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Scharfe Töne im Vorwahlkampf in Hessen

Parallel zur Bundestagswahl im September wird in Hessen eine neue Landesregierung gewählt. Im Kopf an Kopf-Rennen mit der schwarz-gelben Regierung schrumpft nach einer neuen Umfrage der Vorsprung von Rot-Grün. Nicht ausgeschlossen ist aber auch eine Koalition von CDU und Grünen.

Von Anke Petermann |
    Wechselstimmung – das war einmal, freut sich Ministerpräsident Volker Bouffier, der auf Wiederwahl hofft. Der CDU-Spitzenkandidat hat eine Erklärung parat: Seine Partei und der liberale Wunschkoalitionär böten vielfältige Lösungen, zum Beispiel in der Bildungs- und Verkehrspolitik.

    "Und das unterscheidet uns von unserer Konkurrenz, die sagen ‚Einheitsschule‘, ‚Einheitsversicherung‘. Und wir geben eine andere Antwort. Wir sagen, Hessen muss das Land der Chancen für alle sein. Das bedeutet konkret: Wir wollen auch in zehn Jahren, dass Hessen Spitze ist. Die Menschen verdienen hier mehr als Bundesdurchschnitt, sie haben bessere Ausbildungsmöglichkeiten."

    Hessen geht es gut. Und das ist das Problem für die Opposition. SPD und Grüne müssen dem Wähler erklären, warum sie dennoch behaupten, das Land werde von Schwarz-Gelb schlecht regiert. SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel versucht es mit Blick auf den CDU-Programmparteitag so:

    "Sowohl in der Ganztagsschulentwicklung als auch im Kindergartenbereich hat diese Landesregierung versagt, sie ist inspirationslos, und das gilt auch für das Thema Ordnung am Arbeitsmarkt. Ich kann nicht akzeptieren, dass über acht Millionen Menschen für weniger als 8,50 Euro arbeiten. Und bisher ist die Union dazu jede Antwort schuldig geblieben, und es würde mich sehr überraschen, wenn das Wahlprogramm ausgerechnet der hessischen Union dazu irgendeinen nennenswerten Beitrag leistet."

    Mag ihr Vorsprung in Umfragen geringer werden, SPD und Grüne stricken unablässig an einem Schattenkabinett für den Fall ihres Wahlsiegs. Wirtschafts- und Verkehrsminister will der hessische Grünen-Chef und Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir werden. Wohin ein Grüner in diesem Amt das Land führen würde, nämlich in den Abgrund, wird die CDU fortan nicht müde zu wiederholen. Generalsekretär Peter Beuth:

    "Hessen droht der Abstieg, Steuern werden erhöht, Arbeitsplätze werden vernichtet."

    Nicht ausgeschöpfte Chancen für neue Arbeitsplätze erblicken SPD und Grüne in einer Energiewende, von der Schwarz-Gelb in Wiesbaden nur schwadroniere. Das energetisch erneuerbare Hessen zu organisieren, beanspruchen die Grünen als Kernkompetenz, doch SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel funkt dazwischen, bekundet, das Thema in der Staatskanzlei ansiedeln und zur Chefsache machen zu wollen, falls er Ministerpräsident werden sollte. Stimmenfang auf Kosten der hessischen Grünen? Der SPD-Frontmann wiegelt ab.

    "Im Moment stellt sich jede Partei erst mal so auf, wie sie glaubt, erfolgreich zu sein. Es gibt keine Aufgabenteilung zwischen SPD und Grünen. Jeder formuliert seine Vorstellungen. Die Grünen haben ihre formuliert, die habe ich zur Kenntnis genommen, und so wird es umgekehrt wahrscheinlich auch sein."

    Und wenn es für Rot-Grün nicht reicht? Die Sozialdemokraten haben aus dem Ypsilanti-Debakel gelernt und schließen nichts mehr aus, auch keine Unterstützung durch die Linkspartei. Die riskiert laut Umfragen allerdings, aus dem Landtag zu fliegen. Die Grünen halten die in Wahlkämpfen grassierende "Ausschließeritis" ohnehin für heuchlerisch. Möglich also, dass sie sich die ersehnte Regierungsbeteiligung mit Schwarz-Grün sichern.