieder in der Schule in Ansbach hatten und vor einiger Zeit ja schrecklich in Winnenden mit furchtbar vielen Toten. Auch dort ist die Frage, wie ziehen sich junge Menschen so in sich selbst zurück, dass sie im Grunde gar nicht mehr durch vernünftige Ansprache erreicht werden, und bei diesen Gewalttätern muss man überlegen, kann man früher mit Maßnahmen der Erziehungs- und Jugendhilfe solche Karrieren vielleicht noch abbiegen.
Klein: Jetzt haben Sie Fragen gestellt, Herr Minister, und auch von Videoüberwachung gesprochen. Haben Sie denn Antworten darauf, wie die Politik handeln könnte, um dem Problem dieser in Teilen sehr brutalen Jugendgewalt, die sich zeigt, zu begegnen?
Schäuble: Man muss, Frau Klein, sich immer davor hüten, so zu tun als hätte die Politik für alles Patentantworten. Das ist eine Frage, die fängt in den Familien an, in der Erziehung der Kinder. Die setzt sich fort: wie ist es mit der Gewalt in den Medien, auch in den modernen Medien. Das kann nicht alles in der freiheitlichen Demokratie der Staat regeln. Diejenigen, die immer gleich Patentantworten von der Politik erwarten, die verlangen von der Politik etwas, was sie nicht leisten kann. Wir müssen aus solchen Vorfällen lernen, aber auch als Gesellschaft. Ich trete ja seit Langem dafür ein, dass wir alles versuchen zu stärken in unserer Gesellschaft, was dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dient, dass wir die Familie nicht immer stärker schwächen lassen, sondern dass wir dafür eintreten, dass Eltern eine Verantwortung für ihre Kinder haben und dass im Übrigen auch der Staat den Eltern hilft, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Und dort, wo sie es erkennbar nicht können oder nicht zustande bringen, da muss man auch zusammen mit den für die Schule Verantwortlichen dafür sorgen, dass die Jugend- und Erziehungshilfe vielleicht effizienter eingesetzt werden. Das ist eine Aufgabe der Länder, aber es ist vor allen Dingen eine Aufgabe unserer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt.
Klein: Härtere Strafen, mehr Urteile nach Erwachsenenstrafrecht, gibt die Union im Augenblick mit solchen Vorschlägen die richtigen Antworten?
Schäuble: Man muss zunächst einmal sagen, Heranwachsende – das sind junge Menschen oder Volljährige im Alter zwischen 18 und 21 Jahren – werden ja im Regelfall nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Im Übrigen muss man solche Fragen immer diskutieren. Aber auf der anderen Seite muss man auch wissen: Diese Gewalttäter, die da Herrn Brunner so furchtbar zusammengeschlagen und ermordet haben, die hätten sich vermutlich durch eine höhere Strafandrohung auch nicht abschrecken lassen. Also ist es wichtiger, dass wir früher ansetzen mit Maßnahmen der Jugend- und Erziehungshilfe.
Klein: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Gespräch mit dem Deutschlandfunk heute Morgen. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schäuble.
Schäuble: Bitte sehr, Frau Klein. Auf Wiederhören.
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Aus der Tatsache, dass Sie uns dieses Interview auch zu diesem Thema geben, schließe ich, Sie halten es nicht ausschließlich für Panikmache, auf diese Videos einzugehen.
Schäuble: Nein, das ist natürlich nicht Panikmache. Wir haben ja seit geraumer Zeit die Drohungen im Internet gegen Deutschland, auch im Zusammenhang mit der Bundestagswahl. Wir haben Hinweise von den Nachrichtendiensten auch vieler befreundeter Länder, dass solche Planungen diskutiert werden, und deswegen müssen wir diese Warnungen ja ernst nehmen. Deswegen haben wir auch nicht aus Anlass dieser Videobotschaft, sondern schon vorab in Absprache mit allen Bundesländern die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Wir können ja nicht sagen, wir hoffen, dass das Spinner sind, sondern wir nehmen die Bedrohungen ernst. Wir sehen ja im Sauerland-Prozess, dass diese Leute tatsächlich entschlossen sind, ohne Rücksicht auf Menschenleben, das heißt gezielt Menschenleben umzubringen.
Klein: Wie konkret sind denn diese Drohungen, Herr Schäuble?
Schäuble: Was heißt "konkret"? Wir haben die Drohungen. Wir wissen, dass sie versuchen, dass sie reden, sie wollen Anschläge machen, aber wir wissen nicht, wir haben keine konkreten Punkte, wo jemand ist oder wo jemand etwas vorbereitet. Sonst hätten wir ihn ja unter Beobachtung. Dann wäre die Gefahr auch wesentlich geringer.
Klein: Also auch keine Eingrenzungen hinsichtlich der Orte oder der Gebiete, die besonders gefährdet sein könnten?
Schäuble: Nein. Die Drohungen gehen ja gegen Deutschland und gegen Deutsche. Das heißt, sie richten sich natürlich auch gegen Deutsche im Ausland, wenn Sie vor diesem Hintergrund die Geschichte mit den zwei gekaperten Tankwagen in Afghanistan auch sehen. Die Drohungen richten sich auch auf die Deutschen in Afghanistan und sie richten sich auf Deutsche in Deutschland. Aber wo, ob nun im Norden oder im Süden, das wissen wir nicht.
Klein: Können Sie darüber sprechen, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung versucht, die Bürger zu schützen, abgesehen davon, dass es jetzt eben verstärkte Patrouillen an Bahnhöfen und Flughäfen gibt?
Schäuble: Wir kontrollieren natürlich so weit wir können - das hat ja alles seine Grenzen – den Reiseverkehr derjenigen, von denen wir wissen, dass sie Gefährder sind. Der, der diese Videobotschaft ins Internet gestellt hat, ist ja ein Mann, den wir aus der Islamistenszene kennen und den wir seit Langem als Gefährder erfasst haben. Da versuchen wir natürlich, alles an Beobachtung zu machen. Im Übrigen kontrollieren wir an den Flughäfen, wer an- und abreist, so weit wir sie kennen, und darüber hinaus versuchen wir natürlich im öffentlichen Raum durch erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei, so viel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten. Es macht auch keinen Sinn, dass wir uns jetzt öffentlich in einen Zustand der Erregung versetzen lassen. Das ist genau das, was die Terroristen wollen. Deswegen sagen wir, es ist eine erhöhte Wachsamkeit angesagt. Aber wir haben nicht den geringsten Grund, uns nun von den Terroristen in Angst und Schrecken versetzen zu lassen. Das genau wollen sie und das genau werden wir nicht tun.
Klein: Müssen wir jetzt auch lernen, Herr Schäuble, dass das eben eine Art von Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist, die wir zu tragen haben wie andere Staaten sie auch zu tragen haben?
Schäuble: Ich sage aber da immer, man darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Der Afghanistan-Einsatz ist eine Folge des Terrorismus, der sich gegen die westliche Welt insgesamt richtet. Es sind ja auch viele Deutsche am 11. September 2001 in New York umgekommen und bei anderen Anschlägen auch, in Afrika, in Asien. Wir sind alle bedroht von einem Terrorismus, der der modernen Welt den Krieg erklärt hat, und um diesen Terrorismus zu bekämpfen – das ist ja die Grundlage des Afghanistan-Einsatzes, wie es die Vereinten Nationen beschlossen haben - - Die Bundeswehr und unser Einsatz in Afghanistan im Kampf gegen den Terror ist nicht die Ursache, sondern es ist eine Folge, dass wir gemeinsam bedroht sind und dass wir auch gemeinsam dieser Bedrohung wehren müssen.
Klein: Und wir müssen jetzt auch diese Bedrohung, angekündigt durch diese Videos im Internet, ertragen?
Schäuble: Die hatten wir ja auch vorher schon. Schauen Sie, wir haben Glück gehabt bei den Kofferbomben-Attentätern, die das schon im Jahr 2006 zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft versucht haben. Wir haben ein Jahr später die Sauerland-Täter, die jetzt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf per Strafprozess abgeurteilt werden und die ja jetzt gestehen, was für schwere Anschläge sie geplant haben. Das ist alles nicht ganz neu. Manche in der Öffentlichkeit haben es nicht ernst nehmen wollen, wenn wir gesagt haben, wir sind auch bedroht. Wir machen uns nicht verrückt, wir machen keine Panik, wir schüren keine Angst, wir nehmen unsere Aufgabe so gut wir können wahr, das mögliche Maß an Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten.
Klein: Herr Schäuble, ganz ohne Terrorbedrohung war das Land in der vergangenen Woche erschüttert von realen Gewalttaten, Gewaltakten in Bayern. Zum einen ein mutiger Bürger, der in der S-Bahn in München andere vor Übergriffen schützen wollte und deswegen brutal totgeschlagen wurde, und ganz anders gelagert nicht weniger emotional aufgenommen ein Gewaltakt an einer Schule in Ansbach, auch dort mit Todesfolge. Lassen Sie uns auf den Fall Dominik Brunner und die erforderlichen Konsequenzen schauen. Ein mutiger Mann, der nicht wegsehen wollte und das mit dem Leben bezahlt hat. Für das Fehlen von Zivilcourage steht dieser Fall ja gerade nicht. Für welches Versäumnis in der Gesellschaft steht er Ihrer Meinung nach dann?
Schäuble: Bei einem Teil der jungen Menschen beobachten wir ja eine wachsende Neigung zu einer unfasslichen Brutalität und dem muss man mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Aber deswegen müssen wir auch da überlegen, können wir etwa im öffentlichen Nahverkehr die Präsenz der Polizei verstärken, gibt es durch mehr Videokameras, wie es der Richterbund und andere fordern, eine stärkere präventive Wirkung. Aber natürlich ist das eigentliche Problem: was können wir tun, um sicherzustellen oder zu erreichen, dass möglichst viele junge Menschen nicht auf einen solchen Weg der kriminellen Karriere geraten und dann in so unfasslicher Brutalität sich austoben. Man steht ja fassungslos vor solchen Ereignissen. Diese Schläger sind was anderes als die Amokläufer, die wir jetzt wieder in der Schule in Ansbach hatten und vor einiger Zeit ja schrecklich in Winnenden mit furchtbar vielen Toten. Auch dort ist die Frage, wie ziehen sich junge Menschen so in sich selbst zurück, dass sie im Grunde gar nicht mehr durch vernünftige Ansprache erreicht werden, und bei diesen Gewalttätern muss man überlegen, kann man früher mit Maßnahmen der Erziehungs- und Jugendhilfe solche Karrieren vielleicht noch abbiegen.
Klein: Jetzt haben Sie Fragen gestellt, Herr Minister, und auch von Videoüberwachung gesprochen. Haben Sie denn Antworten darauf, wie die Politik handeln könnte, um dem Problem dieser in Teilen sehr brutalen Jugendgewalt, die sich zeigt, zu begegnen?
Schäuble: Man muss, Frau Klein, sich immer davor hüten, so zu tun als hätte die Politik für alles Patentantworten. Das ist eine Frage, die fängt in den Familien an, in der Erziehung der Kinder. Die setzt sich fort: wie ist es mit der Gewalt in den Medien, auch in den modernen Medien. Das kann nicht alles in der freiheitlichen Demokratie der Staat regeln. Diejenigen, die immer gleich Patentantworten von der Politik erwarten, die verlangen von der Politik etwas, was sie nicht leisten kann. Wir müssen aus solchen Vorfällen lernen, aber auch als Gesellschaft. Ich trete ja seit Langem dafür ein, dass wir alles versuchen zu stärken in unserer Gesellschaft, was dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dient, dass wir die Familie nicht immer stärker schwächen lassen, sondern dass wir dafür eintreten, dass Eltern eine Verantwortung für ihre Kinder haben und dass im Übrigen auch der Staat den Eltern hilft, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Und dort, wo sie es erkennbar nicht können oder nicht zustande bringen, da muss man auch zusammen mit den für die Schule Verantwortlichen dafür sorgen, dass die Jugend- und Erziehungshilfe vielleicht effizienter eingesetzt werden. Das ist eine Aufgabe der Länder, aber es ist vor allen Dingen eine Aufgabe unserer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt.
Klein: Härtere Strafen, mehr Urteile nach Erwachsenenstrafrecht, gibt die Union im Augenblick mit solchen Vorschlägen die richtigen Antworten?
Schäuble: Man muss zunächst einmal sagen, Heranwachsende – das sind junge Menschen oder Volljährige im Alter zwischen 18 und 21 Jahren – werden ja im Regelfall nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Im Übrigen muss man solche Fragen immer diskutieren. Aber auf der anderen Seite muss man auch wissen: Diese Gewalttäter, die da Herrn Brunner so furchtbar zusammengeschlagen und ermordet haben, die hätten sich vermutlich durch eine höhere Strafandrohung auch nicht abschrecken lassen. Also ist es wichtiger, dass wir früher ansetzen mit Maßnahmen der Jugend- und Erziehungshilfe.
Klein: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Gespräch mit dem Deutschlandfunk heute Morgen. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schäuble.
Schäuble: Bitte sehr, Frau Klein. Auf Wiederhören.