Jochen Spengler: Israels Ministerpräsident Ariel Scharon ringt nach seinem Schlaganfall und zwei Hirnoperationen weiter mit dem Tod. Er wurde gestern in ein künstliches Koma versetzt. Doch unabhängig davon, ob Scharon dieses Ringen verliert oder die schwere Krankheit überlebt, eine Rückkehr in die Politik ist so gut wie ausgeschlossen. Israel ist erschüttert und der gesamte Nahe Osten verunsichert. Am Telefon ist Abdallah Frangi, Chef von Al-Fatah im Gazastreifen, guten Morgen Herr Frangi.
Abdallah Frangi: Guten Morgen.
Spengler: Herr Frangi, worauf stellen Sie sich ein? Auf eine Zeit der Unsicherheit?
Frangi: Ja, die Lage ist sowieso sehr unsicher im Nahen Osten, vor allem in Palästina und Israel. Und jetzt kommt viel mehr durcheinander, würde ich sagen, innerhalb Israels und das reflektiert sich zum Teil auf die palästinensischen Gebiete.
Spengler: Was fürchten Sie denn, was in Israel passieren wird?
Frangi: Wir rechnen damit, dass eine neue Entwicklung kommt. Diese Kadima-Partei, die gegründet worden ist von Scharon, wird wahrscheinlich nicht mehr die Position haben, die erwartet wird, als Scharon lebte und daher kommt wahrscheinlich der Netanjahu als Vorsitzender der Likud-Partei und der wird wahrscheinlich auch die Wahlen gewinnen demnächst in Israel und das ist auch sehr schwierig für uns.
Spengler: Von Netanjahu erwarten Sie nichts Gutes?
Frangi: Wir haben die Erfahrung drei Jahre mit ihm gehabt und trotz des Druckes der USA damals - der hat seine eigene Politik und die zielt auch darauf, dass er die Palästinenser nicht berücksichtigen wird. Er nimmt den Palästinensern das Recht, dass sie einen Palästinenserstaat gründen dürfen oder können.
Spengler: Herr Frangi, auffällig ist hier, dass sich die Stellungnahmen palästinensischer Bürger zu Scharons Krankheit, die wir in Deutschland hören und lesen, sehr unterscheiden von den Stellungnahmen von der palästinensischen Führung, der Sie ja angehören. Die Stellungnahmen der Bürger sind sehr viel mehr von Hass erfüllt, ja von Befriedigung über Scharons Krankheit. Woran liegt das?
Frangi: Das liegt daran, dass Scharon eine harte Politik gegen die Palästinenser durchgeführt hat, dass der Scharon die Zerstörung der Infrastruktur der Palästinenser in den letzten Jahren betrieben hat und die militärischen Aktionen gegen die Palästinenser gemacht hat. Aber es ist eben so, dass man in einem Krieg genau diejenigen, die auf der anderen Seite - oder lassen Sie mich so sagen: die Feinde führen - werden nicht geliebt. Und das gleiche galt ja für Arafat, als er krank war. Der wurde auch mit Hass erfüllten Parolen auch in Israel begleitet. Das ist, glaube ich, eine menschliche Eigenschaft, die leider vorhanden ist.
Spengler: Dass Scharon derjenige ist, der nach 38 Jahren Besatzung den Gazastreifen hat räumen lassen, das wird jedenfalls in der Bevölkerung nicht gewürdigt?
Frangi: Er hat das so gemacht, in einem einseitigen Schritt, ohne mit der palästinensischen Führung reden zu wollen, und er hat es gleich begleitet mit der Ausweitung der Siedlungspolitik in der Westbank und in Jerusalem. Und die Zerstückelung der Westbank hat neue Gestaltung bekommen zu seiner Zeit. Und daher hat die Befreiung von Gaza die Palästinenser nicht mehr befriedigt. Und die Bevölkerung lebt weiterhin in einem hässlichen Zustand im Gazastreifen, dass sie nicht frei sind, dass sie auch in der Wirtschaft weiterhin genau in dem gleichen Zustand wie vorher - das heißt, man lebt in einem großen Gefängnis und die Spannungen werden immer größer, sogar, dass die Palästinenser jetzt intern nicht mehr in der Lage sind, das in den Griff zu bekommen. Und das ist ein hässlicher Zustand und dieser Zustand bestimmt die Empfindungen der Menschen.
Spengler: Woran das liegt - die Gewalt im Gaza - darauf möchte ich gleich noch kurz zu sprechen kommen, vielleicht noch zunächst: Was halten Sie denn persönlich von Scharon? Wie haben Sie ihn erlebt?
Frangi: Also, bis jetzt war er ein harter Gegner, aber er war ein Gegner, der die Politik in Israel durchführen konnte. Er hat Israel geführt und er hat auch eindeutig die radikalen Israeli im Griff gehabt und er hat auch seine Politik so weit durchgeführt, dass wir - ich sage das jetzt als Politiker - froh darüber waren, dass er den Gaza-Streifen verlassen hat, aber gleichzeitig verstimmt waren, dass er eine gegenseitige Politik von dem, was wir im Gaza-Streifen erlebt hatten, in der Westbank gemacht hat.
Spengler: Es ist ja immer schwer, sich in die andere Seite hineinzuversetzen, trotzdem frage ich Sie das: Die Israelis haben Herrn Scharon und schätzen Herrn Scharon ja offenbar deswegen, weil er als ein starker Mann, als ein Hardliner für den Schutz der israelischen Bevölkerung vor Anschlägen stand und zugleich dann, am Ende jedenfalls, Schritte zur Aussöhnung gegangen ist. Können Sie die israelische Angst vor palästinensischen Angriffen nachvollziehen, gerade angesichts der Gewalt, die jetzt im Gaza-Streifen anhält und die Sie ja auch selbst nicht in den Griff kriegen?
Frangi: Ich habe Sie nicht so richtig verstanden.
Spengler: Das war auch eine viel zu komplizierte Frage. Ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie das nachvollziehen können, dass die Israelis bei Scharon Schutz gesucht haben? Dass Sie ihn geschätzt haben, weil er ihnen Schutz vor palästinensischen Angriffen bieten wollte?
Frangi: Ich meine, für die Israelis war er ein idealer Politiker und für die Israelis war er praktisch einer, der das Vertrauen der Israelis gewonnen hat oder mehr Vertrauen als die anderen Politiker gewonnen hat. Es ist eine andere Sache. Aber ich gehe nicht davon aus, von dem, was die Israelis empfinden, sondern was die Palästinenser erleben.
Spengler: Woran liegt die Gewalt im Gaza-Streifen? Woran liegt es, dass jetzt sogar ägyptische Polizisten, arabische Brüder, von Palästinensern getötet wurden?
Frangi: Das sind auch junge Palästinenser, die eher zu Anarchie neigen und diese jungen Leute, die haben gestern einen unverschämten Akt gegen Ägypten durchgeführt. Die Bevölkerung in Palästina ist hundertprozentig dagegen. Auch die Führung der Al-Fatah und die meisten Palästinenser haben diese Aktionen gestern verurteilt. Aber wie gesagt, die meisten dieser jungen Leute haben keine Perspektive für die Zukunft und sie neigen mehr und mehr zu einer Anarchie oder zu einem unkontrollierten Zustand.
Spengler: Trägt Ihre Partei, die Al-Fatah-Partei dafür Mitverantwortung, dadurch, dass sie vielleicht zu Machtvergessen war, dass sie vielleicht zu sehr der Korruption verfallen ist?
Frangi: Ich würde sagen, wenn wir Al-Fatah nur mit Korruption einfach verurteilen, dann ist das eine ungerechte Sache. Die Al-Fatah war verantwortlich in der Politik mehr als zehn Jahre allein. Sie hatte Verantwortung in der Regierung allein und mit der Zeit gibt es so eine Trägheit innerhalb dieses Apparates und innerhalb - gucken Sie mal zu Beispiel, wenn eine Partei in Deutschland länger als vier Jahre regiert, dann gucken Sie mal die Ergebnisse danach, ein Jahr danach oder zwei Tage danach. Dann werden Sie das sehen. Und das gleiche gilt auch für uns. Wir haben mehr Kraft eingesetzt innerhalb der Bildung der authority und nicht in der Partei und wir haben unsere Partei vernachlässigt in dieser Zeit, viel länger als zehn Jahre und deswegen haben wir nicht mehr die straffe Organisation innerhalb der Partei und wir haben auch nicht die Probleme gelöst, die vorhanden sind, wo wir die Verantwortung haben als Al-Fatah. Und daher kommt jetzt mehr Missstimmung gegenüber der Al-Fatah und weniger Vertrauen durch die Bevölkerung. Aber wir arbeiten hartnäckig daran, dass wir wieder das Vertrauen der Menschen gewinnen.
Abdallah Frangi: Guten Morgen.
Spengler: Herr Frangi, worauf stellen Sie sich ein? Auf eine Zeit der Unsicherheit?
Frangi: Ja, die Lage ist sowieso sehr unsicher im Nahen Osten, vor allem in Palästina und Israel. Und jetzt kommt viel mehr durcheinander, würde ich sagen, innerhalb Israels und das reflektiert sich zum Teil auf die palästinensischen Gebiete.
Spengler: Was fürchten Sie denn, was in Israel passieren wird?
Frangi: Wir rechnen damit, dass eine neue Entwicklung kommt. Diese Kadima-Partei, die gegründet worden ist von Scharon, wird wahrscheinlich nicht mehr die Position haben, die erwartet wird, als Scharon lebte und daher kommt wahrscheinlich der Netanjahu als Vorsitzender der Likud-Partei und der wird wahrscheinlich auch die Wahlen gewinnen demnächst in Israel und das ist auch sehr schwierig für uns.
Spengler: Von Netanjahu erwarten Sie nichts Gutes?
Frangi: Wir haben die Erfahrung drei Jahre mit ihm gehabt und trotz des Druckes der USA damals - der hat seine eigene Politik und die zielt auch darauf, dass er die Palästinenser nicht berücksichtigen wird. Er nimmt den Palästinensern das Recht, dass sie einen Palästinenserstaat gründen dürfen oder können.
Spengler: Herr Frangi, auffällig ist hier, dass sich die Stellungnahmen palästinensischer Bürger zu Scharons Krankheit, die wir in Deutschland hören und lesen, sehr unterscheiden von den Stellungnahmen von der palästinensischen Führung, der Sie ja angehören. Die Stellungnahmen der Bürger sind sehr viel mehr von Hass erfüllt, ja von Befriedigung über Scharons Krankheit. Woran liegt das?
Frangi: Das liegt daran, dass Scharon eine harte Politik gegen die Palästinenser durchgeführt hat, dass der Scharon die Zerstörung der Infrastruktur der Palästinenser in den letzten Jahren betrieben hat und die militärischen Aktionen gegen die Palästinenser gemacht hat. Aber es ist eben so, dass man in einem Krieg genau diejenigen, die auf der anderen Seite - oder lassen Sie mich so sagen: die Feinde führen - werden nicht geliebt. Und das gleiche galt ja für Arafat, als er krank war. Der wurde auch mit Hass erfüllten Parolen auch in Israel begleitet. Das ist, glaube ich, eine menschliche Eigenschaft, die leider vorhanden ist.
Spengler: Dass Scharon derjenige ist, der nach 38 Jahren Besatzung den Gazastreifen hat räumen lassen, das wird jedenfalls in der Bevölkerung nicht gewürdigt?
Frangi: Er hat das so gemacht, in einem einseitigen Schritt, ohne mit der palästinensischen Führung reden zu wollen, und er hat es gleich begleitet mit der Ausweitung der Siedlungspolitik in der Westbank und in Jerusalem. Und die Zerstückelung der Westbank hat neue Gestaltung bekommen zu seiner Zeit. Und daher hat die Befreiung von Gaza die Palästinenser nicht mehr befriedigt. Und die Bevölkerung lebt weiterhin in einem hässlichen Zustand im Gazastreifen, dass sie nicht frei sind, dass sie auch in der Wirtschaft weiterhin genau in dem gleichen Zustand wie vorher - das heißt, man lebt in einem großen Gefängnis und die Spannungen werden immer größer, sogar, dass die Palästinenser jetzt intern nicht mehr in der Lage sind, das in den Griff zu bekommen. Und das ist ein hässlicher Zustand und dieser Zustand bestimmt die Empfindungen der Menschen.
Spengler: Woran das liegt - die Gewalt im Gaza - darauf möchte ich gleich noch kurz zu sprechen kommen, vielleicht noch zunächst: Was halten Sie denn persönlich von Scharon? Wie haben Sie ihn erlebt?
Frangi: Also, bis jetzt war er ein harter Gegner, aber er war ein Gegner, der die Politik in Israel durchführen konnte. Er hat Israel geführt und er hat auch eindeutig die radikalen Israeli im Griff gehabt und er hat auch seine Politik so weit durchgeführt, dass wir - ich sage das jetzt als Politiker - froh darüber waren, dass er den Gaza-Streifen verlassen hat, aber gleichzeitig verstimmt waren, dass er eine gegenseitige Politik von dem, was wir im Gaza-Streifen erlebt hatten, in der Westbank gemacht hat.
Spengler: Es ist ja immer schwer, sich in die andere Seite hineinzuversetzen, trotzdem frage ich Sie das: Die Israelis haben Herrn Scharon und schätzen Herrn Scharon ja offenbar deswegen, weil er als ein starker Mann, als ein Hardliner für den Schutz der israelischen Bevölkerung vor Anschlägen stand und zugleich dann, am Ende jedenfalls, Schritte zur Aussöhnung gegangen ist. Können Sie die israelische Angst vor palästinensischen Angriffen nachvollziehen, gerade angesichts der Gewalt, die jetzt im Gaza-Streifen anhält und die Sie ja auch selbst nicht in den Griff kriegen?
Frangi: Ich habe Sie nicht so richtig verstanden.
Spengler: Das war auch eine viel zu komplizierte Frage. Ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie das nachvollziehen können, dass die Israelis bei Scharon Schutz gesucht haben? Dass Sie ihn geschätzt haben, weil er ihnen Schutz vor palästinensischen Angriffen bieten wollte?
Frangi: Ich meine, für die Israelis war er ein idealer Politiker und für die Israelis war er praktisch einer, der das Vertrauen der Israelis gewonnen hat oder mehr Vertrauen als die anderen Politiker gewonnen hat. Es ist eine andere Sache. Aber ich gehe nicht davon aus, von dem, was die Israelis empfinden, sondern was die Palästinenser erleben.
Spengler: Woran liegt die Gewalt im Gaza-Streifen? Woran liegt es, dass jetzt sogar ägyptische Polizisten, arabische Brüder, von Palästinensern getötet wurden?
Frangi: Das sind auch junge Palästinenser, die eher zu Anarchie neigen und diese jungen Leute, die haben gestern einen unverschämten Akt gegen Ägypten durchgeführt. Die Bevölkerung in Palästina ist hundertprozentig dagegen. Auch die Führung der Al-Fatah und die meisten Palästinenser haben diese Aktionen gestern verurteilt. Aber wie gesagt, die meisten dieser jungen Leute haben keine Perspektive für die Zukunft und sie neigen mehr und mehr zu einer Anarchie oder zu einem unkontrollierten Zustand.
Spengler: Trägt Ihre Partei, die Al-Fatah-Partei dafür Mitverantwortung, dadurch, dass sie vielleicht zu Machtvergessen war, dass sie vielleicht zu sehr der Korruption verfallen ist?
Frangi: Ich würde sagen, wenn wir Al-Fatah nur mit Korruption einfach verurteilen, dann ist das eine ungerechte Sache. Die Al-Fatah war verantwortlich in der Politik mehr als zehn Jahre allein. Sie hatte Verantwortung in der Regierung allein und mit der Zeit gibt es so eine Trägheit innerhalb dieses Apparates und innerhalb - gucken Sie mal zu Beispiel, wenn eine Partei in Deutschland länger als vier Jahre regiert, dann gucken Sie mal die Ergebnisse danach, ein Jahr danach oder zwei Tage danach. Dann werden Sie das sehen. Und das gleiche gilt auch für uns. Wir haben mehr Kraft eingesetzt innerhalb der Bildung der authority und nicht in der Partei und wir haben unsere Partei vernachlässigt in dieser Zeit, viel länger als zehn Jahre und deswegen haben wir nicht mehr die straffe Organisation innerhalb der Partei und wir haben auch nicht die Probleme gelöst, die vorhanden sind, wo wir die Verantwortung haben als Al-Fatah. Und daher kommt jetzt mehr Missstimmung gegenüber der Al-Fatah und weniger Vertrauen durch die Bevölkerung. Aber wir arbeiten hartnäckig daran, dass wir wieder das Vertrauen der Menschen gewinnen.