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Schalck-Golodkowski
Symbol des ostdeutschen Herrschaftssystems

Alexander Schalck-Golodkowski galt als Devisenbeschaffer der DDR. Als die zum Teil dubiosen Geschäfte mit dem Sturz des SED-Regimes 1989 ans Licht kamen, stellte er sich am 6. Dezember 1989 der Justiz. Strafrechtlich waren ihm nur Verstöße gegen alte Gesetze der westalliierten Militärregierung vorzuwerfen.

Von Wolfgang Stenke | 06.12.2014
    Der frühere DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalk-Golodkowski steht am 29.01.96 im Verhandlungssaal des Justizgebäudes Berlin-Moabit vor der Anklagebank
    Der frühere DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalk-Golodkowski bei einem Gerichtstermin am 29. 01. 1996 in Berlin-Moabit. (dpa / picture alliance / Andreas Altwein)
    "Er war ein harter Verhandlungspartner, er hat die Interessen der DDR hart vertreten, das war ja seine Sache, aber er war verlässlich, er war präzise."
    Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, 1991 über Alexander Schalck-Golodkowski: ehemaliger Staatssekretär im Außenhandelsministerium der DDR, Leiter des Bereiches "Kommerzielle Koordinierung".
    "Und ich denke, dass wir in unseren Kontakten, in unseren Beziehungen eine Menge erreicht haben, was am Ende den Menschen im geteilten Deutschland zugutegekommen ist."
    So freundliche Worte fanden nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht viele für Alexander Schalck-Golodkowski: Die graue Eminenz mit Westkontakten, die die DDR gut zwei Jahrzehnte lang mit dringend benötigten harten Devisen versorgte, Luxusgüter aus dem Westen für die SED-Prominenz beschaffte und 1983, dank Vermittlung des CSU-Politikers Franz Josef Strauß, bei westdeutschen Banken jenen Milliardenkredit locker machte, der die Wirtschaft des Arbeiter- und Bauernstaates vorläufig vor der Pleite bewahrte. In den Wendezeiten des Herbstes 1989 wurde der bullige Schalck-Golodkowski, den das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Generalleutnant auf der Gehaltsliste führte, zur Unperson. Die SED-Spitzen, für die er gearbeitet hatte – Honecker, Mittag, Mielke –, waren abgesetzt. Schalck-Golodkowski wurde der Ost-Berliner Boden zu heiß. – In seinen "Deutsch-deutschen Erinnerungen" schrieb er:
    "Als ich in der eiskalten Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1989 mit meiner Frau Sigrid zum Grenzübergang Invalidenstraße fuhr, fühlte ich mich von meinem Staat, meiner Partei und dem MfS - dem wir beide angehörten - verlassen. Ich hatte Angst um mein Leben. Für mich war dieser Grenzübergang eine Flucht."
    Nicht gegen bundesdeutsches Recht verstoßen
    Überall in der DDR kursierten bundesdeutsche Presseberichte, die die Geschäfte von Schalck-Golodkowskis Dienststelle "Kommerzielle Koordinierung", kurz Koko genannt, enthüllten. Die Gelder, die sie über ein ganzes Netzwerk von Firmen bewegte, stammten aus trüben Quellen - aus Exportgeschäften mit Waffen der Nationalen Volksarmee oder dem Import von Müll aus Westdeutschland. 3,4 Milliarden D-Mark strich die Koko-Tochter Intrac beim Freikauf politischer Häftlinge durch die Bundesregierung ein.
    Ein Untersuchungsausschuss der Volkskammer wollte den Koko-Chef nun wegen Amtsmissbrauchs vorladen. Die DDR-Justiz ließ ihn mit internationalem Haftbefehl suchen. Am 6. Dezember 1989 stellte Schalck-Golodkowski sich der Westberliner Staatsanwaltschaft und kam in Untersuchungshaft. Da er gegen bundesdeutsches Recht nicht verstoßen hatte, wurde er bald wieder entlassen. Schalck-Golodkowski: "Ich muss hier (...) mit allem Nachdruck sagen (...), dass ich vom ersten Tag an auf Empfehlung meines Strafverteidigers Herrn Dr. Danckert den Bundesbehörden und auch den Berliner Justizbehörden jegliche Zusammenarbeit, Unterstützung bei der Aufklärung von Geldbewegungen angeboten habe und dass ich nach bestem Wissen und Gewissen dazu beigetragen habe, dass im Vereinigungsprozess der beiden deutschen Staaten keine staatlichen Mittel in unrechte Hände kommen."
    22 Milliarden Mark verschwanden während der Wende
    Trotzdem: Laut einer Enthüllungs-Geschichte des Nachrichtenmagazins "Spiegel" vom Mai 1991 verschwanden während der Wende 22 Milliarden D-Mark von den Konten des Koko-Imperiums. Schalck-Golodkowski erklärte im ARD-Fernsehen, für die Geschäfte der Kommerziellen Koordinierung sei er nur bis zu seiner Flucht in den Westen verantwortlich.
    "Die in meiner Zeit im Ausland befindlichen Mittel oder auf Fonds und Konten der DDR-Banken befindlichen Gelder sind den staatlichen Organen bekannt. Ich bin fest überzeugt, wenn heute solche Beträge aus dem Verantwortungszeitraum von mir fehlen würden, hätte der Staatsanwalt Anklage erhoben."
    Zwei Untersuchungsausschüsse des Bundestages arbeiteten sich an Schalck-Golodkowski und den Geschäften der Koko ab. Strafrechtlich konnte dieser Mann nur aufgrund von Verstößen gegen alte Gesetze der westalliierten Militärregierung belangt werden: Schalck-Golodkowski hatte Embargobestimmungen umgangen, um westliche Technik und Waffen in die DDR zu schaffen. Das brachte ihm 16 Monate Haft auf Bewährung ein. Alle anderen Verfahren – unter anderem wegen Untreue - wurden eingestellt. Teile des verschwundenen DDR-Vermögens landeten auf verschlungenen Wegen bei der Schweizer Privatbank Julius Bär. Die Bundesrepublik hat sie im August dieses Jahres (2014, Anm. d. Onlineredaktion) in Zürich auf Schadenersatz verklagt.