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Schäuble würdigt Rolle des Auswärtigen Amtes bei Freilassung der Sahara-Geiseln

Heinlein: Am Telefon in Berlin begrüße ich jetzt den stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble. Guten Morgen!

    Schäuble: Guten Morgen!

    Heinlein: Herr Schäuble, viele Hintergründe liegen noch im Dunkeln. So hat unser Korrespondent gerade berichtet. Wissen Sie denn Näheres über die Umstände der Freilassung?

    Schäuble: Nein. Natürlich weiß ich auch nur das, was Sie eben berichtet haben. Das Entscheidende ist ja jetzt, dass man nun wirklich hoffen kann, dass die Geiseln alle wieder einigermaßen unversehrt nach Deutschland zurückkommen. Man soll allerdings nicht vergessen: sie haben eine fürchterliche Zeit hinter sich, ihre Angehörigen auch, und eine der Entführten ist tot. Auch das darf nicht vergessen werden in aller Freude, wenn jetzt die anderen endlich gerettet werden können.

    Heinlein: Halten Sie es denn für möglich, dass Lösegeld gezahlt wurde?

    Schäuble: Ich will darüber nicht spekulieren. Ich glaube es war überhaupt in dieser ganzen schrecklichen Zeit richtig, dass wenig geredet worden ist, dass wir einmal nicht die übliche Schwatzhaftigkeit gehabt haben. Das hat sicherlich der Lösung des Falles gedient. Jetzt müssen die Verantwortlichen berichten, was gewesen ist, und dann wird man sehen, was man öffentlich machen kann und was nicht. Aber das ist glaube ich auch nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass die entführten Menschen endlich gerettet werden können.

    Heinlein: Dennoch, Herr Schäuble, ist es grundsätzlich richtig, wenn eine Regierung direkt oder indirekt Lösegeld zahlt, um eigene Staatsbürger aus der Gewalt von Entführern frei zu bekommen?

    Schäuble: Das ist immer ein ganz schwieriger Prozess der Abwägung. Wenn man einfach Lösegeld zahlt, macht man natürlich die Staatsangehörigen für künftige Entführer gerade zum Objekt, weil man ja sagen kann, es lohnt sich zu erpressen. Auf der anderen Seite: wenn Menschen in einer so schrecklichen Lage sind, wie es bei den entführten Touristen gewesen ist, dann muss eine Regierung versuchen, im Rahmen ihrer Verantwortung das Menschenmögliche zu tun. Wie das im Einzelnen geschehen ist weiß ich nicht. Ich will auch jetzt darüber nicht spekulieren. Mein Eindruck ist, dass die Verantwortlichen die Sache richtig und seriös gemacht haben, und ich sage noch einmal: dazu gehört auch, dass eben gerade nicht so viel geredet und spekuliert worden ist.

    Heinlein: Also ein Lob für den Außenminister und seine Mitarbeiter?

    Schäuble: Ich finde, der Staatssekretär hat das mit seinen Mitarbeitern sehr gut gemacht. Das ist auch ihre Pflicht, aber es ist ja auch gut, dass die Regierung in solchen Fällen in der Lage ist – in diesem Fall hat es ja viele Monate gedauert - deutschen Staatsangehörigen zu helfen. Dafür hat man ja letzten Endes auch eine Regierung.

    Heinlein: Herr Schäuble, Thema Afghanistan. Heute beginnt die deutsche Erkundungsmission in der Region um Kundus. Dann soll entschieden werden, ob das deutsche Wiederaufbauteam oder mehrere Teams in die Regierung geschickt werden. Halten Sie denn diese Vorgehensweise der Bundesregierung ebenfalls für richtig?

    Schäuble: Grundsätzlich liegt natürlich das Problem darin, dass allein mit der Stabilisierung von Kabul, wie das einmal auf der Petersberg-Konferenz vorgesehen war, die afghanische Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist, das Land zu stabilisieren, so dass der Prozess als solcher nicht voran kommt und vor allen Dingen auch die Lage für die Menschen in Kabul, für die Soldaten immer gefährlicher wird. Deswegen muss man etwas tun, um diesen Prozess voranzubringen, aber dazu braucht man schon eine Konzeption. Deswegen haben wir ja auch gesagt, wir würden schon gerne ein bisschen genauer wissen, wie man sich nun eigentlich die Entwicklung vorstellt, dass Afghanistan insgesamt zur Stabilität kommt. Aber die Ausweitung über Kabul hinaus ist grundsätzlich schon richtig. Es muss nur Sinn machen und es muss auch noch verantwortbar sein und wir müssen vor allen Dingen in der Lage sein, den Soldaten, die wir in diese gefährlichen Einsätze schicken, zu erklären, welches das Ziel dieser Entwicklung ist, dass man auch Fortschritte bemessen kann. In den letzten Monaten kann man keine Fortschritte erkennen.

    Heinlein: Nun sagt der Außenminister und seine Mitarbeiter, dass das Konzept einfach sei, dass Wiederaufbauhelfer, zivile Aufbauhelfer in die Region geschickt werden und dort geschützt werden von Bundeswehrsoldaten, um dann den Wiederaufbau voranzubringen, die dann auch den demokratischen Wiederaufbau des Landes garantieren.

    Schäuble: So weit ist das ja richtig. Das Konzept ist ja auch nicht von der Bundesregierung alleine entwickelt worden. Man kann das auch gar nicht alleine machen. Man braucht Partnerschaft. Aber der Verteidigungsminister hat vor kurzem auch noch gesagt, es macht eigentlich relativ wenig Sinn, deutsche Soldaten nach Kundus zu schicken, weil die Amerikaner ja dort ein solches Aufbauteam bereits unterhalten haben. Es geht ja dann mehr darum, das amerikanische Team abzulösen. Das mag auch richtig sein, aber es ist noch kein Beitrag, um die Lage in Afghanistan zu verbessern, denn Kundus ist ja offenbar schon sicher. Deswegen sage ich noch einmal: wir müssen schon ein bisschen genauer dann nach der Mission hören, wie eigentlich nun insgesamt durch diese Entscheidungen, die wir treffen sollen, die Lage in Afghanistan sich verbessern soll. Nur einen Ort, der schon sicher ist, weiterhin sicher zu halten, verbessert die Lage noch nicht.

    Heinlein: Glauben Sie denn, Herr Schäuble, dass diese Erkundungsmission, die heute beginnt, ergebnisoffen durchgeführt wird, oder steht wegen des politischen Drucks aus Berlin das Ergebnis bereits fest?

    Schäuble: Wir hatten ja vor einigen Wochen schon einmal eine Erkundungsmission. Da ging es insbesondere nach Herat. Die war ja offensichtlich auch ergebnisoffen, denn das Ergebnis ist gewesen, dass die Bundesregierung bis heute nicht abschließend darüber berichtet hat, dass sie aber offenbar doch eher dazu neigt, nicht nach Herat zu gehen. Insofern glaube ich schon, dass das wirklich eine ergebnisoffene Mission ist. Das ist auch richtig und natürlich ist auch richtig, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben. Schauen Sie, wenn die Stabilisierung Afghanistans scheitert, dann ist das eine Katastrophe für die gesamte Welt, denn das wäre eine Niederlage im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und eine Ermutigung derjenigen Kräfte auf der Welt, die nicht den Frieden und eine friedliche Entwicklung wollen. Das bedroht nicht nur Amerika, das bedroht auch uns. Deswegen sind wir genauso in der Verantwortung wie andere.

    Heinlein: Unter welchem Dach, Herr Schäuble, sollte denn der deutsche Einsatz in Afghanistan ausgeweitet werden? Ist das ISAF-Mandat ausreichend, oder muss es ein neues Mandat des UN-Sicherheitsrates geben?

    Schäuble: Das ISAF-Mandat beschränkt sich ja meines Wissens auf Kabul. Deswegen wird es, wenn man es auf der Grundlage von ISAF macht, wohl eine Ausweitung oder ein neues Mandat bedürfen. Ich glaube es spricht doch relativ viel dafür, die beiden Mandate ISAF und Enduring freedom in einer sinnvollen Weise miteinander zu verbinden, denn zur Sicherheit außerhalb Kabuls ist ja auch wichtig, dass man notfalls auch auf die militärisch stärkeren, durchsetzungsstärkeren Truppenteile zurückgreifen kann. Andererseits ist das Problem – das ist ja bei diesem ganzen Konzept das, was insbesondere auch von Entwicklungsorganisationen kritisch hinterfragt wird - ob die Vermischung von zivilen Aufbaukomponenten mit militärischen letzten Endes das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt. Das sind alles Fragen, die in dieser Erkundungsmission noch ein bisschen genauer geklärt werden müssen, auch das Verhältnis zu den lokalen Behörden. Das sind übrigens die Fragen, von denen ich erwarte, dass sie beantwortet werden, dass man einmal eine Konzeption hat, wie denn Afghanistan sicherer werden kann.

    Heinlein: Vorher werden Sie auch nicht sagen, wie sich Ihre Fraktion verhalten wird, wenn es denn im September – so hat der Verteidigungsminister gesagt – im Bundestag zur Abstimmung kommt?

    Schäuble: Natürlich werden wir Fragen erst beantworten, wenn sie uns gestellt werden. Erst muss die Bundesregierung sich entscheiden. Sie muss berichten, sie muss diese Mission auswerten, dann muss sie einen Antrag stellen, dann werden wir darüber befinden. Grundsätzlich haben wir ja gesagt sind wir durchaus bereit, unsere Verantwortung mit zu übernehmen, wenn eine sinnvolle Konzeption zu Grunde liegt, aber die muss erst einmal entwickelt werden. Vor nicht allzu langer Zeit hat sich die Bundesregierung ja sehr als Gastgeber der Petersberger-Konferenz international und bei den Medien in den Vordergrund gespielt als diejenigen, die nun Afghanistan den Frieden bringen. Inzwischen zieht man sich aus der Verantwortung sehr zurück. Das geht nicht! Wir haben gerade auch als Veranstalter der Petersberger-Konferenz eine fortwirkende Verantwortung. Wir müssen mit unseren Partnern in Europa, in der atlantischen Gemeinschaft und darüber hinaus alles daran setzen, dass die Entwicklung in Afghanistan, die in den letzten Monaten nicht positiv verlaufen ist, eine positivere Entwicklung, einen positiveren Fortgang nimmt.

    Heinlein: Unionsfraktionsvizechef Wolfgang Schäuble heute Morgen hier im Deutschlandfunk. – Ich danke, Herr Schäuble, für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio